Mit Ausdauer und Hartnäckigkeit

Donnerstag, 01. Februar 2024 - Gregor Gubser
Fairtrade Max Havelaar zeichnet Produkte mit dem bekannten Fairtrade-­Label aus. Das Engagement für Nachhaltigkeit hat auch Auswirkungen auf die Stiftung als Arbeitgeberin in der Schweiz. So ist sie bei einer Pensionskasse angeschlossen, die konsequent auf nachhaltige Anlagen setzt.

Denise Büchler, Fairtrade Max Havelaar steht in der Schweiz für Fairtrade und Nachhaltigkeit. Wie definieren Sie Nachhaltigkeit?

Für mich bedeutet Nachhaltigkeit ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen des Planeten, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität. Alles mit dem Ziel, auch kommenden Generationen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen.

Ihre Stiftung vergibt das Fairtrade-Label an Produkte wie Bananen, Kaffee oder Kakao. Würde Ihrer Stiftung das Label auch verliehen?

Es wäre schwierig, uns selbst dieses Label (siehe Kasten, Seite 44) zu geben, da es auf Rohstoffproduzenten ausgerichtet ist und wir als Stiftung in einem anderen Setting arbeiten. Die Grundwerte leben wir trotzdem: Wir haben ein transparentes Lohnsystem und bezahlen gleiche Löhne für gleiche Arbeit – bei uns ist der Lohn auf das Stellenprofil definiert. Soweit es die finanzielle Lage der Stiftung zulässt, gewähren wir unseren Mitarbeitenden einen regelmässigen Teuerungsausgleich. Hinzu kommt, dass wir über die ganze Belegschaft ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis haben – auch in der Geschäftsleitung und im Stiftungsrat. Es ist uns ein Anliegen, dass die Mitarbeitenden den Beruf und das Privatleben gut in Einklang bringen können. Das führt dazu, dass bei uns fast alle Mitarbeitenden ein Teilzeitpensum haben. In Anlehnung an die Kooperativen der Produzenten, die von uns mit dem Fairtrade-Label ausgezeichnet werden, agieren auch wir möglichst demokratisch und pflegen einen offenen und transparenten Austausch zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft. Es ist uns wichtig, dass alle Mitarbeitenden ein grosses Mass an Mitsprache haben.

«Unsere Mitarbeitenden sind von sich aus schon sehr motiviert, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.»

Was tun Sie in der Schweiz, um ein nachhaltiges Unternehmen zu sein?

Wir berechnen unsere jährlichen CO2-Emissionen und unterstützen Klimaschutzprojekte. Derzeit sind wir dabei, eine interne Umwelt- und Klimapolicy auszuarbeiten. Darin halten wir fest, wie wir unsere Emissionen in den nächsten Jahren reduzieren wollen. Die jährlichen Reduktionsziele überprüfen wir stetig. Bereits heute reisen wir in Europa wenn immer möglich mit dem Zug. Wir beziehen Ökostrom und haben an allen Arbeitsplätzen Steckerleisten mit Schaltern, damit am Feierabend ohne grossen Aufwand alle Geräte komplett ausgeschaltet werden können. Weiter bemühen wir uns, technische Geräte möglichst lang zu nutzen, wir rezyklieren und wir heizen die Büros nur soweit nötig. Schliesslich bezahlen wir unseren Mitarbeitenden einen Beitrag an ÖV-Abos. Unsere Mitarbeitenden sind von sich aus schon sehr motiviert, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Alle kommen mit dem ÖV oder dem Velo zur Arbeit, nehmen am Bike-to-Work teil oder nutzen wiederverwendbare Gefässe für Takeaway. Natürlich konsumieren wir selbst wo immer möglich nur Fairtrade-Produkte.

Haben Sie Unterstützung bei der Entwicklung der Umwelt- und Klimapolicy?

Bei der Erarbeitung unserer Umwelt- und Klimapolicy haben wir die Beratung von Öko-Kompass in Anspruch genommen, die von der Stadt Zürich gesponsert wird. Um unsere Emissionen zu reduzieren, machen wir uns viele Gedanken. Zum Beispiel, ob wir bei Events nur noch vegetarische Menüs anbieten sollen.

Haben Sie sich selbst zertifizieren lassen?

Nein, wir selbst sind gegenwärtig nicht zertifiziert. Für die Zukunft schliessen wir eine solche aber nicht grundsätzlich aus. Auch wenn wir schon seit längerer Zeit intuitiv auf die CO2-Emissionen unserer Stiftung geachtet haben, beginnen wir erst jetzt, uns systematisch damit auseinanderzusetzen. Wir werden uns nun erstmals konkrete Ziele zur Senkung der CO2-Emissionen setzen. Gut möglich, dass auf diesem Weg eine Zertifizierung zu einem späteren Zeitpunkt ein Thema wird.

Würden Sie anderen Unternehmen und insbesondere KMU eine Klimazertifizierung empfehlen?

Da wir selber nicht zertifiziert sind, ist diese Frage für mich schwierig zu beantworten. Meiner Meinung nach ist es das Wichtigste, dass sich jedes Unternehmen ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzt. Dabei kann das Anstreben einer Zertifizierung sicher hilfreich sein. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Sowohl Swiss Climate als auch My­climate bieten ein Zertifikat an, man kann sich nach ISO 14001 zertifizieren lassen oder sich zu Science Based Targets Initiative (SBTI) bekennen.

Sie sind für die berufliche Vorsorge bei der Stiftung Abendrot angeschlossen, zu deren DNA nachhaltiges Investieren zählt. Ist das für Sie und Ihre Mitarbeitenden wichtig?

Wir sind mit unserer beruflichen Vorsorge seit 18 Jahren bei Abendrot. Ja, ich bin überzeugt, dass das den Mitarbeitenden sehr wichtig ist. Wir können uns nicht tagtäglich für eine fairere Welt einsetzen und in einer Vorsorgeeinrichtung sein, die in Firmen investiert, die diese Werte nicht leben. Da sich unsere Mitarbeitenden generell für Nachhaltigkeit committet haben und das Pensionskassengeld sich zwischen Arbeit und Privat­leben bewegt, ist das nur logisch.

«Wir können uns nicht tagtäglich für eine fairere Welt einsetzen und in einer Vorsorgeeinrichtung sein, die in Firmen investiert, die diese Werte nicht leben.»

Wäre für Ihre Mitarbeitenden nicht eine möglichst hohe Rendite auf dem Pensionskassenkapital und letztlich eine gute Rente wichtiger?

Erst kürzlich habe ich mich erneut intensiver mit unserer Pensionskasse im Vergleich mit anderen Anbietern auseinandergesetzt. Dabei habe ich festgestellt, dass nachhaltiges Investieren und gute Renditen nicht im Widerspruch stehen. Sowohl die Rendite als auch der Umwandlungssatz können mit anderen Pensionskassen mithalten.

Achten Sie auch bei anderen Versicherungen – z.B. Unfall oder Krankentaggeld – darauf, dass diese nachhaltig agieren?

Bisher haben wir nicht besonders darauf geachtet, wie nachhaltig unsere Versicherungen aufgestellt sind. Nach Ihrer Interviewanfrage habe ich mich aber etwas informiert und z.B. herausgefunden, dass die SVA-Zürich ihr Gebäude energetisch saniert hat. Durch die neue Umwelt- und Klimapolicy werden wir künftig vermehrt auch bei unseren Versicherungen auf Nachhaltigkeit fokussieren. Dafür sind wir seit drei Jahren bemüht, unsere eigenen Anlagen möglichst nachhaltig zu investieren, haben ein eigenes Anlagereglement. Wir haben in unserem Portfolio z.B. einen Anlagefonds, der als erster auf Gold aus Fairtrade-zertifizierten Minen setzt.

Fairtrade Max Havelaar und das Fairtrade-Label

Nationale Fairtrade-Organisationen wie Fairtrade Max Havelaar sind in über 25 Ländern in Europa, Nordamerika, Afrika, Asien und Ozeanien tätig. Fairtrade Max Havelaar ist eine gemeinnützige Stiftung, die in der Schweiz das Fairtrade-Label für nachhaltig an­gebaute und fair gehandelte Produkte vergibt. Als Mitglied von ­Fairtrade International verbessert Fairtrade Max Havelaar das Leben von Kleinbäuerinnen und Arbeitern in Ländern, die von unfairen globalen Handelspraktiken benachteiligt werden.

Das Label Fairtrade Max Havelaar steht für fairen Handel. Es ist das einzige Label, das den Produzenten fixe Mindestpreise und Prämien bietet. Zu fairem Handel gehören Geschlechtergerechtigkeit, der ­Ausschluss von ausbeuterischer Kinderarbeit, generell die Einhaltung von Menschenrechten sowie Nachhaltigkeit und schonender Umgang mit Ressourcen

Inwiefern profitieren die Mitarbeitenden von einem Unternehmen, das sich Fairtrade und Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt?

Zunächst bieten wir faire Arbeitsbedingungen, wobei auch immer darum gerungen wird, was fair ist. Zu den grösszügigen Bedingungen gehört zum Beispiel, dass wir den Mitarbeitenden weder NBU- noch Krankentaggeld-Prämien belasten. Dazu schätzen unsere Mitarbeitenden in erster Linie die Sinnhaftigkeit der Arbeit. Im Bereich Fairtrade profitieren sie zudem von einem Gemeinschaftsgefühl, weil wir weltweit mit anderen nationalen Fairtrade-Organisationen sowie mit den Produzenten in den Ursprungsländern vernetzt sind. Das macht die Welt etwas kleiner. Mit 35 Mitarbeitenden sind wir klein, dennoch sehr international ausgerichtet und so ständig in Kontakt mit anderen Ländern. Das ist zugleich ein Grund, warum wir unsere Reisen nie ganz auf null bringen werden. Ohne jeglichen persönlichen Austausch wäre die internationale Zusammenarbeit schwierig. Wir sind aber bemüht, Reisen möglichst zu reduzieren und, wo virtuelle Meetings nicht zielführend sind, sinnvoll zu gestalten, indem längere Reisen geplant werden, auf denen verschiedene Ziele verbunden werden können.

Sind Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit des Unternehmens Faktoren, die Fachkräftesuche und -bindung unterstützen?

Als Stiftung haben wir eher moderate Löhne und nutzen Geräte lang. Da sind die Bekanntheit des Labels sowie die Sinnhaftigkeit der Arbeit ein wichtiger Faktor im Employer-Branding. Bereits in Bewerbungs­gesprächen machen wir aber klar, dass wir unseren Mitarbeitenden keine heile Welt versprechen können. Wir setzen uns für faire Bedingungen für die Produzenten ein, manchmal braucht es aber viel Ausdauer, bis etwas passiert. Wir haben nicht einfach morgen die Welt fair gemacht. Diesem Ziel arbeiten wir jeden Tag Schritt für Schritt entgegen. Ausdauer und Hartnäckigkeit sind daher sehr wichtig.

Denise Büchler

ist Leiterin Finanzen & Services bei Fairtrade Max Havelaar. Nach der KV-Lehre und ersten Berufs­jahren bei der Stadtverwaltung Opfikon-Glattbrugg hat sie den Fachausweis Rechnungslegung und Controlling sowie später den Experten ­Rechnungslegung und Controlling erworben. ­Gekrönt hat Büchler ihre Ausbildungen mit einem EMBA in Controlling und Consulting. Von der Gemeindeverwaltung hat sie in die Buchhaltung der Aqua-Spa-Resorts AG ­gewechselt und 2015 zusammen mit zwei Partnerinnen die Bain-bleu SA gegründet und aufgebaut. Im April 2022 folgte der Wechsel zu Fairtrade Max Havelaar.

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