Das Zukunftsinstitut steht für pointierte Thesen rund um das Konzept der Megatrends, die der Zukunftsforscher Matthias Horx seit Jahren auf vielen Veranstaltungen präsentiert, in denen es um künftige Entwicklungen und Innovation geht. Sein Sohn, der 28-jährige Tristan Horx, vertrat in diesem Referat eine jüngere Generation von Mitarbeitern des Instituts, und man konnte gespannt sein, ob sich dadurch neue Perspektiven auf das Thema «Zukunft der Arbeitswelt» ergeben würden.
Scheitern an der Technik ist weder altersspezifisch noch abhängig vom Status als Digital Native, als den sich Horx bereits schon einleitend selbstironisch profilierte. Eine kleine, sympathische Pirouette der Selbstdarstellung, der in diesem Vortrag noch einige folgen sollten.
Megatrends, so Horx, bezeichnen keine kurzfristigen Moden oder Hypes, sondern grundlegende Umwälzungen und Veränderungen (siehe Kasten, Seite 4). Die Corona-Erfahrung könnte zwar Wendepunkte markieren, werde aber keine Megatrends auslösen, prognostizierte Horx in seinem Vortrag.
Megatrends seien Revolutionen in Zeitlupe. Sie erfüllten per Definition die Kriterien, sich in langen Zeiträumen zu entwickeln, sich ubiquitär in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen auszuwirken und zudem global zu sein. New Work sei in diesem Sinne auch ein Megatrend, selbst wenn er sich in den Ländern und Kulturen der Welt unterschiedlich entwickle. Corona spiele die Rolle eines Trend-Brandbeschleunigers, so der vielleicht nicht ganz glückliche Vergleich des Referenten; Homeoffice oder auch Blended-Learning hätten durch Corona Fahrt aufgenommen.
Zur Visualisierung der Megatrends kreiert das Zukunftsinstitut regelmässig eine Megatrend-Map, die wie die Münchener U-Bahn-Karte gestaltet ist. Die U-Bahn-Linien symbolisieren dabei die Megatrends, die miteinander vernetzt sind. Dort, wo viele Megatrends an einem Bahnhof zusammentreffen, «geht die Trendenergie ab», führte der Referent aus, was ein wenig an den Bahnhof Bern zur Stosszeit erinnert. Alle drei bis vier Jahre aktualisiere das Zukunftsinstitut diese Karte, erläuterte Horx; dabei würden aber nur die Bahnhöfe verschoben, die Megatrends selbst bleiben lange Zeit unverrückbar. Lediglich die Sicherheit habe sich in den letzten Jahren zu einem neuen Megatrend gemausert, weil diese im Zuge der Digitalisierung immer wichtiger geworden sei. Dies erscheint angesichts der Langwierigkeit von Megatrends doch überraschend, reflektiert die Instrumentalisierung des Themas Sicherheit im politischen Kontext doch seit jeher ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Grundbedürfnis, was sich etwa an etablierten Begriffen wie Sicherheitspolitik ablesen lässt.
Lebensmodelle als Folge der Individualisierung im Wandel
Der Spannungsbogen stieg, als Horx einen der seiner Meinung nach zentralen gesellschaftlichen Trends ankündigte, der den Wandel der Arbeitswelt vorantreibe: das Down-Aging. Bezeichnet werde damit, dass sich pro Generation die Menschen in ihrem Lebensstil um ca. 7.4 Jahre verjüngten. Wie sich diese Angabe berechnen lässt, wie in dieser Feststellung eine Generation definiert wird und mit welchen Methoden dies erforscht worden ist, blieb im Dunkeln (siehe dazu Link am Ende des Texts). Dieses Verjüngungsphänomen beeinflusse die Gesellschaftswahrnehmung und das Verhältnis zur Arbeit, so Horx weiter. Von dort kam der Referent dann auf das «U des Lebens» zu sprechen, das besagt, dass es älteren Menschen nach dem 35. Lebensjahr immer besser geht. Aus diesen Bedingungen leite sich ein neues Verständnis des individuellen Lebensmodells ab, das allerdings heute noch vom Industriezeitalter geprägt sei. Dieses veraltete Modell sehe vor, dass man mit Anfang Zwanzig heirate, vierzig Jahre im selben Job arbeite und dann pensioniert werde. Heute seien Lebensmodelle differenzierter, was in Unternehmen den Eindruck von Illoyalität der Mitarbeitenden hinterlassen könne. In Wirklichkeit würden sich jedoch die Lebensphasen schneller abwechseln. Gleich-zeitig lösten generationsübergreifende Lebensstile das klassische Generationsdenken ab. Bei den verschiedenen Lebensstilen innerhalb der Altersgruppen bestünden heute grössere Unterschiede als zwischen Generationen. Diese Veränderungen geschähen im Zuge des Megatrends Individualisierung.
Vom Trend zum Gegentrend
Jeder Trend entwickle im Laufe der Zeit einen Gegentrend, führte Horx weiter aus, ein Phänomen, das vom Zukunftsinstitut Rekursion genannt wird. Aus dieser Synthese ginge dann ein neuer Megatrend hervor, zu dem wiederum irgendwann ein Gegentrend entstehe. Der Referent belegte diese Idee anhand eines Microtrends, dem Veganismus, zu dem es ja nun eindeutig einen Gegentrend, das bewusste (Bio-)Fleischessen gebe, wie Horx selbst im Imbissmilieu beobachtet habe. Feldforschung beginnt eben vor der Haustür.
Ein Gegentrend zur Individualisierung sei der Kollektivismus, in der Synthese werde dann die «Wir-Kultur» geschaffen. Ein anderer Begriff dafür sei Post-Individualisierung – gemeinsam verschieden sein –, was in der Arbeitswelt Veränderungen herbeiführe. Im industriellen Lebenskonzept sei dies so nicht vorgesehen. Jüngere Generationen seien dagegen individualisiert erzogen worden und suchten heute deshalb nach Gemeinschaft, nach Verbindungen.
Wirkungen der Corona-Pandemie auf Megatrends
Abschliessend fasste Horx die beschleunigende Kraft der Coronakrise für die fünf Megatrends in einigen fokussierten Thesen zusammen.
- Ökologie: Die Klimathematik sei inzwischen ein übergreifendes Thema und werde in die Agenda von Wirtschaft und Politik eingehen.
- Konnektivität: Das postdigitale Zeitalter habe begonnen. Digitalität sei überall angekommen. Gleichzeitig entwickle sich auch ein Gegentrend zur «Humanisierung», der Wunsch nach Verbindung. Digitalität sei deshalb ein Teilbereich der Konnektivität als Megatrend. Konnektivität könne im Unternehmen mit der Unternehmenskultur unterstützt werden.
- Globalisierung: Die Phase der Re-Regionalisierung habe begonnen. Lieferketten würden wieder zurückgeführt auf überschaubare, ökologisch vertretbare Strukturen.
- Sicherheit: Neue Formen der Vertrauenskultur schafften Sicherheit. Vertrauen sei ein Grundprinzip der Führung. Monetäre Aspekte interessierten jüngere Generationen nicht mehr.
- New Work: Die Arbeitskultur wandle sich von der Work-Life-Balance zum Work-Life-Blending, der Überlappung von Lebensbereichen im Homeoffice, oder in der Steigerungsform zur Workation, der Gleichzeitigkeit von Ferien und Arbeit an anderen Orten.
Befragt nach der Auswirkung wechselnder Lebensphasen anstelle eines kontinuierlich mit Arbeit verbundenen Lebensplans mit Blick auf die Rente, stellte Horx die These auf, dass für die Jungen Rente kein Konzept mehr sei. Früher sei diese ein Lebensziel gewesen. Die Vorstellung von Leben und Alter veränderten sich. Eine Präzisierung dieser Aussagen hinsichtlich möglicher zukünftiger Szenarien war vom Referenten leider nicht erhältlich. Fazit: Die aktive Gestaltung des späteren Lebensalters und dessen Finanzierung bleiben offene Fragen. (he)
Der Artikel beruht auf Aufzeichnungen der Keynote von Tristan Horx «Megatrends – Die Arbeitswelt von Morgen» auf der Veranstaltung Zukunft Personal Digital Spring Edition vom 3. Mai 2021.
Studie zum Down-Aging