Mehr Produktivität durch Künstliche Intelligenz?

Montag, 03. Februar 2025 - Karen Heidl
Mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in Unternehmen verbinden sich hohe Erwartungen an Steigerung der Produktivität und Verbesserung der Arbeitsqualität. Die Verbreitung und der Einsatz von KI-Anwendungen in Unternehmen sind jedoch noch in den Anfängen. Die OECD präsentiert eine Prognose.

Wissenschaftliche Prognosen für eine generelle KI-getriebene Produktivitätssteigerung sind noch mit diversen Unsicherheitsfaktoren behaftet. Die OECD veröffentlichte kürzlich Forschungsergebnisse[1] auf Basis mikroökonomischer Studien, um aus diesen Schlussfolgerungen für die Makroökonomie abzuleiten.

Entwicklung von KI im Vergleich zu früheren Schlüsseltechnologien

Die Studie prognostiziert, dass sich KI in ähnlicher Weise wie frühere Schlüsseltechnologien (z.B. Elektrizität, Personalcomputer und Internet) entwickeln könnte. Adaptionsraten historischer Technologien erreichten innerhalb eines Jahrzehnts etwa 23 bis 40%. Im optimistischen Szenario könnte KI aufgrund ihrer benutzerfreundlichen Anwendung schneller verbreitet werden, und zwar mit Adaptionsraten von bis zu 40% in zehn Jahren. Allerdings bestehen ähnliche Hindernisse wie bei früheren Technologien, darunter hohe Investitionskosten, organisatorische Anpassungen und gesellschaftliche Akzeptanzprobleme.

Unterschiede in den Adaptions­raten von KI in verschiedenen ­Wirtschaftssektoren

Die Adaptionsraten von KI unterscheiden sich stark zwischen den Wirtschaftssektoren. Wissensintensive Branchen wie IT, Finanzen und professionelle Dienstleistungen zeigen eine höhere Adaptionsrate, da die Aufgaben in diesen Bereichen stark kognitiv geprägt sind und gut durch KI unterstützt werden können. Im Gegensatz dazu bleibt die Adaption in Sektoren mit stark manuellen oder physischen Tätigkeiten, wie Bauwesen oder Teilen der Fertigung, gering. Hier könnten erst durch die Integration von KI mit Robotik- oder anderen Komplementärtechnologien signifikante Fortschritte erzielt werden. Dies bestätigte auch Nathan Goldschlag, Analyst am Center for Economic Studies beim U.S. Census Bureau, in einer öffentlichen Diskussion zum Thema.[2] Zwar nutzten 32% der Arbeitnehmenden KI bei der Arbeit, so Goldschlag, aber nur 3 bis 5% der Unternehmen setzten offiziell KI ein. Vor allem junge, technikorientierte Firmen nutzten KI. Dies deute auf ein noch frühes Stadium der Verbreitung der Technologie in amerikanischen Unternehmen hin. Die Early Adopters berichten von deutlichen Produktivitätsvorteilen.

Bedingungsfaktoren möglicher Produktivitätsgewinne

Die OECD-Studie zeigt, dass nicht nur Verbreitung von KI in Unternehmen und Unterschiede in der sektoralen Exposition von Bedeutung sind, sondern dass Produktivitätsgewinne durch KI von weiteren Faktoren abhängen. So könnte etwa eine unelastische, auf Preisänderungen nicht reagierende Nachfrage nach Produkten aus KI-unterstützten Sektoren die Gewinne aus Produktivitätssteigerungen limitieren. Und schliesslich bestehe die Gefahr von Umverteilungsfriktionen: Kosten für die Verlagerung von Arbeitskräften und Kapital zwischen Sektoren bremsen eventuell Produktivitätssteigerungen.

Prognosen der Studie

Die Studie prognostiziert, dass KI das jährliche Wachstum der Total-Faktor-Produktivität (TFP) in den USA um etwa 0.25–0.6 Prozentpunkte und das Arbeitsproduktivitätswachstum (Output pro Arbeitsstunde) um 0.4–0.9 Prozentpunkte steigern könnte. Diese Werte bleiben jedoch hinter den Gewinnen früherer Technologien wie der IKT-Revolution zurück. Wissensintensive Dienstleistungen wie IT und Finanzen profitierten am meisten, während manuelle Tätigkeiten weniger betroffen seien. Eine Integration von KI mit Robotik könnte jedoch auch in diesen Sektoren signifikante Produktivitätsgewinne erzielen und sektorale Unterschiede ausgleichen.

Um die Verbreitung und die Adaption von KI-Technologie in Unternehmen zu fördern, werden unterstützende Massnahmen für erforderlich gehalten, die sowohl politische, technologische als auch organisatorische Herausforderungen adressieren. Die Studie gibt hierzu folgende Empfehlungen:

Bildung und Weiterbildung: Unternehmen benötigten qualifizierte Arbeitskräfte, um KI effektiv einzusetzen. Regierungen und Organisationen sollten Programme zur Schulung von Mitarbeitenden in datenbezogenen Fähigkeiten, maschinellem Lernen und KI-gestützten Technologien anbieten.

Förderung der digitalen Infrastruktur: Der Zugang zu leistungsfähigen Datenplattformen und cloudbasierten Diensten sei für Unternehmen entscheidend. Regierungen könnten Investitionen in digitale Infrastruktur subventionieren, insbesondere für kleinere Unternehmen, die sonst Schwierigkeiten hätten, KI zu implementieren.

Finanzielle Anreize und Subventionen: Direkte Förderprogramme wie Steuervergünstigungen oder Zuschüsse für KI-Projekte könnten Unternehmen motivieren, in die Technologie zu investieren. Diese Massnahmen sollten besonders auf KMU ausgerichtet sein, die oft über weniger Ressourcen verfügten.

Schaffung von Innovationszentren: Regionale oder branchenspezifische Innovationszentren liessen sich als Plattform einsetzen, um Unternehmen den Zugang zu KI-Lösungen zu erleichtern. Solche Zentren könnten Beratung, technologische Ressourcen und Pilotprojekte anbieten.

Regulierung und Vertrauen: Transparente Richtlinien zur Datennutzung und zur ethischen KI-Anwendung innerhalb des Unternehmens seien notwendig, um Unsicherheiten und Widerstände bei Unternehmen zu reduzieren.

Leuchtturmprojekte und Best Practices: Erfolgreiche KI-Anwendungsfälle in Unternehmen sollten öffentlich gemacht werden, um das Bewusstsein für die Vorteile der Technologie zu schärfen und Nachahmer zu motivieren.

Best Practice im Personalmanagement

Lindsey Raymond, Microsoft Postdoctoral Researcher in Economics and Computation, berichtete während der bereits genannten OECD-Diskussion zum Thema von einer Studie, die 2021/22 in einem Callcenter durchgeführt wurde, das Software-Support für User leistete. Durch den Einsatz von KI konnte die Produktivität um 15% erhöht werden, weil die Lösungsfindungsprozesse deutlich beschleunigt werden konnten. Der Einsatz von KI für das Finden von Lösungen für Anwenderprobleme hatte zudem den Vorteil, dass die Mitarbeitenden selbst mehr lernten und eine grössere Bandbreite von Problemlösungen abdecken konnten. Die Unterschiede zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Mitarbeitenden konnten nivelliert werden.

Mit der Zeit hatten sich die Alltagsaufgaben neu strukturiert, so Raymond, und die Anforderungen veränderten sich zum Vorteil einer als deutlich verbessert wahrgenommenen Arbeitsqualität.

Vonseiten einer Gewerkschaftsvertreterin, Mary Towers, wurde darauf hingewiesen, dass in solchen Projekten die Partizipation der Mitarbeitenden sehr wichtig sei, um das Vertrauen in Technologie zu fördern. Auch habe sie die Erfahrung gemacht, dass es von den Mitarbeitenden als eine Verminderung der Arbeitsqualität erlebt würde, wenn die KI Arbeitsabläufe kontrolliere und Aufgaben verteile. Die Mitarbeitenden fühlten sich dann unter Umständen überfordert und sozial isoliert. Auch dies habe sie in einem Callcenter erlebt, wo sich das Stressempfinden nach Einführung einer KI deutlich gesteigert habe.

Die Notwendigkeit der Partizipation der Mitarbeitenden unterstrich auch Rebekah Smith, Workforce and ESG Executive bei IBM Europe, die von einem umfassenden Projekt berichtete, in dem repetitive HR-Prozesse in KI-Anwendungen verlagert wurden und Effizienzgewinne von 30 bis 50% erzielt werden konnten. Durch Partizipation konnte eine Vielzahl von Ideen und Erfahrungen in das Change-Projekt einfliessen. Ethik, verantwortungsvoller Umgang mit KI, Vertrauenswürdigkeit und Transparenz seien unabdingbare Grundbedingungen beim Einsatz von KI-Anwendungen im Unternehmen (mehr Information).

[1] Filippucci, F., Gal, P., & Schief, M. (2024). Miracle or Myth? Assessing the macroeconomic productivity gains from Artificial Intelligence. OECD Artificial Intelligence Papers, No. 29. OECD Publishing.
[2] OECD International Conference on AI in Work, Innovation, Productivity and Skills, 2024. Session: «Women’s and men’s experiences of AI at work: how might they differ?» am 12. Dezember 2024.

Take Aways

  • KI-Technologien verbreiten sich schneller als frühere Schlüsseltechnologien. Aktuelle Adaptionsraten betragen 3–5% in Unternehmen und bis zu 32% bei Arbeitnehmenden, jedoch mit stark variierenden Ergebnissen je nach Branche.
  • Wissensintensive Branchen wie IT und Finanzen profitieren am meisten von KI. In Sektoren mit manuellen Tätigkeiten oder hohen Datenschutzanforderungen bleibt die Nutzung gering.
  • Die OECD prognostiziert durch KI ein jährliches Wachstum der Total-Faktor-Produktivität von 0.25–0.6 Prozentpunkten und der Arbeitsproduktivität von 0.4–0.9 Prozentpunkten.
  • Hürden wie Investitionskosten, organisatorische Anpassungen und Nachfrageelastizität beeinflussen den Nutzen von KI. Unterstützende Massnahmen wie Weiterbildung und digitale Infrastruktur sind entscheidend.
  • Studien zeigen, dass KI die Produktivität steigern und Lernprozesse unterstützen kann, z.B. in Callcentern. Die Partizipation der Mitarbeitenden fördert Vertrauen und Akzeptanz.

Artikel teilen


Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.

Folgen sie uns auf