HRM ist nicht gleich HRM

Donnerstag, 19. Januar 2023 - Karen Heidl
Controller überwachen die Geschäftsentwicklung, Marketingverantwortliche haben klare Kennzahlen, Vertriebsprofis bringen Produkte und Dienstleistungen an die Kundschaft. Was macht das HR-Management? Wir fragen die Präsidentin des Berufsverbands HR Swiss und erfahrene HR-Leiterin Jessica Silberman Dunant, wie sie das Selbstverständnis des HRM wahrnimmt.

Die HR-Funktion kann unterschiedliche Gestaltungsspielräume bieten, die Wahrnehmung der Rolle durch die Mitarbeitenden ist im Unternehmen nicht unbedingt konsistent und die Erwartungen an HR sind nicht immer explizit. Fragt man herum, dann wird die Human-Resources-Tätigkeit oft mit Einstellen, Abwickeln der Saläre und Entlassen zusammengefasst. Schwierig tatsächlich dann zu verstehen, was daran human ist.

Raum für Profilierung?

Ein Grund für das nicht immer scharf umrissene Rollenprofil im HR liege in der Diversität der Unternehmen und im HR-Verständnis selbst, erklärt Jessica Silberman. Die Rolle werde abhängig von Grösse, Kultur, Reife und Branche anders gelebt: «Zudem ist HRM eine relativ junge Funktion, wenn man einmal von der HR-Administration absieht. Über diese administrativen Kernprozesse hinaus hat sich in den letzten Jahrzehnten die Funktion erweitert. Aber es gibt nicht die eine allgemein gültige Praxis. Das heisst für HR-Fachleute, dass sie selbst aufzeigen müssen, was sie dem Unternehmen bringen können, sich regelmässig weiterbilden und sich bis zu einem gewissen Grad an die Firma anpassen müssen.»

Die Vorstellung von dieser Rolle im Unternehmen sei zudem häufig recht unterschiedlich, führt Silberman weiter aus. Personalverantwortliche haben täglich mit vertraulichen Informationen zu tun, weshalb ein Teil der Arbeit Verschwiegenheit voraussetze. Während Führungskräfte daher eine bessere Vorstellung von der HR-Arbeit haben, treffe dies bei den nicht personalverantwortlichen Mitarbeitenden nicht unbedingt zu.

Die Wahrnehmung werde auch vom Charakter der HR-Arbeit als Supportfunktion beeinflusst. «HR ist nicht genügend sichtbar, wenn es um die Zuschreibung von Resultaten oder um die Sichtbarkeit im Firmenauftritt geht. In einer Support-Rolle beeinflusst man vieles indirekt und eben nicht so sichtbar. Die Wertschätzung ist dann häufig auch eher indirekt», erklärt Silberman den Blick auf die HR-Arbeit.

Zur Person

Jessica Silberman Dunant ist selbständige HR Transition Managerin und Projektleiterin. Seit April 2022 ist sie auch Präsidentin des schweizerischen Verbands HR Swiss. Sie hat an der Universität Genf Betriebswirtschaft studiert und hatte verschiedene HR-Führungspositionen in international tätigen Unternehmen inne, zuletzt als Chief Human Resources Officer und Mitglied der Geschäftsleitung des Flughafens Genf.

Auf die Frage, ob sich HR als Support-Funktion denn überhaupt profilieren solle oder dürfe, antwortet Silberman entschieden: «Ich bin davon überzeugt, dass sich HR profilieren kann und soll. Vom Administrativen bis zu für die Unternehmensziele kritischen Aktivitäten wie der Identifikation passender Mitarbeitender, ihrer Förderung und der Entwicklung entsprechender Prozesse lassen sich die Funktionen profilieren und auch transparent via HR Analytics, das heisst anonymisiert, aufzeigen. HR soll sich nicht davor scheuen, seinen Beitrag zum Unternehmungserfolg und zur Mitarbeiterzufriedenheit zu kommunizieren.»

Erfolgskritisch: Networking intern und extern

Unabdingbar für eine erfolgreiche, wirksame und sichtbare HR-Arbeit sei der Aufbau von Beziehungsnetzwerken – sowohl zur Geschäftsleitung und den Führungskräften als auch zu den Mitarbeitenden. Dies gelte zwar im Prinzip für alle Mitarbeitenden, sei aber im HR eine Grundbedingung, um Vertrauen in die HR-Personen und ihre Funktion sichtbar zu machen.

Neben dem internen Beziehungsmanagement sei auch die Kontaktpflege zu Peers in HR-Verbänden und in anderen Unternehmen wertvoll. So sei der Erfahrungsaustausch während der Coronakrise mit ihren neuen, dringenden Herausforderungen sehr hilfreich gewesen.

«Ich glaube, man kann als HR-Fachspezialistin mithelfen, dass die Position strategischer wird. Die Führungskräfte denken häufig gar nicht an die Möglichkeiten, die in dieser Funktion vorhanden sind», ermuntert Silberman HR-Verantwortliche abschliessend, die eigenen Kompetenzen stärker in die Waagschale zu werfen.

Reflexions- und Leitfragen für HR-Aspiranten

Jessica Silberman empfiehlt, die Rollenerwartungen und Gestaltungsspielräume im Rahmen einer Bewerbung für eine HR-Position genau abzufragen. Dazu folgende Tipps.

Empfehlungen zur Rollenklärung im HR

Verankerung der HR-Position in der Organisation prüfen: Bevor man eine Stelle im HR annimmt, sollte man das Organigramm studieren. Je nachdem, wie die Funktion verankert ist – in der Administration oder in der Geschäftsführung –, kann man Erwartungen ableiten. Inwieweit nimmt die Führung ihre eigene Verantwortung und Rolle den Mitarbeitenden gegenüber wahr und wird HR als Partner zum Erreichen der Unternehmungsziele betrachtet?

Stellenbeschreibung: Auch die Stellenbeschreibung gibt normalerweise Auskunft über Zielsetzungen sowie Gestaltungs- und Verantwortungsbereiche. Da HR auf vielen Niveaus arbeiten kann, sollte aus der Stellenbeschreibung hervorgehen, ob es sich um eine eher ausübende oder eine strategische Rolle handelt.

Bewerbungsgespräch: Optimalerweise sollte man vor Stellenantritt prüfen, ob die Rollenerwartungen zu den eigenen Ambitionen passen. Es gibt viele Situationen, die einen Ausbau der Position nicht zulassen – sei es aus Zeit- oder aus Kulturgründen. In einem Kennenlerngespräch kann man die Erwartungen herausfiltern und sich eine Vorstellung von der Reife der Organisation und ihrer Mittel machen, ob etwa die Personaladministration inhouse oder extern stattfindet, ob HR-Prozesse zum Beispiel für Sourcing, Mitarbeiterentwicklung und Nachfolgeplanung existieren. Solche Fragen geben Anhaltspunkte über die operationale Reife und die Mittel der HR-Funktion.

Auf die Strategie ausgerichtete Fragen im Kennenlerngespräch: Gute Fragen runden die Bestandsaufnahme ab und klären zum Beispiel, ob Mitarbeitende mit Potenzial identifiziert und entwickelt werden oder ob HR eine Strategie hat, die auf der des Unternehmens basiert. Und schliesslich: Wie wird die Belegschaft nach aussen dargestellt? «HR ist nämlich eine Value Proposition», so Silberman. «Gut geführte Mitarbeitende sind ein wichtiges Aushängeschild für Kunden und zukünftige Mitarbeitende.»

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