Learning & Development im Dienst der Unternehmensstrategie

Mittwoch, 03. Juli 2024 - Karen Heidl
Moderne Lerntechnologien schaffen viele Möglichkeiten. Doch am Ende des Tages geht es vor allem um eine Frage: Bringen die Lernangebote dem Unternehmen nachhaltige und wirksame Effekte?

Erfolgreiches Lernen ist von vielen Faktoren abhängig: von der Motivation der Lernenden, von der Anwendbarkeit im Alltag, von der Verständnisfähigkeit der Lernenden, von der Aufbereitung der Inhalte und von ihrer medialen Umsetzung. Diese und viele weitere Faktoren sind im «Lernkultur-Framework» von Learnhacks.de (siehe Abbildung) anschaulich zusammengefasst. Jan Foelsing (E-Learning-Berater und Buchautor) mahnte an, dass die gewählten Technologien und Methoden zur Organisation passen müssten. Sonst werde Peer-Learning nicht funktionieren. Namentlich in Unternehmen, die sich in Silos organisieren, sowie in Organisationen, wo selbstbestimmtes Lernen keine Option ist, weil deren Kultur wenig Spielraum für eigene Entscheidungen lasse.

Sein Vortrag widmete sich wie einige weitere an der ­LearnTec 2024 dem Thema der Wirksamkeit von Learning-Aktivitäten – meist, um dann elaborierte Funktionen wie KI-gestützte Chatbots als Lernbegleiter zu präsentieren oder Personalisierungsfunktionen als den Lerneffekt steigernde Lösungen darzustellen. Hier zeigen sich aktuell spannende neue Entwicklungen, die ihre Wirksamkeit und Akzeptanz bei Lernenden allerdings noch unter Beweis stellen müssen.

Lernzeit als Messgrösse für Wirksamkeit?

Jessica Schlauer, zuständig für die Abteilung Learning & Development (L&D) bei dem international agierenden Unternehmen Techem Energy Services, ging einer eher traditionell anmutenden Frage nach, nämlich inwieweit die benötigte Lernzeit ein Indikator für den Lernerfolg sein könne und wie man Lernerfolg eigentlich messen solle. Die Lernzeit ist in vielen Learning-Management-Systemen (LMS) ein gängiger Key-Performance-Indicator (KPI), nicht zuletzt auch deshalb, weil sie in verschiedenen Audits eine Kenngrösse darstellt. Wenn beispielsweise im Rahmen einer Zertifizierung Indikatoren gesucht werden, inwieweit ein Unternehmen Mitarbeitende fördert und eine Innovations­kultur unterstützt wird, dann orientieren sich Auditoren unter anderem an dieser Kennzahl. Was aber sagt sie aus?

Publikum und Referenten waren sich darin einig, dass die Lernzeit als Indikator für Lernerfolg nicht besonders aussagekräftig ist und auch keine Orientierung gibt hinsichtlich Wirkung im Sinne des Unternehmensergebnisses. Dies zeigt auch der LinkedIn Learning-Report von 2023. Er weist die zwölf am häufigsten in Unternehmen genutzten Metriken weltweit aus; die Lernzeit rangiert auf Platz 10:

  1. Zufriedenheit der Lernenden, die in Fragebögen ermittelt wird
  2. Informelles und qualitatives Feedback der Lernenden
  3. Anzahl der Mitarbeitenden, die Kurse oder Trainings belegen
  4. Leistungsergebnisse, die durch Prüfungen oder Tests erhoben werden
  5. Anzahl der Kurse, die Mitarbeitende abgeschlossen haben
  6. Verbesserte Performance-Reviews
  7. Team- oder Unternehmens-Business-Metriken
  8. Verbesserte Produktivität der Mitarbeitenden
  9. Verbesserte Mitarbeitenden-Retention
  10. Anzahl der Stunden, die für Weiterbildung eingesetzt werden
  11. Fortschritte auf dem Weg, Kompetenzlücken der Mitarbeitenden zu schliessen
  12. Anzahl neuer Kenntnisse und Fertigkeiten, über die die Mitarbeitenden verfügen

Schlauer schätzte, dass diese traditionellen Metriken in Zukunft immer weniger Aussagekraft haben dürften, denn die Welt des Corporate Learning ändere sich rasant. Sie fasste die wichtigsten Trends wie folgt zusammen:

  • Lernen muss permanent während der Arbeitszeit stattfinden.
  • Der Trend zum personalisierten und informellen Lernen wächst.
  • Soziales Lernen wird immer wichtiger.
  • Generische Zukunftskompetenzen gewinnen immer mehr an Bedeutung.
  • Immersive und KI-gestützte Lernumgebungen bieten neuartige Lernerfahrungen.
  • Lernen wird sich in Zukunft mehr auf Daten abstützen.

Eine starke Lernkultur, so schloss sie, sei in Zukunft das wichtigste Fundament für eine wirksame L&D-Strategie. Um einen wahrnehmbaren Lernerfolg zu erzielen, müsse der Lernende allerdings in die Lage versetzt werden, das Gelernte in die Praxis zu transferieren. Diese Transferansätze seien stärker in die Lernerfahrung zu integrieren.

Learntec 2024: Künstliche Intelligenz pusht Lerntechnologien

Seit 1991 wird Karlsruhe jährlich zu Europas «Place to be» für Professionals, die mit Lerntechnologien zu tun haben. 419 Ausstellende aus 19 Ländern trafen im Juni bei der dreitägigen Messe und dem angeschlossenen Kongress auf rund 14000 Besucherinnen und Besucher aus 43 Ländern.

Die Veranstaltung schafft mit ihren vielen Firmen- und Expertenvorträgen eine hohe Informationsdichte in den Bereichen Corporate Learning und Lerntechnologien für Bildungsinstitutionen.

Dieses Event-Special beleuchtet die Themen Wirksamkeit im Corporate Learning, Präventionsschulungen und die Zukunft von Learning & Development (L&D) in Unternehmen.

Um diesen Transfer und die eigene Lernkompetenz zu fördern, richtet sich die L&D-Strategie bei Techem vor allem auf die Entwicklung von Metakompetenzen. Dazu stellte Schlauer Reflexionsfragen (nach Graf 2020) vor:

  • Kennst du deine Lernprioritäten und Lernziele?
  • Bist du dir darüber im Klaren, wie Lernen am besten
    für dich funktioniert?
  • Kennst du die wichtigsten Skills, die du für die Zukunft brauchst?
  • In welchem Kompetenzbereich hast du dich im letzten halben Jahr am stärksten verbessert?
  • Fühlst du dich beim Lernen unterstützt
    (z.B. durch die Führungskraft)?


Mithilfe einer sogenannten Learning Impact Map (siehe Beispiel in der Abbildung «Learning Impact Map») werden in einem weiteren Schritt Metriken entwickelt, mit denen der eigene Lernerfolg beurteilt werden soll. Leitfragen thematisieren Lerninhalte, Leistungsindikatoren, erwartete Resultate und führen schliesslich zu einer Einschätzung, wie diese Resultate auf das Unternehmensergebnis einzahlen werden. Im Prinzip werden Lernende mit diesem Vorgehen angehalten, selbst über die strategische ­Relevanz ihrer Lernvorhaben und -effekte zu reflektieren.

Kritisches Fazit

L&D-Metriken sind in bestimmten Zusammenhängen unabdingbar, beispielsweise wenn es um Zertifizierungen von Unternehmen geht. Auch ein kritisches Hinterfragen eines Wirksamkeitsnachweises für die Investitionen in Weiterbildung ist legitim. Die von Jessica Schlauer vorgestellten Reflexionsfragen sind hilfreich, um Mitarbeitende aus einer durchaus anzutreffenden passiv konsumierenden Haltung in eine proaktiv gestaltende, selbstverantwortliche Haltung zu stupsen. Ob allerdings eine regelmässige Übung anhand einer Scorecard die nötige Liebe und Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden findet, kann man anzweifeln – dass ein solch detailfreudiges Vorgehen effizient ist, ebenfalls. Wer inspiriert und mit frischem Tatendrang aus einer Weiterbildung kommt, bringt alle Voraussetzungen mit, mit den neuen Erkenntnissen Wirksamkeit im Job zu entfalten. Dies dürfte auch erklären, warum die Zufriedenheit der Lernenden als Metrik im LinkedIn Learning Report auf den obersten beiden Plätzen rangiert. Wenn sich Analytics in dieser Form aufplustern, sollte man sich über die Qualität von Führungskompetenzen Gedanken machen.

Take Aways

  • Technologien und Methoden des Lernens sollten auf die spezifischen kulturellen und organisatorischen Bedingungen in einem ­Unternehmen abgestimmt sein.
  • Erfolgreiches Lernen hängt von vielen Faktoren ab, u.a. der Motivation der Lernenden, der Anwendbarkeit im Alltag, der Verständnis­fähigkeit der Lernenden und der medialen Umsetzung der Inhalte. Diese Faktoren sind im Lernkultur-Framework von Learnhacks.de zusammengefasst.
  • Moderne Lerntechnologien wie KI-gestützte Chatbots und personalisierte Lernlösungen bieten spannende neue Möglichkeiten. Ihre Wirksamkeit und ihre Akzeptanz müssen jedoch noch bewiesen werden.
  • Reflexionsfragen, die Lerninhalte, erwartete Effekte, Metriken und Effekte für die Unter­nehmensstrategie reflektieren, können helfen, Lernerfolg messbar zu machen.

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