Woher stammt Ihre Kernidee?
Während meines Studiums an der Yale University beschäftigte mich die Frage, wie eine positive Arbeitsumgebung die wirtschaftliche Performance eines Unternehmens beeinflusst. In meiner Abschlussarbeit zeigte ich auf, dass Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden eine positive Unternehmenskultur mit beruflichen Weiterentwicklungsperspektiven bieten, wirtschaftlich erfolgreicher sind als jene, die das nicht tun. Darauf basierend gründeten wir Inspire 925, womit wir ursprünglich primär ein HR-Publikum ansprechen wollten.
Warum haben Sie sich vom HR-Zielpublikum entfernt?
Unsere ersten Projekte, bei denen es um die Vernetzung von Mitarbeitenden ging, zeigten, dass das Thema Unternehmenskultur und Mitarbeiterengagement am Markt zwar durchaus eine hohe Relevanz hat. Aber – und das war der springende Punkt – sehr oft in Kombination mit der digitalen Transformation. Damit veränderten sich unsere Kontakte eher hin zur Geschäftsführung und den Innovationsverantwortlichen. Mit «digitalswitzerland» hatten wir im Jahr 2015 ein Gesamtprojektleitungs- und Geschäftsführungsmandat gewonnen. Das war ein grosser Meilenstein. Wir bauten zunächst die Geschäftsstelle des Zürcher Projekts «DigitalZurich2025» auf, setzten alle Projekte dieser ersten Phase erfolgreich um und führten die regionale Standortinitiative in die nationale Initiative «digitalswitzerland» über. Getragen wurde diese Initiative von einem starken schweizweiten Verbund von zahlreichen Unternehmen, Hochschulen, Stiftungen und politischen Akteuren. Rückblickend hat dies sicher unser Beziehungsnetzwerk, unsere Visibilität und Kredibilität gestärkt.
Was folgte aus dem Mandat bei «digitalswitzerland»?
Während meiner Zeit als Geschäftsführerin von «DigitalZurich2025» initiierte ich gemeinsam mit dem Institute for Digital Business der HWZ die Entwicklung der Suchplattform «Education Digital». Ziel dieses Projekts war es, Weiterbildungsangebote im Bereich Digitalisierung zentral zu bündeln. Auch wenn diese Plattform heute nicht mehr existiert, legte die Zusammenarbeit mit Manuel Nappo, dem damaligen Direktor des Instituts, den Grundstein für die spätere, gemeinsame Entwicklung des Executive MBA-Studiengangs «Digital Leadership». Manuel und ich erkannten damals, dass es in Europa an umfassenden Aus- und Weiterbildungsprogrammen für Führungskräfte im Bereich der digitalen Transformation mangelte. Trotz des stetig wachsenden Bedarfs nach entsprechenden Skills. General-Management-EMBAs streifen dieses Thema meist nur oberflächlich und vermitteln kaum, wie digitale Transformation Prozesse, Kundenerlebnisse und auch Geschäftsmodelle grundlegend verändert. Auch fehlt es oft an praxisnahen Ansätzen, die Leader helfen, die Chancen und Herausforderungen dieser Transformation wertschöpfend zu navigieren.
Welchen Schluss zogen Sie aus dieser Marktanalyse?
Die Antwort ist der Executive MBA in Digital Leadership – ein schweizweit einzigartiges, 16-monatiges Programm, das Führungskräfte gezielt auf die Anforderungen der Zukunft vorbereitet. Mit praxisnahen Lernmethoden, innovativen Formaten und einer intensiven Verknüpfung von Theorie und Praxis unterstützt dieser Studiengang bis zu 24 Führungskräfte auf ihrem Karriereweg. Renommierte Expertinnen und Experten wie der KI-Spezialist und Serienunternehmer Pascal Kaufmann, SRF-Moderatorin und Public-Speaking-Coach Kiki Maeder, Startup-Profi Oliver Durrer sowie die Executive Coaches Claude Siegenthaler und Daniela Landherr begleiten die Teilnehmenden und fördern ihre Entwicklung in Bereichen wie Innovation, Führungskultur und persönlichem Wachstum. Die hohe Nachfrage nach unserem Programm unterstreicht die Relevanz und Attraktivität dieser umfassenden Weiterbildung.
Welche Inhalte stehen bei Ihrem Programm im Mittelpunkt?
Beim EMBA Digital Leadership stehen vitale Fragen im Zentrum: Wie verändert sich die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschinen in Zeiten von Generative AI? Wie kann ich innovative Produkte einführen, Prozesse digitalisieren und mittels neuer Technologien mein Business effizienter und effektiver gestalten? Was bedeutet das für die Organisation? Wie gelingt es, eine starke, veränderungsbereite Unternehmenskultur zu etablieren? Wie gehe ich mit neuen Kundenerwartungen um und welche digitale Customer Experience biete ich an? Zahlreiche Führungskräfte in KMU wie auch in Grossunternehmen arbeiten an diesen Themen, finden aber keine ganzheitliche, berufsbegleitende und zeitlich kompatible Weiterbildung.
Verabschieden Sie sich mit dem Engagement bei der HWZ vom Beratungsbusiness?
Nein, ganz im Gegenteil. Mein Ziel ist es, weiterhin über drei zentrale Hebel in der Schweizer Wirtschaft Wirkung zu entfalten: als Beraterin bei Inspire 925, als Verwaltungsrätin in Schweizer Unternehmen und als Instituts- und Studiengangsleiterin an der HWZ. Diese Rollen ergänzen und stärken sich gegenseitig. Die Erfahrungen, die ich in der Beratung mache, fliessen in meine Arbeit an der HWZ ein, während die strategischen Einblicke aus meinen Verwaltungsratsmandaten meinen Blick als Beraterin erweitern. Gerade diese Kombination erlaubt es mir, noch effektiver zu sein und echten Mehrwert zu schaffen.
Sie haben 28-jährig Ihr erstes Verwaltungsratsmandat angetreten. Inzwischen sind drei weitere VR-Mandate für namhafte Firmen dazugekommen. Was reizt Sie an dieser Arbeit?
Das erste Mandat ergab sich 2017 und war ungeplant. Eine Headhunterin fragte mich an, ob sie mich für eine VR-Vakanz bei dem Gebäudetechnikunternehmen HHM auf ihre Longlist setzen dürfe. Sie suchten jemanden ausserhalb der Branche, gut vernetzt im digitalen Ökosystem, näher am Alter der Mitarbeitenden und mit Fokus auf Innovation, Unternehmertum und Weiterbildung. Mein Profil wurde gewählt – aus einer Longlist von 50 Profilen, was sich als eine grossartige Chance für mich entpuppt hat. VR-Mandate sind für mich besonders spannend, weil sie die Möglichkeit bieten, auf strategischer Ebene die Ausrichtung eines Unternehmens massgeblich mitzugestalten. In dieser Position kann ich nicht nur die Strategie und die Organisationskultur, sondern auch Innovationsprojekte aktiv vorantreiben. Wenn ein VR-Mitglied als Sponsor auftritt und sich einbringt, entwickelt ein Projekt oft mehr Dynamik. Zudem bieten mir diese Mandate eine weitere Möglichkeit, digitale Transformation und eine starke Führungskultur auf nachhaltige Weise direkt zu fördern.
Frauen sind in Schweizer Verwaltungsräten immer noch massiv untervertreten. Welche Bedeutung hat für Sie das Thema Diversität?
Vielfalt in Verwaltungsräten ist essenziell. Diversität, sei es in Bezug auf Geschlecht, aber auch Alter, Herkunft oder beruflichem Hintergrund, bereichert die Diskussionen und stärkt die Perspektivenvielfalt. Wir stehen vor komplexen Herausforderungen in der Wirtschaft und es braucht unterschiedliche Perspektiven, um nachhaltig und zukunftsorientiert handeln zu können. Trotzdem sollte Diversität nie das alleinige Auswahlkriterium sein. Wichtig ist, dass diejenigen, die in Verwaltungsratsmandate berufen werden, eine hohe Kompetenz, Motivation und Bereitschaft mitbringen, Verantwortung zu übernehmen und die Extrameile zu gehen.
Waren Sie schon mit der Kritik konfrontiert, nur eine Quotenfrau zu sein?
Es ist schon bemerkenswert, dass Frauen häufig mit solchen Aussagen konfrontiert werden. Bei Männern käme kaum jemand auf die Idee, sie als «Quotenmänner» infrage zu stellen. Ich bin seit bald acht Jahren in diesen Gremien und würde diese Zeit nicht investieren, wenn ich das Gefühl hätte, lediglich eine Quotenfrau zu sein.
Wie stehen Sie zur Frauenquote?
(zögert) Schwierig. Als 25-Jährige war ich dagegen, mittlerweile habe ich meine Meinung jedoch geändert. Heute bin ich für eine temporäre Quote. In Ländern wie Norwegen, wo diese eingeführt wurde, zeigt sich, dass ein gezieltes Anstossen der Diversität Erfolg haben kann. Ich denke daher, dass auch wir in der Schweiz mutig genug sein sollten, solche Massnahmen eingehend zu prüfen, insbesondere wenn die Geschwindigkeit des Fortschritts weiterhin so zögerlich ist.
Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?
Vieles geht einfach zu langsam voran. Die Welt entwickelt sich rasant – sei es technologisch, geopolitisch oder in Bezug auf die Klimaherausforderungen. In diesem dynamischen Umfeld sind verschiedene Perspektiven wichtiger denn je, um zukunftsorientierte und nachhaltige Entscheidungen treffen zu können. Gleichzeitig zeigen Statistiken, wie zum Beispiel der jährliche Schilling Report, dass es in der Schweizer Wirtschaft beim Thema Diversität kaum signifikante Fortschritte gibt. Wenn wir auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir uns fragen, ob wir uns dieses langsame Tempo wirklich leisten können. Eine zeitlich begrenzte Quote könnte helfen, den notwendigen Wandel schneller und gezielter voranzutreiben.
Zurück zur digitalen Transformation: Was raten Sie in diesem Kontext eigentlich HR-Verantwortlichen?
HR-Verantwortliche spielen eine zentrale Rolle in der digitalen Transformation, da sie den kulturellen Wandel aktiv mitgestalten und die richtigen Talente anziehen und entwickeln können. Mein erster Rat ist, die digitale Transformation weniger als rein technisches Projekt und mehr als kulturellen Wandel zu verstehen. Der Aufbau einer agilen und veränderungsbereiten Unternehmenskultur ist entscheidend, um die Potenziale der Digitalisierung voll auszuschöpfen. Dazu sollte der HR-Bereich eng mit der internen Kommunikation zusammenarbeiten. In Europa wird die Digitalisierung oft als «Tsunami» oder «Hurricane» beschrieben – Bilder, die bei Mitarbeitenden sofort Abwehrreaktionen hervorrufen. Dabei ist es entscheidend, ein inspirierendes Narrativ zu entwickeln und Führungskräfte als positive Vorbilder sowie Multiplikatoren einzubeziehen. Zweitens sollten HR-Verantwortliche kontinuierlich digitale Kompetenzen fördern. Das bedeutet, den Mitarbeitenden laufende Weiterbildungsmöglichkeiten zu bieten, sei es in neuen Technologien, Datenanalyse oder digitalen Kollaborationstools. Digitale Kompetenz ist kein einmaliges Ziel, sondern ein fortwährender Prozess, bei dem HR als Brückenbauer fungieren kann. Schliesslich empfehle ich, die Employee Experience genauso ernst zu nehmen wie die Customer Experience. Die neue Generation an Talenten erwartet eine moderne, digitale Arbeitskultur. Wenn HR diese Erwartungen erfüllt, stärkt das nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch die langfristige Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber.
Wie könnte ein solches Narrativ aussehen?
Es sollte nicht wie eine bedrohliche Monsterwelle wirken, sondern vielmehr wie ein einladender Traumstrand, der zum Surfen motiviert. Zum Surfen braucht es Training, Kraft und Energie. Mit ein wenig Einsatz findet man schnell in die richtige Position, um die Wellen zu meistern – und dann wird es einfach ein grossartiges Gefühl. HR-Verantwortliche sollten gemeinsam mit der internen Kommunikation die digitale Transformation «reframen», in Zusammenarbeit mit den Führungskräften kommunikativ einen «Nordstern» entwickeln und diese dazu ermutigen, offen zu zeigen, wie sie selbst den Umgang mit neuen Technologien erlernen. So schaffen sie in ihrer Organisation Vertrauen für Veränderungen.