Lohnmeldewesen: Cloud spart Zeit, Geld und Nerven

Freitag, 08. September 2023 - Martin Markovsky, Nadine Albiez
In der Lohnbuchhaltung führen veraltete IT-Fachsysteme mit Papierformularen zu ineffizienten Abläufen und Doppelspurigkeiten mit erhöhter Fehleranfälligkeit. Eine Lösung bieten cloudbasierte Technologien. Der Schweizerische Baumeisterverband hat jüngst den Umstieg vollzogen. Der Umsetzungspartner, Arctive AG, gibt exemplarisch einen Einblick.

Jeder Betrieb muss der Ausgleichskasse (AK) oder der Pensionskasse (PK) eine Lohnmeldung abgeben, aufgrund derer die Beiträge erhoben und in Rechnung gestellt werden. Die zu erledigenden Aufgaben im Rahmen der Beitragserhebung sind bei AK und PK im Kern identisch.

Veraltete IT-Fachsysteme und ihre Hürden

Die massgebliche Herausforderung von IT-Fachsystemen liegt in ihrem intensiven Wartungsaufwand, der Bindung wertvoller Ressourcen sowie den hohen Kosten. Aufgrund ihrer starren Strukturen bergen veraltete Systemumgebungen die Gefahr, neue Anforderungen nur mit einem erhöhten administrativen Aufwand bewältigen zu können, was oft auch zusätzliche personelle IT-Ressourcen bindet. Darüber hinaus stossen veraltete Systeme oft an ihre Grenzen, weil sie punkto Digitalisierung von Formularen und Lohnmeldungen sehr eingeschränkt sind. Dokumente in Papierform führen nicht nur zu Doppelspurigkeiten und administrativem Mehraufwand, auch die Fehleranfälligkeit ist als kritisch einzustufen. In vielen Unternehmensstrategien hat die Verankerung von cloudbasierten Technologien eine hohe Priorität. Insofern beschäftigen sich aktuell viele Firmen mit dem Ersatz ­veralteter IT-Fachsysteme. Branchenspezifische Standard­lösungen für den Sektor AHV und Pensionskasse sind auf dem Markt verfügbar.

Im Fall von Consimo (siehe Kasten «Wie der Baumeisterverband für 9000 Firmen das Lohnmeldewesen neu digital organisiert») konnte das veraltete IT-Fachsystem auf Basis AS/400 durch Standardlösungen wie AKIS im AHV-Bereich und Softech im PK-Bereich abgelöst werden. Doch eine Lösung, die die Individualität und die notwendige Flexibilität für das Durchführen des Beitragsinkassos bei den übertragenen Aufgaben mit einem digitalen Kundenportal sicherstellt, existierte bis dato nicht. Daher suchte Consimo nach einer flexiblen und adaptiven IT-Lösung, die die speziellen Anforderungen des Bauhauptgewerbes berücksichtigt. Das Leistungsangebot für den paritätischen Fonds des schweizerischen Bauhaupt­gewerbes Parifonds Bau ist als Branchenlösung den reglementarischen Vorgaben der berufliche Vorsorge verpflichtet und umfasst nahezu das identische Leistungsspektrum von AHV und Pensionskasse, sodass die Stammdaten bis vor ­kurzem in einem zentralen IT-System auf Basis AS/400 bewirtschaftet wurden.

Wie der Baumeisterverband für 9000 Firmen das Lohnmeldewesen neu digital organisiert

Der Baumeisterverband bietet mit dem Service-Center «Consimo» für die Schweizer Baubranche Dienstleistungen der beruflichen Vorsorge inklusive Beitragserhebung und Auszahlung von AHV- und Pensionskassenleistungen. Für den paritätischen Fonds des schweizerischen Bauhauptgewerbes «Parifonds Bau» ist Consimo für die Bereiche Beitragsinkasso und Leistungsentrichtung verantwortlich. Der Fonds basiert auf dem Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe, dem Baukadervertrag und dem Gesamtarbeitsvertrag für den Gleisbau mit einem Geltungsbereich für rund 9000 Firmen mit über 90000 Angestellten. Jüngst hat Consimo mit dem Umsetzungspartner (Arctive AG) das Lohnmeldewesen mit einer Cloud-Lösung digitalisiert.

Einführung einer cloudbasierten Lösung

Das Ziel von Consimo war es, ein Kundenportal und eine Inkassoplattform zu schaffen, die Module wie die digitale Verarbeitung von Lohnmeldungen, Rechnungsstellung, Mahnwesen, Taxierung, Stammdatenpflege, Rechnungswesen, Reporting und Output-Management integriert. Dabei war es von grösster Bedeutung, die bestehende Lösung schnell und risikofrei abzulösen und eine effiziente und kundenorientierte Systemlösung zu schaffen. Um dies zu erreichen, wurden unterschiedlichste Technologien und Umsetzungspartner evaluiert. Schliesslich entschied sich Consimo für die cloudbasierte Technologie von ServiceNow und Arctive, ein Schweizer ­ServiceNow-Partner, der bereits cloudbasierte Lösungen für Sozialversicherungen eingeführt hatte. Der ausschlaggebende Grund für die Wahl der SaaS-Plattform (SaaS: Software as a Service) von ServiceNow war ihr hoher Personalisierungsgrad von Services. Sie erlaubt integriertes und abteilungsübergreifendes Arbeiten, verringert Redundanzen, eliminiert menschliche Fehler und bietet eine einfache und verständliche Anwenderoberfläche. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit zur Integration und Interaktion von vor- und nachgelagerten Akteuren im Deklarations- und Inkassoprozess. «Die cloudbasierte Technologie ermöglicht modernes Workflow-Management und zeichnet sich insbesondere durch ihre hohe Flexibilität aus», sagt Rolf Frischknecht, Bereichsleiter Finanzen bei Consimo.

Einmalige jährliche Lohnmeldungen im Online-Portal

Das Kundenportal ermöglicht den Kunden der Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR) und Parifonds Bau, ihre jährlichen Lohnmeldungen online und über einen geführten digitalen Prozess einzureichen. Des Weiteren müssen Arbeitgebende für ihre Mitarbeitenden keine separaten Lohnmeldungen mehr einreichen, da eine einmalige Meldung über das digitale Portal Bau genügt und somit das Meldungsvolumen um 50% reduziert werden konnte. Die Triage und Plausibilitätsprüfungen der gesamten Lohnmeldungen für den Betrieb mit den individuellen Lohnmeldungen erfolgen im Hintergrund. Darüber hinaus dient das Portal als B2B-Plattform für die knapp 9000 angeschlossenen Firmen dazu, Dokumente und umfangreiche Formulare der 90000 Arbeitnehmenden auszutauschen und eine sichere und geschützte Kommunikation zu gewährleisten. Das Inkassomodul umfasst den klassischen Einzug von Forderungen und das dazugehörige Mahnwesen für die übertragenen Aufgaben. Eine sichere Kommunikation und einfache Interaktion mit u.a. Collecta, dem ISAB-Register (Informationssystem Allianz Bau) oder dem Unique-Person-Identification-Register (UPI) ist garantiert.

Automatisierte Prozesse entlasten Mitarbeitende

Dank der vollumfänglich elektronischen Aufsetzung des Mahnprozesses sowie dem nahtlosen Übergang zu Umsystemen, die die Betreibungen weiterverfolgen, werden Fristen und Termine automatisch überwacht und der administrative Aufwand für die Mitarbeitenden reduziert. Die Qualität und Aktualität von Stammdaten hat sich verbessert, was sich positiv auf die Dienstleistungs- und Prozessqualität im Reporting auswirkt. Neue Anforderungen können schnell und einfach im Reportingprozess adaptiert und berücksichtigt werden. Das Output-Management wurde durch Funktionen wie E-Billing und E-Mailing aufgewertet, was insbesondere für den Kunden Sicherheit, Flexibilität und Schnelligkeit bedeutet. Hierbei stellt die ServiceNow-Technologie das übergeordnete Serviceportal dar, das an die webbasierte Management- und Controlling-Lösung von Abacus angebunden ist, um E-Billing ermöglichen zu können. Der Kundenprozess im Lohnmeldewesen und im Inkassowesen ist somit end-to-end-digitalisiert und kann papierlos abgewickelt werden. Automatische Plausibilitätsprüfungen von Lohnmeldungen sowie der automatische Versand von Registrierungsschreiben reduzieren den Arbeitsaufwand im einzelnen Bearbeitungsfall erheblich. Den Sachbearbeitern werden durch die workflow-gestützte Prozessautomation unnötige Handgriffe abgenommen. Ferner stellt die neue Systemlandschaft die Dokumentenverwaltung sicher, ohne Risiken im Bereich der Datenqualität und -aktualität einzugehen. Die Cloud-Technologie ermöglicht auch in Zukunft weitere Geschäftsprozesse end-to-end zu digitalisieren. So wird im Herbst 2023 auch die Digitalisierung des Bildungs-Leistungsangebots von Parifond Bau erfolgen, bei der rund 50 Bildungsinstitute angeschlossen werden, um eine sichere Kommunikation und Auszahlung von Schulungs- und Weiterbildungszuschüssen an die Arbeitgebenden über eine einzige digitale Service-Plattform zu gewährleisten. Mit diesem Schritt kann Ende 2024 das alte System AS/400 vollständig abgestellt werden.

 

Plattformen für automatisierte Lohnmeldungen

Der Datenaustausch rund um die Sozialversicherungen wird immer umfangreicher und zugleich sicherer. Dabei werden nicht nur Lohndaten von den Arbeitgebenden zu den Ausgleichs- und Pensionskassen übermittelt, sondern auch Informationen zwischen verschiedenen Sozialversicherungsträgern und staatlichen Stellen ausgetauscht.

Ziel dabei ist stets eine möglichst effiziente und fehlerfreie Datenerfassung und -übermittlung. Diese Bestrebungen, die auch den Arbeitsaufwand der Arbeitgebenden minimieren sollen, werden seit Jahrzehnten an vorderster Front von den Ausgleichskassen der 1. Säule vorangetrieben. Einen vertieften Einblick in diese Bestrebungen bietet der Fokus «Digitalisierung und Sozialversicherung».

Dreh- und Angelpunkt für einen effizienten Austausch sind standardisierte Schnittstellen:

ELM

Basis für automatisierte Lohnmeldungen ist das einheitliche Lohnmeldeverfahren (ELM), das unter anderem durch Swissdec-zertifizierte Buchhaltungssysteme erfolgt.

eAHV/IV

Der Trägerverein der IV-Stellen, der kantonalen Ausgleichskassen sowie der Verbandsausgleichskassen eAHV/IV definiert und erarbeitet Schnittstellen und Standards für den Datenaustausch und koordiniert zusätzlich E-Government- und Digitalisierungsprojekte. Dabei wird das Ziel verfolgt, Unternehmen bei der administrativen Arbeit zu entlasten. Auf der Website eahv-iv.ch sind unter «Partner» die Mitglieder sowie Anbieter von Softwarelösungen aufgeführt.

Aufbauend auf den standardisierten Schnittstellen bieten verschiedene Anbieter Plattformen an. Hier ein paar Beispiele (nicht abschliessend):

AHVeasy

Dem Portal AHVeasy sind 20 kantonale Ausgleichskassen sowie die Liechtensteinische AHV-IV-FAK angeschlossen.

connect

Das Onlineportal connect wird von zahlreichen kantonalen Ausgleichskassen und Verbandsausgleichskassen eingesetzt. Darunter auch von der Eidgenössischen Ausgleichskasse EAK.

Hotela+

Die Plattform Hotela+ steht den angeschlossenen Betrieben der Hotela-Verbandsausgleichskasse offen. Neben AHV und Familienausgleichskasse bietet sie auch eine BVG-Sammelstiftung, eine Unfall- und eine Krankentaggeldversicherung an.

Berufliche Vorsorge

Auch in der beruflichen Vorsorge sind cloudbasierte Arbeitgeber- und Versichertenportale immer mehr auf dem Vormarsch. Vorreiter sind die Sammeleinrichtungen. Für den Datenaustausch unter den Vorsorgeeinrichtungen gibt es die Plattform BVG-Exchange. (gg)

Jobprofil: Case Management statt Sachbearbeitung

Letztlich ist festzuhalten, dass die Digitalisierung im Sozialversicherungswesen und in öffentlichen Institutionen nicht mehr wegzudenken ist. Der Einsatz von neuen Technologien und Innovationen ist ein wichtiger Eckpfeiler, um zukünftigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt wie dem Fachkräftemangel begegnen zu können. Der Wandel vom Sachbearbeiter hin zur Case Managerin findet statt. Das Jobprofil für Sacharbeiterinnen im Lohnmeldewesen und Inkasso wird sich massgeblich verändern. Das Abtippen von Informationen auf physisch vorliegenden Formularen und Anträgen in die IT-Fachsysteme entfällt. Stattdessen kann die freigewordene Zeit für die Bearbeitung von komplexen Sachverhalten genutzt und letztlich das Arbeiten als Case Manager gelebt werden.

Take Aways

  • Cloudbasierte Technologien zeichnen sich durch ihre workflow-gestützten Prozesse und deren Automation aus. Standardprozesse können so schnell, flexibel und individuell digitalisiert und migriert werden.
  • Das schafft Transparenz und eine Qualitätssteigerung der Prozesse durch deren Harmonisierung und Verschlankung. Der administrative Aufwand für alle Akteure kann durch ein benutzerfreundliches Kundenportal wahrnehmbar reduziert werden.
  • Dank automatisierten Prozessen werden die Mitarbeitenden von Routinearbeiten entlastet und können sich dafür komplexeren Aufgaben widmen.

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