Lebenssituationen: Sozialversicherungen bei Kurzaufenthaltern

Dienstag, 14. Juli 2020 - Kurt Häcki
Was Personalverantwortliche über Pflichtversicherungen für Kurzaufenthalter, ihre Ansprüche und über die Leistungen aus den Versicherungen wissen müssen.

Kurzaufenthalter sind Arbeitnehmende, die sich wegen eines befristeten Arbeitsverhältnisses in der Schweiz aufhalten. Sie erhalten eine sogenannte Aufenthaltsbewilligung «Ausweis L», die für längstens ein Jahr gilt. Wann ist für Kurzaufenthalter eine Unterstellung unter die verschiedenen Sozialversicherungen erforderlich, welche Beiträge fallen an und auf welche Leistungen besteht ein Anspruch?

AHV

Der Arbeitgeber muss Kurzaufenthalter bei seiner AHV-Ausgleichskasse anmelden, sofern der temporär Mitarbeitende noch nie bei der AHV angemeldet gewesen ist und somit noch keinen AHV-Ausweis und kein individuelles Konto der AHV hat. Wenn der Kurzaufenthalter aus einer früheren Erwerbstätigkeit schon ein individuelles Konto bei der AHV hat, dann muss der Arbeitgeber ihn mit seiner AHV-Nummer, der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses und seinem AHV-pflichtigen Lohn auf der jährlichen Lohnbescheinigung für die AHV angeben. Für die Abzüge und Überweisung der AHV/IV/EO- und ALV-Beiträge gelten die üblichen Bestimmungen.

Pensionskasse

Wenn das befristete Arbeitsverhältnis für mehr als 3 Monate eingegangen wurde und der AHV-pflichtige Lohn höher ist als der Betrag der Eintrittsschwelle, müssen Kurzaufenthalter bei der Pensionskasse des Arbeitgebers versichert werden. Die Höhe des Arbeitnehmerbeitrags richtet sich nach den Bestimmungen des Pensionskassenreglements. Die Unterstellung endet mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Temporär Mitarbeitende haben dann Anspruch auf Freizügigkeitsleistungen, falls schon Altersgutschriften an- gespart wurden. Sinkt der Jahreslohn vorübergehend wegen Krankheit, Unfall, Mutterschaft oder ähnlichen Gründen, so behält der bisherige koordinierte Lohn mindestens so lange Gültigkeit, wie die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bestehen würde oder ein Mutterschaftsurlaub dauert.

Unfallversicherung

Kurzauftenthalter unterstehen der obligatorischen Unfallversicherung und sind beim Versicherer des Arbeitgebers zu versichern. Wenn sie pro Woche mehr als 8 Stunden arbeiten, unterstehen sie auch der Nichtberufsunfallversicherung. Die Kosten der Nichtberufsunfallversicherung können gemäss den Bestimmungen im Arbeitsvertrag vom Lohn abgezogen werden. Der Arbeitgeber kann auch für alle Arbeitnehmenden überobligatorische Leistungen versichert haben (siehe Arbeitsvertrag). Die Unterstellung endet am 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört. Der Arbeitgeber meldet zum Jahresende seinem Unfallversicherer alle Arbeitnehmenden, deren Beschäftigungsart, die Zahl der Arbeitstage sowie die Art und Höhe der Löhne.

Krankenversicherung

Staatsangehörige von EU-/EFTA-Staaten mit einem Ausweis L, der länger als 3 Monate gültig ist, unterstehen ab dem Tag ihrer Anmeldung bei der Einwohnerkontrolle der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Sie haben 3 Monate Zeit, sich bei einem schweizerischen Krankenversicherer zu versichern. Wird diese Frist nicht eingehalten, wird die betreffende Person von Amtes wegen einem Krankenversicherer zugewiesen. Bei unentschuldbarer Verspätung ist ein Prämienzuschlag fällig, und die Kosten von Behandlungen vor dem Beitrittsdatum müssen selbst bezahlt werden. Arbeitnehmende mit Wohnsitz in den anliegenden Grenzstaaten, die mindestens einmal wöchentlich in ihren Wohnsitzstaat zurückkehren, sind von der Versicherungspflicht befreit. Drittstaatenangehörige mit einer Aufenthaltsbewilligung von mindestens 3 Monaten unterstehen der Versicherungspflicht in der Schweiz. Bei einer kürzeren Aufenthaltsbewilligung besteht keine Versicherungspflicht, sofern für Behandlungen ein gleichwertiger Versicherungsschutz vorhanden ist.

Mutterschaftsentschädigung

Nebst der Voraussetzung für den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung, dass die Mutter Arbeitnehmerin ist, muss sie während 9 Monaten unmittelbar vor der Geburt bei der schweizerischen AHV obligatorisch versichert gewesen sein. Im Fall einer vorzeitigen Geburt reduziert sich die Frist von 9 Monaten auf:

  • 6 Monate bei Niederkunft vor dem Schwangerschaftsmonat
  • 7 Monate bei Niederkunft vor dem 8. Schwangerschaftsmonat
  • 8 Monate bei Niederkunft vor dem 9. Schwangerschaftsmonat

Zudem muss die Mutter in dieser Zeit während mindestens 5 Monaten eine beitragspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Die in einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA zurückgelegten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten werden angerechnet.

Familienzulagen

Grundsatz ist, dass für ein Kind eine Zulage ausgerichtet wird. Ob ein Anspruch besteht und welche Familienausgleichskasse die Kinder- oder Ausbildungszulagen ausrichten wird, hängt von der Klärung der Anspruchskonkurrenzen gemäss nachstehender Reihenfolge ab:

  • Erwerbstätige Person (Arbeitnehmende müssen aus einem oder aus mehreren Arbeitsverhältnissen ein Jahreseinkommen erzielen, das höher ist als 7’110 Franken, respektive 592 Franken pro Monat)
  • Person, welche die elterliche Sorge hat oder bis zur Mündigkeit des Kindes hatte
  • Person, mit der das Kind überwiegend zusammenlebt oder bis zur Mündigkeit lebte
  • Person, auf welche die Familienzulagenordnung im Wohnsitzkanton des Kindes anwendbar ist
  • Person mit dem höheren Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit
  • Person mit dem höheren Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit

Arbeitnehmende reichen die Anmeldung für Familienzulagen via ihren Arbeitgeber bei dessen Familienausgleichskasse ein. Der Anspruch beginnt und endet mit dem Lohnanspruch, wobei bei Verhinderung an der Erbringung der Arbeitsleistung (Krankheit, Unfall) die Familienzulagen noch während des laufenden und den 3 folgenden Monaten ausgerichtet werden, während des Mutterschaftsurlaubs für längstens 16 Wochen. Familienzulagen werden für Kinder im Ausland nur dann ausgerichtet, wenn die Schweiz aufgrund eines Abkommens über soziale Sicherheit dazu verpflichtet ist. Spezielle Bestimmungen gelten, wenn ein Elternteil im Herkunftsland ebenfalls Familienzulagen bezieht. Je nach Höhe dieser Zulage hat die zweitanspruchsberechtigte Person Anspruch auf eine Differenzzahlung, und zwar in dem Betrag, um den ihr Anspruch höher ist als im Land der erstanspruchsberechtigten Person. (Stand des Artikels 1. Juli 2020)

Die Serie «Lebenssituationen»

In der Serie «Lebenssituationen» greift Sozialversicherungsexperte Kurt Häcki sozialversicherungsrelevante Lebensumstände von der Wiege bis zur Bahre auf. Suchen Sie Rat zu einem bestimmten Sachverhalt? Unsere Experten unterstützen Führungskräfte, HR-Verantwortliche und Mitarbeitende in Schweizer Unternehmen zu allen Fragen der Sozialversicherung und Personalvorsorge.

Die Serie wird regelmässig zusammen mit weiteren Dossiers zu Themen der Personalvorsorge, Sozialversicherungen und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Fachzeitschrift penso publiziert, die im September 2020 erstmalig erscheinen wird.

 

Die Serie «Lebenssituationen»

In der Serie «Lebenssituationen» greift Sozialversicherungsexperte Kurt Häcki sozialversicherungsrelevante Lebensumstände von der Wiege bis zur Bahre auf. Suchen Sie Rat zu einem bestimmten Sachverhalt? Unsere Experten unterstützen Führungskräfte, HR-Verantwortliche und Mitarbeitende in Schweizer Unternehmen zu allen Fragen der Sozialversicherung und Personalvorsorge.

Die Serie wird regelmässig zusammen mit weiteren Dossiers zu Themen der Personalvorsorge, Sozialversicherungen und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Fachzeitschrift penso publiziert.

Artikel teilen


Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.

Folgen sie uns auf