Mit der Reform AHV 21 wurde für Mann und Frau ein einheitliches Rentenalter von 65 Jahren eingeführt. Dieses bildet die Bezugsgrösse für die flexible Pensionierung und wird deshalb neu als Referenzalter bezeichnet: Wer mit 65 die Rente bezieht, erhält diese ohne Abzüge oder Zuschläge ausbezahlt. Frauen der Übergangsgeneration 1961 bis 1969 erhalten hingegen einen lebenslänglichen Rentenzuschlag, wenn sie ihre Altersrente nicht vorbeziehen.
Pünktlich und genau haben die Ausgleichskassen die Reform AHV 21 umgesetzt. Die Erfahrungen in den ersten Monaten zeigen, dass das System der AHV einmal mehr sehr agil reagiert hat. Die durch die Reform massiv ausgebaute Individualisierung des Rentenbezugs wird in den kommenden Jahren zu vielen persönlichen Beratungen führen. Je komplexer sich die Ausgangslage präsentiert, desto höher ist der Beratungsbedarf. Dafür sind die Ausgleichskassen bereit.
Vorzeitiger Rentenbezug
Mit der AHV 21 lässt sich die Pensionierung flexibler gestalten. Die Rente kann im Alter zwischen 63 und 70 Jahren ab jedem beliebigen Monat bezogen werden, bei Frauen der Übergangsgeneration bereits ab 62 Jahren.
Neu ist es auch möglich, nur einen Teil der Rente zu beziehen. Die Mindestgrösse für den Vorbezug eines Teils der Rente liegt bei 20%, der maximale Anteil bei 80%. Sie wird entsprechend pro Vorbezugsmonat gekürzt. So wird ein schrittweiser Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand einfacher. Der Vorbezugsanteil kann einmal erhöht werden, danach muss der verbleibende Rententeil ganz bezogen werden.
Die Kürzungssätze bei einem Rentenvorbezug werden an die Lebenserwartung angepasst. Weniger starke Kürzungen sind für kleinere Einkommen vorgesehen. Diese Anpassungen erfolgen jedoch frühestens für 2027.
Die Ausgleichskassen bieten über ihre Internetseiten (siehe ahv-iv.ch > Kontakte) kostenlose Rentenschätzungen, Rentenvorausberechnungen und selbstverständlich auch persönliche Beratungen an.
Aufschub und Teilbezug der Rente
Neu ist es möglich, einen Teil der Rente aufzuschieben. So kann beispielsweise die Arbeitszeit reduziert und das fehlende Einkommen durch einen Teil der Altersrente ausgeglichen werden. Wie bisher muss der Aufschub mindestens ein Jahr dauern. Ab dann kann die Rente weiterhin monatlich abgerufen werden. Der anfänglich gewählte prozentuale Anteil der aufgeschobenen Rente kann während der Aufschubdauer einmal reduziert werden. Danach muss der verbleibende Rententeil ganz bezogen werden. Mit dem neuen Gesetz ist eine Kombination von Teilvorbezug und -aufschub möglich. So kann ein Teil der Rente vorbezogen und der verbleibende Teil aufgeschoben werden. Der Anteil kann zwischen 63 und 70 Jahren nur einmal geändert werden.
Vorteile und Optionen bei Weiterarbeit nach 65
Bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Rentenalter gilt in der AHV ein Freibetrag von 1400 Franken im Monat oder 16800 Franken im Jahr. Wer bisher nach dem Referenzalter weitergearbeitet und Beiträge bezahlt hat, konnte seine Altersrente nicht aufbessern. Mit der Reform AHV 21 ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, Einkommen und Beitragszeiten, die nach dem Referenzalter erzielt wurden, bei der Neuberechnung der Rente zu berücksichtigen. Dies ist dann der Fall, wenn die Maximalrente (aktuell 2450 Franken; 3675 Franken für Ehepaare) nicht erreicht wird oder wenn aufgrund einer Beitragslücke Anspruch auf eine Teilrente besteht.
Eine Neuberechnung der Rente kann einmalig unter Berücksichtigung der längstens bis zum 70. Altersjahr erzielten Einkommen und Beitragszeiten beantragt werden. Das nach dem Referenzalter erzielte Einkommen muss jedoch mindestens 40% des durchschnittlichen, unaufgewerteten Erwerbseinkommens zum Zeitpunkt des Referenzalters betragen.
Damit wird es attraktiver, über das Referenzalter hinaus erwerbstätig zu bleiben. Personen, die über das Referenzalter hinaus arbeiten, geniessen einen Freibetrag von 16800 Franken pro Jahr, auf dem keine AHV/IV/EO-Beiträge mehr abgerechnet werden. Auf dem übersteigenden Einkommen werden in jedem Fall Beiträge fällig. Allerdings haben diese Personen ein Wahlrecht, ob der Freibetrag angewendet werden soll oder nicht. Arbeitnehmende teilen ihre Wahl dem Arbeitgeber mit, Selbständigerwerbende ihrer Ausgleichskasse.
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes per 1. Januar 2024 können auch Personen, die bereits eine Altersrente beziehen, eine einmalige Neuberechnung verlangen und dadurch Erwerbseinkommen und Beitragszeiten nach dem Referenzalter anrechnen lassen. Voraussetzung für die Neuberechnung ist, dass die Person am 1. Januar 2024 das 70. Altersjahr noch nicht vollendet hat.
Zusammenfassend gibt es folgende Vorteile:
- Möglicher Verzicht auf Freibetrag für Erwerbstätige im Rentenalter.
- Berücksichtigung der nach dem Referenzalter (65 Jahre) bezahlten AHV-Beiträge.
- Mögliche Schliessung von Beitragslücken.
- Verbesserung der AHV-Rente (bis zur maximalen Rente).
Praktische Tipps zur Umsetzung: Wer muss was wann wem melden?
Beitragsberechnung als Nichterwerbstätiger, wenn die Erwerbstätigkeit unter 50% liegt
Die AHV unterscheidet zwischen erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Personen. Im Sinne der AHV gilt jemand als dauernd und voll erwerbstätig, wenn die Person mindestens neun Monate im Jahr oder mindestens 50% der üblichen Arbeitszeit tätig ist.
Bei Personen, die nicht dauernd oder voll erwerbstätig sind (weniger als neun Monate im Jahr oder weniger als 50% der üblichen Arbeitszeit), muss die Ausgleichskasse anhand einer Vergleichsrechnung ermitteln, ob die Beiträge aus dieser Erwerbstätigkeit (inkl. Arbeitgeberbeiträge) mindestens die Hälfte der Beiträge ausmachen, die sie als Nichterwerbstätige (NE) entrichten müssten. Ist dies nicht der Fall, müssen sie zusätzlich Beiträge wie NE zahlen. Als Grundlagen für die Berechnung der Beiträge an die AHV, die IV und die EO dienen das Vermögen und das 20-fache jährliche Renteneinkommen. Der jährliche einzuzahlende Mindestbeitrag beträgt 514 Franken.
Hingegen müssen keine eigenen Beiträge bezahlt werden, wenn die Ehefrau oder der Ehemann im Sinne der AHV erwerbstätig ist und mindestens Beiträge in der Höhe von 1028 Franken pro Jahr (doppelter Mindestbeitrag) entrichtet. Dies gilt auch für das Jahr, in dem die Ehe geschlossen oder geschieden wird.
Wenn jemand weniger als neun Monate im Jahr oder weniger als 50% der üblichen Arbeitszeit erwerbstätig ist und gemäss der Vergleichsrechnung der Ausgleichskasse Beiträge wie eine nichterwerbstätige Person zahlen muss, kann die Person verlangen, dass die Beiträge, die auf dem Erwerbseinkommen bereits geleistet wurden, bei der Beitragsberechnung angerechnet werden.
Take Aways
- Mit der Reform AHV 21 wurde der Bezug der AHV-Rente flexibler. Diese kann ausgehend vom Referenzalter 65 maximal zwei Jahre vorbezogen oder fünf Jahre aufgeschoben werden.
- Zudem ist auch ein Teilbezug der AHV-Rente zwischen 20 und 80% möglich.
- Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, mit den Beiträgen nach dem Referenzalter die eigene AHV-Rente aufzubessern – sofern nicht bereits die Maximalrente erreicht ist.