Der Weg in die Wissensorganisation

Freitag, 05. Juli 2024 - Karen Heidl
Die Keynote von Lori Niles-Hofmann anlässlich des LearnTec-Kongresses 2024 zeigte die nächsten Entwicklungsschritte für Learning & Development im Unternehmen auf.

Lori Niles-Hofmann ist ein «Dinosaurier» unter den EdTec-Expertinnen und -Experten. Seit über zwanzig Jahren befasst sie sich mit umfassenden digitalen Learning & Development(L&D)-Transformations-Projekten in Unternehmen verschiedenster Branchen. Doch wenn sie heute mit jungen ­Menschen kommuniziere, finde sie sich mitunter in einer «technologischen Parallelwelt» wieder. Die Welt der IT in Unternehmen sei eben eine grundlegend andere als die digitale Alltagswelt jüngerer Menschen. Da Niles-Hofmann gemäss ihrer Profession ein lernender Mensch ist, zog sie aus dieser Wahrnehmung einen konstruktiven Schluss, den sie in ihrem Vortrag an­lässlich des Learntec-2024-Kongresses als Tipp an das Publikum weitergab. «Wenn man beruflich mit digitalen Transformationen zu tun hat, ist es hilfreich, bei jüngeren Menschen zu beobachten, wie sie welche Applikationen einsetzen.»

Mit digitalen Bildungsangeboten habe sich die Verfügbarkeit von Content massiv gewandelt. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) werde das Lernen durch Personalisierung und Adaption an das individuelle Lernverhalten erneut revolutioniert. Allerdings, so mahnt Niles-Hofmann, könnten Tools nur so schnell eingesetzt werden, wie Menschen in der Lage seien, den Umgang mit ihnen zu erlernen.

B2C-Apps prägen User-Präferenzen

Sie erinnerte daran, dass komplexe Unternehmenslösungen von einfacheren B2C-Angeboten «ausgestochen» werden könnten, wenn sich deren Anwendung als viel unkomplizierter erweise. KI-Tools und natürliche Spracherkennung seien bereits in Alltagsanwendungen integriert. Dies habe für das Lernverhalten entscheidende Konsequenzen: Wie wolle man einem jungen Menschen vermitteln, dass das Erlernen einer Fremdsprache wichtig sei, wenn es bereits eine Reihe von Tools gebe, die gesprochene oder geschriebene Sprache fast in Echtzeit übersetzten? Deshalb lautete ihr zweiter Tipp: «Beschäftige dich mit B2C-Technologie.»

Es sei entscheidend, dass Menschen Grundkompetenzen entwickelten, mit denen sie sich neue Tools aneignen könnten. Um allerdings nachhaltig neues Wissen zu entwickeln, müsse auch heute noch harte Arbeit in Lernen investiert werden, so Niles-Hofmann. Es erfordere noch immer Disziplin und Wiederholung, egal, mit welchen Tools man sich den Alltag erleichtere.

Autonome, intelligente LMS

Ihre Vision sei eine autonome Lernplattform, eine Art immersives Lernmanagementsystem (LMS). Die Referentin verglich diese Vorstellung mit Google Ads, die sich ja in alle Tätigkeiten, die User mit Google-Applikationen ausführen, «einschleichen», um zugeschnitten auf das persönliche Profil und den Arbeitskontext der User werbliche Inhalte zu präsentieren. Derzeit kratze KI erst an der Oberfläche der Möglichkeiten im EdTec-Bereich. KI-Agenten, die Dialoge in natürlicher Sprache beherrschten, würden in Zukunft Menschen während der Arbeit als Tutoren und Coaches begleiten.

Um Lernaktivität und -effektivität im Unternehmen auszuwerten, seien intelligente Tools ebenfalls hilfreich, wobei Niles-Hofmann hier sowohl den Schutz sensibler persönlicher Daten als auch jene von kritischen Unternehmensinformationen anmahnte. Um eine solche Anwendung zu demonstrieren, beschrieb sie den Einsatz eines Tools von perplexity.ai. Sie «fütterte» dieses Tool mit einer CSV-Datei, die eine Tabelle mit verschiedenen Datensätzen aus dem LMS enthält, und fragte das Tool, welche Analysen man dazu vornehmen könne, um sich Anregungen zu holen. Alternativ gab sie direkt Fragestellungen als Prompts ein. Eine solche Lösung erweist sich offensichtlich als komfortabler als jede Excel-Pivot-Tabelle oder andere Lösungen aus proprietären Systemen.

Learntec 2024: Künstliche Intelligenz pusht Lerntechnologien

Seit 1991 wird Karlsruhe jährlich zu Europas «Place to be» für Professionals, die mit Lerntechnologien zu tun haben. 419 Ausstellende aus 19 Ländern trafen im Juni bei der dreitägigen Messe und dem angeschlossenen Kongress auf rund 14000 Besucherinnen und Besucher aus 43 Ländern.

Die Veranstaltung schafft mit ihren vielen Firmen- und Expertenvorträgen eine hohe Informationsdichte in den Bereichen Corporate Learning und Lerntechnologien für Bildungsinstitutionen.

Dieses Event-Special beleuchtet die Themen Wirksamkeit im Corporate Learning, Präventionsschulungen und die Zukunft von Learning & Development (L&D) in Unternehmen.

Die Wissensorganisation

Auf dem Weg zur «Wissensorganisation» (Skill Based Organisation) werden sich in Zukunft Wissensmanagement und L&D überschneiden. Niles-Hofmann erklärte ihre Vision mit einer Analogie eines Eisenbahnnetzes: Die KI seien die Schienen, die Skills die Stationen, und das Lernen sei der Zug. Transformationen zur Skill Based Organisation seien, so ihre Prognose, nicht mehr nur Initiativen der L&D- oder HR-Abteilung, sondern würden die Art und Weise, wie Arbeit strukturiert sei, fundamental verändern, dies betreffe:

  • die Erfassung von Wissen und Fähigkeiten in der Organisation und das Beheben von Defiziten
  • die interne Mobilität und die Retention
  • die Reduktion von Rollen zugunsten von Aufgaben

Im Ökosystem der Wissensorganisation werde L&D infolgedessen nicht mehr als eigene Einheit auftreten, sondern in enger Kooperation mit HR- und Talent-Development-Verantwortlichen agieren. Talent-Marktplätze und Technologie für das Skill-Assessment würden sich mit Lernsystemen verbinden. So Niles-Hofmanns Ausblick auf die Zukunft des Lernens im Unternehmen.

Die Referentin schloss mit einem Rat für Transformationsmanager und -managerinnen: «Hinterfragen Sie, ob Sie einer Nostalgie nachhängen möchten oder ob sich Ihnen neue Möglichkeiten bieten. Beurteilen Sie alles neu, und entwickeln Sie neue Perspektiven!»

Fazit

Das Referat bot eine erfrischende Perspektive auf die Chancen, die Künstliche Intelligenz im Corporate Learning bieten wird. Das Entwicklungsfeld ist komplex und gross – eine frohe Botschaft für Anbieter von Softwarelösungen. Für Unternehmen ist diese Ausgangslage jedoch eine Herausforderung: Welche Investitionsstrategie ist zu implementieren, welche technologischen Entscheidungen sind zu ­fällen? Die LearnTec hat sich als Messe und Kongress in ­dieser Situation einmal mehr hervorragend als Informations- und Austauschplattform positioniert.

Take Aways

  • Lori Niles-Hofmann empfiehlt, das Nutzungsverhalten junger Menschen zu beobachten, um digitale Transformationen besser zu gestalten.
  • Einfluss von B2C-Apps: Komplexe Unternehmenslösungen müssen mit unkomplizierten B2C-Technologien konkurrieren, die das Lernverhalten beeinflussen.
  • Wert harter Arbeit: Trotz neuen Tools bleiben Disziplin und Wiederholung wichtig für nachhaltiges Lernen.
  • Niles-Hofmann sieht zukünftige Lernplattformen als autonome, KI-gestützte Systeme mit natürlicher Sprachverarbeitung, die personalisierte Unterstützung bieten.
  • Die Entwicklung zur Wissensorganisation wird die Zusammenarbeit zwischen L&D, HR und Talent Development intensivieren, unterstützt durch Skill-Assessment-Technologien.

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