Weiterbeschäftigung von ­pensionierten Mitarbeitenden

Donnerstag, 30. Mai 2024 - Myriam Minnig
Möchten Mitarbeitende über das Alter 65 hinaus weiterarbeiten, hat das Vorteile für das Unternehmen: Know-how bleibt erhalten und der Fachkräftemangel wird gelindert. Was dazu beachtet werden muss und ob es sinnvoll ist, dass sich die ­Mitarbeitenden in die Selbständigkeit begeben, klärt dieser Artikel.

Die Zahl der Erwerbstätigen in der Schweiz wird in den nächsten Jahren stark zurückgehen, da die geburtenstärkste Generation das Referenzalter erreicht. Viele dieser Mitarbeitenden möchten gerne weiterarbeiten – wenn sie an ihrer Stelle bleiben können oder eine neue Anstellung finden. Arbeitgebenden kann das grosse Vorteile bieten für die Übertragung von Know-how oder die flexible Nutzung von Erfahrung.

Bei der soeben deutlich abgelehnten Renteninitiative dürfte ein Kriterium eine grosse Rolle gespielt haben: Ältere Stellensuchende haben oft Mühe, eine Anstellung zu finden. Die Vorstellung, noch ­länger um Beschäftigung kämpfen zu müssen, schreckt ab. Andererseits sind so viele ältere Mitarbeitende im Arbeitsmarkt integriert wie nie zuvor (siehe Grafik). Wir zeigen auf, worauf im Besonderen zu achten ist, wenn man ältere Mitarbeitende beschäftigt.

Was bedeutet «pensioniert»?

Das Erreichen des gesetzlichen Referenzalters und der Akt der Pensionierung müssen zeitlich nicht zwingend zusammenfallen. Ebenso bedeutet die Beendigung der Erwerbstätigkeit nicht, dass man auch sozialversicherungsrechtlich als pensioniert gilt. Es bedarf einer Begriffsklärung.

Referenzalter (vormals Rentenalter)

Das Gesetz sieht ein Referenzalter vor, zur Bestimmung, ab wann eine volle Altersleistung bezogen werden kann. Aktuell erreichen Männer das Referenzalter mit dem 65. Geburtstag. Ab dem auf den Geburtstag folgenden Monat besteht Anspruch auf eine volle Altersleistung, abhängig von der Anzahl Beitragsjahre. Bei Frauen ist es dieses Jahr noch der 64. Geburtstag, ab 2025 wird das Referenzalter aufgrund der Reform AHV 21 schrittweise angeglichen. Ab 2028 liegt das Referenzalter auch für Frauen bei 65.

Pensionierung

Sozialversicherungsrechtlich ist damit der Bezug einer Altersrente gemeint. Das kann der Fall sein ab Erreichen des Referenzalters. Es ist jedoch auch möglich, früher eine Altersrente zu ­beziehen (Rentenvorbezug), was eine Rentenkürzung zur Folge hat, oder später (Rentenaufschub), wofür man einen Renten­zuschlag erhält. Dazu kommt, dass die Altersrente der AHV und diejenige der Pensionskasse zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Anteilen bezogen werden können (flexibler Bezug von Teilrenten). Die sozialversicherungsrechtliche Pensionierung kann sich somit über mehrere Jahre hinziehen. Lesen Sie dazu auch die Artikel von Peter Geisser (AHV) und Urs Schaffner (berufliche Vorsorge).

Altersbedingte Beendigung der Erwerbstätigkeit

Oft sprechen Menschen auch von einer Pensionierung, wenn sie die Erwerbstätigkeit aufgeben, ohne jedoch bereits eine Altersrente zu beziehen. Sie gehen dann zwar keiner bezahlten Arbeit mehr nach, sind aber aus Sicht der Sozialversicherungen noch nicht pensioniert.

Können Pensionierte noch beschäftigt werden?

Grundsätzlich können volljährige Personen unabhängig von ihrem Alter beschäftigt werden. Im Sinne des vorgängig geklärten Begriffs der Pensionierung gibt es verschiedene Möglichkeiten (siehe Tabelle).

 

Der Mitarbeitende …
Das bedeutet für den Arbeitgeber …
… hat das Referenzalter noch nicht erreicht, aber bezieht eine Altersrente (Vorbezug); … der Mitarbeitende untersteht allen Sozial­versicherungen, ohne Freibetrag;
… hat das Referenzalter erreicht und bezieht noch keine Altersrente (Aufschub);

… der Mitarbeitende ist noch beitragspflichtig für AHV/IV/EO auf dem den Rentner-Freibetrag übersteigenden Lohn, auf den Freibetrag von 16800 Franken pro Jahr kann der Mitarbeitende auch ­verzichten. Nach UVG ist der ganze Lohn weiterhin abzurechnen, die ALV-Beiträge entfallen. Bei der Pensionskasse ist das Reglement massgebend dafür, ob Aufschub und Weiterversicherung möglich sind;

… hat das Referenzalter erreicht und bezieht die ganze oder eine Teil-Altersrente. … die Situation ist dieselbe wie oben, ein Renten­bezug hat keinen Einfluss auf die Versicherungspflichten des Mitarbeitenden.

 

Krankheit und Lohnfortzahlungspflicht

Sollte der Arbeitgeber eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung abgeschlossen haben, ist zu beachten, dass diese oft ab Erreichen des Referenzalters besondere Bestimmungen vorsieht. Sei es, dass eine reduzierte Anzahl Taggelder ausgerichtet wird oder dass Personen ab einem bestimmten Alter nicht mehr versichert werden. Der Arbeitgeber hat diesbezüglich eine Informationspflicht gegenüber betroffenen Mitarbeitenden. Erkrankt ein nicht mehr versicherter Mitarbeitender, gelten die Lohnfortzahlungspflichten des Arbeitgebers gemäss Arbeitsvertrag oder den gesetzlichen Bestimmungen.

Auch die weiteren arbeitsrechtlichen Regelungen verlieren ihre Gültigkeit weder aufgrund eines Rentenbezugs noch bei Erreichen des Referenzalters. So muss beispielsweise auch bei der Kündigung von «pensionierten» Mitarbeitenden die Kündigungsfrist eingehalten werden und diese wird bei Arbeitsunfähigkeit durch eine entsprechende Sperrfrist unterbrochen.

Flexibilität durch Selbständigkeit?

Sowohl Arbeitgebende als auch Mitarbeitende wünschen sich oft eine flexiblere Form der Zusammenarbeit, denn Verbindlichkeit schränkt auch ein. Die Idee liegt nahe, Mitarbeitende als selbständige Dienstleister zu beschäftigen. Der Arbeitgeber würde so zum Auftraggeber ohne jegliche Beschäftigungs- oder Versicherungspflichten. Dasselbe gilt für die Auftragnehmerin, die bei jedem neuen Auftrag entscheiden kann, ob sie ihn annimmt. Doch funktioniert das?

Die Bestimmung des Beitragsstatuts obliegt den zuständigen Behörden. In erster Linie sind das die Ausgleichskassen, je nach Situation aber auch eine Steuerbehörde. Die Kriterien einer selbständigen Tätigkeit sind gesetzlich festgelegt und müssen nicht kumulativ, aber mehrheitlich erfüllt sein, für jeden einzelnen Auftrag. Ansonsten droht eine Umqualifizierung, selbst wenn Auftragnehmende von ihrer Ausgleichskasse eine vorläufige Bestätigung der subjektiven Selbständigkeit vorweisen können. Insbesondere rückwirkende Umqualifizierungen können verheerende finanzielle Konsequenzen für beide Parteien haben.

Gefahr der Scheinselbständigkeit

Als selbständigerwerbend gelten Personen, die unter eigenem Namen auf eigene Rechnung arbeiten sowie in unabhängiger Stellung sind und ihr eigenes wirtschaftliches Risiko tragen. Der Selbständige ist somit kein Untergebener, der Weisungen empfängt, sondern ein gleichberechtigter Geschäftspartner auf Augenhöhe. Er ist grundsätzlich nicht an Arbeitszeiten gebunden, führt Aufträge nach eigenem Gutdünken aus und verwendet dafür die eigene Infrastruktur. Er ist auch insofern unabhängig vom Auftraggeber, als dass er noch andere Kunden bedient. Je abhängiger und weisungsgebundener das Verhältnis zum Auftraggeber ist, desto grösser ist das Risiko einer Umqualifizierung. Insbesondere, wenn ehemalige Mitarbeitende neu im Auftragsverhältnis engagiert werden, für eine Tätigkeit, die vorher im Angestelltenverhältnis ausgeübt wurde, liegt der Verdacht auf eine Scheinselbständigkeit nahe.

Das Risiko entfällt, wenn die Auftragnehmerin eine Kapitalgesellschaft gründet, beispielsweise eine AG oder eine GmbH. Diese Gesellschaft ist nun in der Rolle des Arbeitgebers und trägt die Verantwortung für die Arbeit­nehmenden, selbst für die Inhaberin der Gesellschaft. Kapitalgesellschaften müssen unter Einsatz eines Mindestkapitals gegründet, die Statuten notariell beglaubigt und die Firma im Handelsregister eingetragen werden. Es ist eine ordentliche Buchhaltung zu führen, Bezüge sind als Lohn mit allen gesetzlichen Sozialversicherungen abzurechnen und es ist eine zusätzliche Steuererklärung auszufüllen. Als Alternative zu einer Selbständigkeit ist je nach Ausgangslage fraglich, ob sich dieser Aufwand zeitlich und finanziell lohnt.

Pensionierte im Ausland

Nicht selten kommt es vor, dass Fachkräfte nach ihrer Pensionierung auswandern oder schon vorher als Grenzgänger im Ausland gewohnt haben. Was ändert, wenn sie aus dem Ausland für den Schweizer Arbeitgeber tätig sind?

Passiert dies über einen Anstellungsvertrag, stellen sich unabhängig vom Alter dieselben Herausforderungen wie bei allen grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen. Es muss geklärt werden, welche zwingenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen am Ort der Erwerbstätigkeit gelten. Sollte die Person nicht die Staatsangehörigkeit des neuen Lebensmittelpunkts haben, benötigt sie möglicherweise eine Arbeitsbewilligung. Bei Tätigkeit ausschliesslich im Ausland fällt je nach Land keine Sozialversicherungspflicht in der Schweiz an, aber allenfalls im Erwerbsstaat. Mit anderen Worten: Die Pflichten für den Arbeitgeber werden noch umfangreicher und komplexer, als dies bei einer Beschäftigung in der Schweiz der Fall ist.

Auch wenn die Person im Ausland selbständig erwerbstätig ist, bedeutet das nicht automatisch grünes Licht für eine unabhängige Beschäftigung im Schweizer Unternehmen. Auch im Ausland kann ein Auftrags- in ein abhängiges Arbeitsverhältnis umqualifiziert werden, jedoch nach lokalem Recht des Staats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird.

Fazit

Unternehmen, die für ältere Mitarbeitende attraktiv sind, wird in den nächsten Jahren ein gut gefüllter Pool von erfahrenen Fachkräften zur Verfügung stehen. Unter Berücksichtigung der individuellen Ausgangslage gilt es, die beste Lösung zu finden, mit der die weitere Zusammenarbeit – in welcher Form auch immer – für beide Parteien eine Bereicherung darstellt. Vorausdenkende Unternehmen legen schon jetzt ihre Strategie fest, sodass sie im entscheidenden Moment rasch und sicher handeln können.

Take Aways

  • Das Referenzalter (65) legt den Zeitpunkt fest, ab wann eine ungekürzte Altersrente bezogen werden kann. Ein (Teil-)Rentenbezug ist sowohl davor als auch danach möglich.
  • Die Beitragspflicht in der AHV besteht bei Weiterarbeit nach 65 weiterhin. Allerdings besteht ein Freibetrag. Für die Arbeitslosenversicherung besteht keine Versicherungsunterstellung mehr.
  • Um mehr Flexibilität zu erlangen, kann es für die Erwerbstätigen und die Arbeitgebenden verlockend sein, wenn sich erstere selbständig machen. Ob tatsächlich eine Selbständigkeit vorliegt, entscheiden die Ausgleichskassen. Verneinen diese die Selbständigkeit (rückwirkend) kann das schmerzliche Kostenfolgen haben. Auf Nummer sicher ginge man mit der Gründung einer Kapitalgesellschaft. Der Aufwand dafür ist aber nicht zu unterschätzen.

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