Herr Hugentobler, das Workday-Projekt nahm 2016 seinen Anfang. Hatten Sie für den Rollout ein systematisches Vorgehen?
Das Unternehmen Workday hat uns die einzelnen Schritte zur Einführung zwar skizziert, aber den Lead hatte danach ein Implementationspartner. Eine Rundumbegleitung bei Veränderungsvorhaben ist zwar sinnvoll, allerdings nicht in allen Projekten notwendig. Heute haben wir es häufig mit Systemlösungen zu tun, die selbsterklärend und intuitiv zu bedienen sind.
Wichtige Veränderungsaspekte treten in erster Linie dann ein, wenn sich Prozesse fundamental verändern und Menschen neue Aufgaben übernehmen müssen. Dann kommt Change Management ins Spiel.
Wenn ich heute zurückblicke, hätten wir einige dieser Veränderungsherausforderungen besser antizipieren und bei manchen Themen mutiger sein können. Beispielsweise waren wir zurückhaltend bei der Frage, in welchem Umfang wir den Mitarbeitenden Self-Services überhaupt zur Verfügung stellen wollen. Nach dem Go-Live konnten wir dann immer besser erkennen, was die Benutzer annehmen.
Heute ist die Akzeptanz der Mitarbeitenden, bestimmte Prozesse eigenverantwortlich zu erledigen, eine ganz andere als noch vor fünf Jahren. Die effektive Traktion wurde erst zwei bis drei Jahre später sicht- und spürbar.
Es stellen sich bei Veränderungen immer die Fragen: Woher kommt man, welche Unternehmenskultur ist gelernt und etabliert?
Ja, diese Erfahrung haben wir auch gemacht. Im HR von Julius Bär verfolgen wir beispielsweise einen Grundsatz, nämlich, dass wir persönlich sein wollen. Auf den ersten Blick erschienen uns Self-Service und Persönlich-Sein als Widerspruch. Mit der Zeit zeigte sich, dass dies nicht der Fall ist. Das war eine Erfahrung, die die Organisation erst machen musste.
Wie sind Sie beim Rollout vorgegangen? Wie priorisieren Sie – nach technischen Aspekten, nach Kostenaspekten oder nach User-Mehrwert?
Heute sprechen alle von agilen Projektmanagement- und Produktentwicklungsmethoden, bei denen der Kunden- bzw. User-Nutzen im Zentrum steht. Mit Standardlösungen lassen sich selbstverständlich nicht alle Kundenbedürfnisse befriedigen, aber dennoch bestehen weitgehende Möglichkeiten, die wichtigsten Anforderungen umzusetzen. Manche Funktionen reizt man stärker aus, andere weniger. Mehrwert kann auch darin bestehen, Komplexität für Benutzer zu reduzieren, beispielsweise durch Zusammenführung zweier Systeme. In diesem Rahmen konnten wir die Prioritäten gut erfüllen.
Wichtig erscheint mir weiter, Funktionen zu priorisieren, die eine hohe Nutzungshäufigkeit haben. Wenn man gleich zu Beginn Funktionen einführt, die in den Arbeitsalltag aller Mitarbeitenden gehören, dann wird es zwar nach dem Go-Live «lauter», aber die Benutzer machen sich mit dem System stärker vertraut und entwickeln im Laufe der Zeit auch eine Akzeptanz. Je höher die Traktion war, umso besser war auch das Feedback der Benutzer.
Wie haben Sie das Projekt gemanagt?
Wir hatten von der Designphase bis zum Rollout für jede Funktion Super-User aus den Fachteams dabei. Die Super-User haben zudem korrespondierende Prozess- und Informationsaspekte reflektiert.
Haben Sie die Prozessanalyse vor Projektbeginn durchgeführt?
Wir hatten zu Projektbeginn eine eher unzureichende Prozessdokumentation, was einer der Gründe war, Workday einzuführen. Wir hatten von dieser Lösung den Eindruck, dass schon viele Bausteine vorhanden waren. In dieser Hinsicht wurden wir bestätigt, denn bei Workday sind bereits eine Vielzahl an vordefinierten Prozessen verfügbar. Diese haben wir nur dann unseren Bedürfnissen angepasst, wenn es dafür gute Gründe gab. Beispielsweise das Ändern des Mitarbeiterfotos: Nach Workday-Standard können dies alle Anwender selbst erledigen. Wir waren diesbezüglich kritisch, weil wir eine bestimmte Bildqualität sicherstellen wollten. Mittlerweile haben wir uns dem Standardprozess angepasst und jeder kann sein Foto selbst ändern. Ein anderer Prozess: Das Kündigen per Mausklick. Diese Funktion passt nicht zu unserer Kultur, so- dass wir diese Funktion deaktiviert haben. So haben wir uns mit Ausnahmen den systemeigenen Prozessen angepasst.
«Für mich war die Erkenntnis am überraschendsten, dass die Transformation erst mit dem Go-Live beginnt.»
Zur Person
Manuel Hugentobler ist Head of HR Services & Transformation bei Julius Bär mit 6500 Mitarbeitenden an Standorten in mehr als 20 Ländern. Zu seinem Portfolio gehören das Shared Service Center, die Payroll-Services, HR-Analytics, die HR-Technologie und HR-Governance.
Welche Empfehlungen würden Sie Digitalisierungsexperten im HR für die Kommunikation in einem solchen Projekt geben?
Aus meiner Sicht haben Live-Beispiele am besten funktioniert. Geschriebene Kommunikation bringt wenig, damit wird man im Büroalltag ohnehin überschwemmt. Wir haben monatliche Check-ins durchgeführt, bei denen wir den Status dargelegt und Funktionen gezeigt haben. In diesen Momenten wurde das System greifbar. Das löste eine gewisse Begeisterung aus, bei einigen allerdings auch Angst. Sichtbarmachen des Neuen ist definitiv meine Empfehlung.
Wie ist Workday in der Bedienung und was bedeutete dies für die Einführung?
Der Einstieg war vor einigen Jahren noch etwas kompliziert. Inzwischen ist die Benutzeroberfläche entschlackt und wird sich auch moderneren Nutzungsgewohnheiten anpassen. Für die HR-Organisation haben wir Trainings durchgeführt. Die Evaluation der Akzeptanz bei den Mit- arbeitenden haben grundsätzlich die HR- Manager durchgeführt. Klassische Surveys haben wir nicht gemacht, ich habe jedoch selbst mit verschiedenen Managern gesprochen und um deren Feedback gebeten.
Was würden Sie heute anders machen?
Im Projektablauf hatten wir Business- Stream und Technologie-Stream voneinan- der getrennt. Wir mussten aber feststellen, dass Technologie- und Business-Verständnis eng miteinander einhergehen, beispiels- weise für die Datenmigration, wo sich starke Abhängigkeiten zur Konfiguration zeigten. Als wir dann Workday Learning – die integrierte Learning-Management-Lösung – einführten, haben wir die beiden Streams zusammengebracht, was zu einem reibungsloseren Verlauf führte. Heute würde ich Workday Absence früher einführen. Jeder braucht das Abwesenheitsmanagement und ist dankbar für eine einfach zu bedienende und integrierte Lösung. Das ist ein positiver Mehrwert, der generell maximiert werden sollte. Für mich war die Erkenntnis am überraschendsten, dass die Transformation erst mit dem Go-Live beginnt. Wir haben tat- sächlich teilweise erst nach zwei Jahren festgestellt, wo das System noch effektiver sein könnte und an welchen Schrauben wir noch drehen mussten. Wir konnten dies bei Einführung noch nicht in vollem Umfang erkennen und haben mit dem System gelernt, wo man zusätzlichen Mehrwert generieren kann. Deshalb muss man für weitere Veränderungen offen bleiben. D ies ist na- türlich auch für die Investitionsplanung wichtig.