Künstliche Intelligenz im HRM von Schweizer KMU

Freitag, 10. Mai 2024 - Karen Heidl
Über 99% aller Unternehmen in der Schweiz sind KMU mit weniger als 250 Beschäftigten. Wie können KMU Vorteile aus KI ziehen? Ein Gespräch mit ­Fabio Blasi, Leiter Employer Branding beim Kantonsspital Aarau, der als Speaker an der KI-X teilgenommen hat.

Der Schweizer Speaker und Konferenzteilnehmer Fabio Blasi prognostiziert, dass die stärksten Veränderungen in den HR-Aufgabenfeldern im Bereich der HR-Administration wahrnehmbar sein werden. Blasi ist Leiter Employer Branding und Sourcing bei der KSA-Gruppe (Kantonsspital Aarau). Er geht davon aus, dass repetitive Aufgaben langfristig von KI-Lösungen übernommen werden. Dies bedeute vor allem in KMU, dass HR-Fachleute neue Ressourcen gewinnen werden, um sich anderen, dringenden Herausforderungen widmen zu können.

HR-Administration macht HR-Generalisten-Beruf unattraktiv

Die Tätigkeitsfelder im HR seien auch in KMU komplexer geworden, trotzdem beschäftigten sich viele HR-Verantwortliche vorwiegend mit administrativen Tätigkeiten. Diese manuell zu erledigen, sei nicht nur teuer, es mache auch den HR-Beruf als Generalist unattraktiv. «Die Generation Z heute hat eine starke Affinität zu New Work und ist es gewohnt, digitale Tools anzuwenden. Zeugnisgeneratoren, wie sie aktuell noch im Einsatz sind, sind künftig nicht mehr State-of-the-Art, weil momentan viele manuelle, also nicht automatisierte, Aktionen nötig sind.» HR-Fachleute, die heutzutage bereits sehr umfassend ausgebildet seien, können keine dauerhafte Befriedigung darin finden, ausschliesslich standardisierte und repetitive Bescheinigungen, Arbeitszeugnisse und andere Dokumente auszustellen.

Fabio Blasi, Leiter Employer Branding und Sourcing bei der KSA-Gruppe Fabio Blasi, Leiter Employer Branding und Sourcing bei der KSA-Gruppe

KI als Zweitmeinung, nicht als Entscheiderin

Der Einsatz von KI-Lösungen habe, so Blasi, noch einen weiteren Vorteil: «KI diskriminiert nicht, sie ist objektiv. Dies setzt natürlich voraus, dass die Algorithmen entsprechend designt wurden.» Dennoch sei er dagegen, KI Personalentscheidungen komplett treffen zu lassen oder KI-Lösungen ungeprüft Vorselektionen zu überantworten: «KI kann einem wunderbar eine objektive, nicht durch subjektive Überzeugungen verblendete Zweitmeinung vermitteln und durch Vorselektionen nach bestimmten Kriterien eine Menge Zeit sparen. Aber auch ein perfekter Algorithmus darf bei Personalentscheidungen niemals das letzte Wort haben.»

Die Zukunft von HR: Optimismus überwiegt

Blasi sieht eine revolutionäre Umwälzung auf die HR-Bereiche zukommen: «Generalisten in KMU haben bereits ein breites Tätigkeitsfeld und geben repetitive Tätigkeiten eher mit Freude auf. HR-Verantwortliche in Schweizer KMU können also optimistisch in die Zukunft blicken.» Dazu sei es aber notwendig, die Aus- und Weiterbildungen der HR-Fachleute zu überdenken. «Wenn man die administrative Rolle verdrängt, braucht man auch deren Fachkompetenzen nicht mehr in dieser Tiefe.» Stattdessen benötige man Aus- und Weiterbildungen, die HR-Fachleute «empowert, als Business-Partner, als Projektleiter oder als Fachspezialisten aufzutreten, also Verhandlungskompetenz, Durchsetzungsvermögen, strategisches Denken.» Diesen Zukunftsoptimismus nahm Blasi während der KI-X deutlich wahr. «Grosse Unternehmen treiben in Deutschland ein innovationsfreudiges Mindset voran, das in der Schweiz dann mit Verzögerung adaptiert wird. Die Offenheit des Publikums im Hinblick auf Zukunftsthemen war für mich sehr inspirierend. Das motiviert mich, Innovationsherausforderungen zu schaffen. Was wir heute brauchen, ist Neugier und ein Commitment für die Zukunft.»

Hype Cycles: Auf Enthusiasmus folgt Ernüchterung

Der Digitalisierungsgrad in KMU hinkt dem grosser Konzerne häufig hinterher, weil Investitionen und Effizienzgewinne in einem anderen Spannungsverhältnis stehen. Eine allgemeine Prognose für die Adaption von KI in Alltagsprozesse lässt sich aus Erfahrungen mit anderen Hypes ableiten. Das Beratungsunternehmen Gartner beschreibt typische Hype Cycles knapp zusammengefasst wie folgt: Nach einer enthusiastischen Erhitzungsphase einer neuen Technologie tritt in der Regel eine Phase der Ernüchterung ein, um dann in eine Phase überzugehen, in der Standardanwendungen ein hohes Effizienzniveau gewinnen.

ChatGPT als Treiber

Bei den Anwendungen der Künstlichen Intelligenz gab es bereits lange Phasen der Entwicklung, die sich allerdings kaum in der breiten Öffentlichkeit abgespielt haben. Fast unbemerkt schlichen sich selbstlernende Algorithmen in die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete ein, aber erst mit der Veröffentlichung von ChatGPT hat das Thema allgemeine Aufmerksamkeit gewonnen. Seit Jahren sind Chatbots oder CV-Parser im Einsatz, die Lebensläufe nach bestimmten Informationen scannen und an Matching-Systeme weitergeben können, die dann wiederum auf Basis eines definierten Anforderungsprofils eine Vorselektion vornehmen. Ein weiteres Beispiel sind Lern-Management-Systeme, die Module beinhalten, mit denen Lernpfade erstellt werden können. Jede Suchmaschinenabfrage recherchiert Informationen auf Basis anderer Informationen, die über die Suchenden gesammelt werden. Sentinel-Analysetools geben einen Überblick über die Wahrnehmung einer Marke in den sozialen Medien. Dies sind nur einige gängige Beispiele. Über KI wurde in der Öffentlichkeit bis Herbst 2023 nur wenig gesprochen, sie steckt aber in all diesen und vielen anderen Tools und Vorgängen.

Bald mehr KI-Lösungen auf dem HRM-Markt

In der IT-Infrastruktur von KMU sind viele der genannten Softwarelösungen noch nicht Standard, auch wenn es immer mehr Anbieter von Cloud-Anwendungen gibt, die für jede Unternehmensgrösse passende Nutzungs- und Lizenzmodelle bieten. Der im letzten Jahr ausgebrochene Hype um ChatGPT hat zur Folge, dass nun sehr viel intensiver über den Einsatz von KI in verschiedenen Personalmanagement-Bereichen nachgedacht wird und dass bald mehr Lösungen auf dem Markt sein werden, die sich auch kleinere Unternehmen, die ihre Prozesse noch nicht durchgehend digitalisiert haben, leisten können.

Take Aways

  • KI wird voraussichtlich repetitive HR-Aufgaben ­übernehmen und den HR-Fachleuten Zeit für andere Herausforderungen geben.
  • KI-Lösungen bieten objektive Zweitmeinungen, sollten aber nicht autonom finale Personalentscheidungen fällen.
  • Die Zukunft des HR wird sich durch KI-Lösungen vor allem im administrativen Bereich revolutionär verändern. KMU können so von Ressourcengewinnen profitieren und sich im HR stärker auf Beratungs- und Strategiethemen konzentrieren. Strukturell wird HR im KMU aufgewertet.
  • HR-Fachleute müssen sich auf Ausbildungen konzentrieren, die sie als strategische Business-Partner befähigen.

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