Bewerbungsprozesse neu denken

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde und beschäftigt die Unternehmen über praktisch alle Branchen hinweg. Die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie hält weiter an. Die Zuwanderung lässt sich nur beschränkt erhöhen und der Austritt der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt wird seinen Höhepunkt erst noch erreichen (siehe Grafik). Die Zahl der offenen Stellen übersteigt mit über 120000 die offizielle Zahl der Arbeitslosen, welche auf gegen 90000 Personen gesunken ist. Diese Rechnung ist jedoch zu einfach, denn die digitale Welt ändert sich schneller und es entstehen neue Jobs mit neuen Kompetenzprofilen. Das Angebot an wirklich passenden Fachkräften übersteigt die Nachfrage also noch deutlich stärker.

Bei unseren Kunden vorwiegend aus dem KMU-Bereich zeigt sich die klaffende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage besonders dramatisch. Bei den meisten gehört es fast schon zur Normalität, dass 10 % aller Stellen konstant offen sind und gewisse Positionen über ein Jahr lang nicht besetzt werden können. Insbesondere KMU finden über ihre üblichen Kanäle wie Stellenportale oder Lokalzeitungen keine Fachkräfte mehr. Die grossen Firmen können mit eigenen Talent-Acquisition-Teams und hohen Werbebudgets auf sich aufmerksam machen. KMU müssen sich oftmals in Nischen neuartigere Werbung für ihre offenen Stellen ausdenken (etwa Werbung auf Firmenfahrzeugen, in Bergbahngondeln etc). So hat sich in den letzten zwei Jahren auch die Branchenherkunft unserer Kundenanfragen geändert. Zu Beginn bekamen wir vor allem Anfragen aus der Baubranche und der IT. Unterdessen ist unser Kundenstamm vielfältiger geworden: Autogaragen, Immobilien, Versicherungen, Treuhand, Industrie und so weiter.

Die Folgen des Fachkräftemangels werden für die KMU immer akuter und gefährden inzwischen den nachhaltigen Geschäftserfolg. Insofern ist die Besetzung von Vakanzen für unsere Kunden eine Toppriorität geworden und immer mehr Kunden sind bereit, mit uns über neuartige Wege der Rekrutierung zu diskutieren. In einem deutlich ausgeprägten Arbeitnehmermarkt ist es zunehmend wichtiger geworden, den Rekrutierungsprozess den Bedürfnissen der gesuchten Talente anzupassen. Die KMU beschäftigen sich verstärkt mit ihren Benefits, einer attraktiven Arbeitsorganisation, einem ansprechenden Employer Branding sowie nutzerorientierten Online- und Social-Media-Konzepten.

In der heutigen Zeit bucht man die Ferien kurz über das Smartphone, man streamt unterwegs im Zug die neuste Serie, bestellt das Essen am Wochenende mit ein paar Klicks und verbringt viele Stunden pro Tag auf den Social-Media-Kanälen. Konventionelle Bewerbungsprozesse wie vor 20 Jahren wirken dabei besonders auf jüngere Talente geradezu steinzeitlich. Die meisten Leute erleben die klassischen Bewerbungsprozesse generell als nicht besonders anwenderfreundlich. Denn es mangelt zu oft an digitaler Einfachheit und einer spannenden, durchdachten Customer Journey.

Doch was sind nun die Bausteine für einen modernen und erfolgreichen Bewerbungsprozess? Aus unserer Erfahrung haben sich drei Hebel als besonders effektiv erwiesen.

Emotionalisierung – Aus unserem Alltag wissen wir, dass es manchmal tolle KMU gibt, die sich jedoch als Arbeitgeber auf Stellenportalen überaus langweilig und mit Nullachtfünfzehn-PDF-Dateien sehr auswechselbar präsentieren (oftmals übrigens durchaus im Gegensatz zu ihrer Produktwerbung). Die Emotionalisierung über Videos und Bilder sowie eine kurze und treffende Beschreibung der Firma und der offenen Stelle ist zentral. Nur so kann der USP transportiert werden und Talente  begeistern.

Sichtbarkeit – Auf Jobseiten und in Stellenanzeigen werden nur die aktiv Suchenden erreicht. Aus der Masse von Anzeigen herauszustechen ist dort schwierig. Über die passenden Social-Media-Kanäle wie Facebook, Instagram, LinkedIn oder Tik-Tok kann man hingegen zielgenau bei der gewünschten (auch keinen Job suchenden) Fachkräfte-Zielgruppe sichtbar sein. Man erreicht die Leute dort, wo sie die meiste Zeit verbringen. Die Plattformen bieten zudem bessere Möglichkeiten, um in der Masse aufzufallen.

Simplifizierung – Die einfache digitale Zugänglichkeit ist ein entscheidender Faktor in der Rekrutierung geworden. Der Online-Arbeitgeberauftritt wird mit allen anderen Online-Kundenprozessen in unserem Alltag verglichen. Bewerbungshürden zu senken, bedeutet in der Konsequenz, nur die Informationen zu verlangen, die man in einem ersten Schritt wirklich benötigt. Konkret: Nur wenige Skills direkt abfragen, Bewerbungsunterlagen erst später verlangen und auf ein Bewerbungsschreiben verzichten. Konsequent digitale und schnelle Prozesse sind eine Pflicht.

Diese drei Hebel werden bei unserem Konzept mit Erkenntnissen aus dem Marketing und der Psychologie ergänzt. Mit Mitteln wie Gamification (z. B. via Quiz-Tool) und einer hohen Anwenderfreundlichkeit des ganzen Prozesses versuchen wir sicherzustellen, dass eine möglichst hohe Aufmerksamkeit und eine geringe Absprungrate generiert werden. Digitale Tools ermöglichen eine genaue Analyse des Verhaltens und eine entsprechende Optimierung der Erfolgsfaktoren.

Das Konzept in sieben Schritten

1. Die Zusammenarbeit beginnt immer mit einem Workshop. Dabei werden die Bedürfnisse des Arbeitgebers und das Profil der konkreten Job-Vakanzen erörtert.
2. Danach entwirft Jobster eine massgeschneiderte Kampagne, bestehend aus Bild- und Videomaterial für die Social-Media-Kampagne(n) sowie dazu passenden Textbausteinen.
3. Zusätzlich erstellen wir ein Bewerbungs-Quiz (ca. zehn bis zwölf Slides) inklusive Porträt des Unternehmens und Jobprofils sowie drei bis vier Fragen zwecks Vorselektionierung der Kandidaten.
4. Wenn der Kunde alle Dokumente freigegeben hat, kann die Kampagne für drei bis vier Wochen online gehen. Die Kampagne wird mit bezahlten Anzeigen auf den gewählten Social-Media-Kanälen ausgestrahlt und laufend auf die Zielgruppe optimiert.
5. Die Bewerbenden werden telefonisch kontaktiert.
6. Der Arbeitgeber erhält die qualitativ besten Dossiers.
7. Eine Analyse der Kampagne gibt transparent Auskunft über den Erfolg und die Kosten.

Den Bewerbungsprozess auf den Kopf zu stellen, sollte generell nicht nur auf dem Zwang basieren, der sich aus dem ausgetrockneten Arbeitnehmermarkt ergibt. Eine Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Bewerbenden und des ganzen Bewerbungsprozesses kann wie bei einer normalen Customer Journey für die (Arbeitgeber-)Marke sehr erfrischend wirken. Nicht zuletzt können einschlägig bekannte Erfolgskonzepte des digitalen Marketings auch auf den Bewerbungsprozess angewendet werden. Damit lässt sich der eigene Aufwand deutlich reduzieren und gleichzeitig eine neue Dynamik im Unternehmen entfalten. Ein digital attraktiv und einfach gestalteter Bewerbungsprozess kann so zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.