Nachdem die HR Tech Nights wegen Corona eingeschlafen waren, wurde die legendäre HR-Eventreihe anfangs Februar in den Memox-Meetingräumen an der Züricher Europaallee vom eingespielten Gründerteam mit Tobias Mengis, Lena Schwerzmann und Cornel Müller in Medienpartnerschaft mit Penso nach bewährtem Rezept wiederbelebt: Prägnante 10-minütige Input-Referate, gefolgt von einem Podiumsgespräch sorgten bei einem ausgiebigen Apéro bis spät in die Nacht für angeregte Diskussionen.
KI in der HR-Praxis
Zum Auftakt beleuchtete Berit Gerritzen, KI-Strategie-Verantwortliche bei Deloitte, die transformative Rolle Künstlicher Intelligenz im Personalwesen anhand konkreter Anwendungsfälle. Dabei zeigte sie auf, wie KI im HR einen quantifizierbaren Mehrwert schaffen kann: Von der automatisierten Generierung von Rollenbeschrieben und Stellenanzeigen, über das Matching von Jobanforderungen mit den Kompetenzen potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten, bis hin zur massgeschneiderten Personalisierung von Schulungsinhalten. In diesen Praxisanwendungen sind laut Gerritzen bereits heute Kosteneinsparungen von bis zu 30% zu beobachten. Mit dem Einsatz von KI-basierten Chatbots in der Kommunikation zwischen HR-Administration und Mitarbeitenden seien Produktivitätsgewinne von 25% möglich. Wobei als Nebeneffekt auch Compliance-relevante Fehler vermieden werden können. Das entlaste HR nicht nur von Routinearbeiten, sondern schaffe auch mehr zeitliche Ressourcen für strategische Aufgaben.
Schlüssel zur Transformation der Arbeitskultur
Chris Beyeler, Gründer des KI-Verbands «KImpact» sowie der Beyonder GmbH, nutzte sein Input-Referat für ein flammendes Plädoyer, die Ängste gegenüber KI abzubauen und den Blick stärker auf die Chancen zu richten. So habe sich infolge technologischer Innovationen in den letzten 100 Jahren die durchschnittliche Arbeitszeit halbiert – ohne dass deswegen die Arbeit ausgegangen wäre. Für HR eröffne sich heute die Chance, proaktiv die Verantwortung für einen sinnvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu übernehmen und diese als «Schlüssel zur Transformation der Arbeitskultur» zu verstehen, um die Arbeitswelt nachhaltig menschlicher, effizienter und sinnstiftender zu gestalten.
Vom HR-Daten-Dschungel zum HR-Daten-Schatz
Marco Meister, Gründer und CEO des Schweizer Start-up-Unternehmens Atwork ermunterte das Publikum in seinem Input-Referat, den «HR-Daten-Dschungel» als «Daten-Schatz» zu begreifen. Mithilfe von KI liessen sich durch die Analyse von Mitarbeiterfeedbacks in Kombination mit HR-Daten und etablierten HR-Modellen qualifizierte Handlungsempfehlungen für gezielte HR-Massnahmen ableiten, die quantifizierbar zu einer Optimierung der Unternehmensleistung führen. Mit diesem Anwendungskonzept liefere KI belastbare Argumente, die den Einfluss von HR als strategische Rolle in Zukunft deutlich stärken werde.
Reduktion von Fehleinstellungen
Florian Feltes, Professor für Digital HR und Leadership an der XU Exponential University in Potsdam sowie Mitgründer des Start-ups Zortify zeigte in seinem Input-Referat auf, wie im Recruiting der Einsatz von KI-gestützter Textanalytik bei Persönlichkeitstests Fehleinstellungen reduzieren kann. Aktuell komme es in 25 bis 35% neuer Arbeitsverhältnisse zu kostentreibenden Fehleinstellungen, die im Durchschnitt mit 1.5 bis 3 Jahresgehältern zu Buche schlagen. Durch den Einsatz KI-basierter Methoden der Sprachverarbeitung, dem sogenannten «Natural Language Processing» in Persönlichkeitstests werde es möglich, das Profil von Bewerbenden objektiver zu erfassen, weil kognitive Verzerrungseffekte wie die «soziale Erwünschtheit» wegfallen.
Kontroverse Diskussionen
Bei allem hochgelobten Potenzial von KI wurde in den anschliessenden Gesprächen auch deutlich, dass unter den HR-Professionals die Befürchtung existiert, dass Unternehmensleitungen den Einsatz von KI im HR nur als rentabilitätssteigernde Effizienzmassnahme betrachten könnten, die am Ende HR-Stellen bedrohen, womit die prophezeite Stärkung der HR-Rolle gar nicht zum Tragen kommt. Eine der grössten Herausforderungen scheint deshalb für HR darin bestehen, im aktuellen Spannungsfeld zwischen technologiegetriebener Euphorie und berechtigten Ängsten eine gewisse Gelassenheit zu bewahren, gleichzeitig aber auch das Momentum nicht zu verpassen, die Potenziale der KI nach Abwägung der Chancen und Risiken proaktiv und selbstbewusst zu nutzen. Insofern herrschte weitgehend ein Konsens vor, dass die Kunst darin bestehen dürfte, KI-Instrumente bewusst und adäquat als Teil einer umfassenden HR-Strategie zu implementieren, um auf allen Ebenen den Ressourcenhaushalt so zu optimieren, dass KI am Ende tatsächlich im Sinne der grossen Versprechungen zur Verbesserung der Arbeitswelt beizutragen vermag.
Zur HR Tech Night
Die rasante Entwicklung digitaler Technologien transformiert die Arbeitswelt fundamental. Die Digitalisierung fungiert als Treiber für Innovationen im HR und konfrontiert das Personalwesen mit neuen Herausforderungen, eröffnet aber auch grosse Chancen. In einer exklusiven Medienpartnerschaft mit Penso lädt die «HR Tech Night» Technologie-Innovatoren und Vordenkerinnen ein, ihr Wissen mit der HR-Community zu teilen. Weitere Informationen