Sparen beim Rentenexport?

Donnerstag, 26. September 2024 - Gregor Gubser
Wer nach Eintritt eines Vorsorgefalls die Schweiz verlässt, bekommt unverändert seine Rente, egal, wie teuer oder günstig sein Leben im Ausland ist. Ist das okay? Und sollen auch an die Rente geknüpfte Leistungen wie Kinderrenten exportiert werden?

Stellen wir uns Kurt Müller vor. Er hat sein Leben lang in der Schweiz als Lastwagenchauffeur gearbeitet und in die AHV und die Pensionskasse eingezahlt. Mit 66 Jahren, ein Jahr nachdem er sich für seine AHV- und BVG-Altersrente angemeldet hat, entschliesst er sich, nach Thailand auszuwandern und dort sein Leben zu geniessen. Kurz danach lernt er eine Thailänderin kennen und lieben, die ihm bald auch ein Kind schenkt. Zugegeben, ein Klischee, aber dennoch nicht aus der Luft gegriffen.

Mit den Rentenzahlungen aus der Schweiz – die ihm daheim weiterhin ein anständiges Leben ermöglichen würden – ist er in Thailand ein gemachter Mann. Denn das Leben in Thailand ist nun mal deutlich günstiger, die Kaufkraft tiefer. Ob aus Neid oder aus Sparsamkeitsüberlegungen: Alle Jahre wieder kommen Begehren auf, exportierte Renten der Kaufkraft im neuen Wohnsitzstaat der Rentenbeziehenden anzupassen. Das heisst, nach Thailand würde nur noch so viel Geld geschickt, dass Kurt Müller dort ungefähr denselben Wohlstand geniessen könnte wie in der Schweiz. Ist ein solches Ansinnen gerecht, ja legitim?

Nehmen wir ein zweites klischiertes Beispiel: Ana Carvalho, eine Portugiesin, die nach 20 Jahren als Teilzeit-Hilfskraft in einem Lebensmittelverarbeitungsbetrieb in der Schweiz mit 65 Jahren in ihre Heimat zurückkehrt. Ihr tiefes Einkommen – mit dem sie gerade so über die Runden kam – und mangelnde Beitragsjahre führen zu einer tiefen AHV-Rente, die Eintrittsschwelle fürs BVG hat sie nicht erreicht und folglich keine berufliche Vorsorge aufgebaut. Würde sie in der Schweiz bleiben, wäre sie wahrscheinlich auf Ergänzungsleistungen angewiesen. In Portugal hingegen kann sie mit ihrer AHV-Rente gerade so ihren verdienten Ruhestand ohne grosse Sorgen verbringen. Notabene: Die steuerfinanzierten Ergänzungsleistungen werden nicht exportiert. Exportiert werden nur beitragsfinanzierte Sozialversicherungsleistungen. Wäre es fair, ihr die AHV-Rente nur kaufkraftbereinigt zu überweisen?

Nein, in beiden Fällen halte ich es nicht für fair, die Renten an die Kaufkraft im Wohnstaat der Rentenbeziehenden anzupassen. Zwar würden die Rentenzahlungen so den tatsächlichen Bedarf der Empfänger besser widerspiegeln, aber Renten sind keine Bedarfsleistungen. Der Rentenanspruch wurde durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge erworben. Nicht mehr und nicht weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen, die ihre Pension in der Schweiz verbringen, haben sich Ana Carvalho und Kurt Müller ihre Renten verdient. Die Entscheidung, wo jemand seinen Lebensabend verbringen möchte, sollten alle frei treffen können.

Kommt hinzu, dass eine Kaufkraftbereinigung der Renten einige Fragen aufwerfen würden. Das Kaufkraftgefälle kann sich im Lauf der Zeit verändern. Wie oft müsste dies durch die Ausgleichskasse und die Pensionskasse überprüft und angepasst werden, damit die Kaufkraftparität erhalten bliebe?

Kommen wir zurück zu Kurt Müller, der seit kurzem glücklicher Vater ist. Was sein (finanzielles) Glück noch steigern dürfte: Nun hat er auch Anspruch auf eine Kinderrente – mindestens, bis das Kind 18 Jahre wird. Soll auch diese zusätzliche Rentenleistung exportiert werden? Ja, denn ich stelle mich weiterhin auf den Standpunkt, dass alle Rentner vor dem Gesetz gleich sind und die gleichen gesetzlichen Ansprüche haben, egal, wo sie wohnen – vorausgesetzt, es besteht mit dem Wohnsitzstaat ein Sozialversicherungsabkommen (siehe Artikel Aziz, Seite 46).

Allerdings hinterfrage ich das Konzept der Kinderrente grundsätzlich – wie auch der Nationalrat, wie eine Vorlage die Motion 24.3004 der SGK zeigt. Diese will Kinderrenten der AHV und der beruflichen Vorsorge abschaffen und im Gegenzug die Ergänzungsleistungen grosszügiger ausgestalten. Anders sehen der Nationalrat und ich das bei den Kinderrenten zur IV-Rente. Im Gegensatz zur Pensionierung kann eine Arbeitsunfähigkeit infolge eines Gesundheitsschadens nicht vorausgesehen oder geplant werden. Sind Kinderrenten in der AHV und im BVG nicht ein alter Zopf, der abgeschnitten gehört? Läge es nicht in der Eigenverantwortung der späten Eltern, sich die finanziellen Folgen eines Kinderwunsches gut zu überlegen und entsprechende Rückstellungen zu bilden? Wie sehen Sie das? Sollen exportierte Renten der Kaufkraft angepasst werden? Und braucht es Alterskinderrenten?

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