Studie zeigt: Künstliche Intelligenz verschärft Fachkräftemangel

Mittwoch, 24. April 2024
Zwei Drittel der Unternehmen planen KI-Fachkräfte extern zur rekrutieren. Nur gerade ein Drittel beabsichtigt, bestehende Mitarbeitende umzuschulen. Das geht aus einer internationalen Studie von Adecco hervor. Auch der Schweizer Fachkräftemangel-Index 2023 zeigt, wie das Ungleichgewicht zwischen Bedarf und Ausbildungsbereitschaft den Kampf um Fachkräfte mit digitalen Kompetenzen verschärft.

Eine Umfrage unter 2000 Führungskräften zeigt, dass die Mehrheit der Unternehmen in ihrer Personalstrategie beim Aufbau von KI-kompetenten Fachkräften einen wenig ausgewogenen Ansatz zwischen «Kaufen» und «Aufbauen» von Talenten verfolgt und dass dringend Kompetenzen aufgebaut werden müssen, um das Potenzial der künstlichen Intelligenz zu nutzen und somit die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmenden zu sichern.  

Über die Hälfte der befragten Konzerne, die in weltweit führenden Volkswirtschaften operieren, planen, neue Talente einzustellen, um den bevorstehenden massiven Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zu bewältigen. Dies, anstatt das bestehende Personal umzuschulen, was zu einem regelrechten Kampf um Fachkräfte mit digitalen Kompetenzen führen wird.

Gehälter für KI-bezogene Tätigkeiten steigen deutlich

Die Ergebnisse der Studie «Leading Through the Great Disruption», einer von der Adecco Gruppe durchgeführten Umfrage bei 2000 Führungskräften in neun Ländern, zeigen, dass 66% der Befragten angaben, KI-Fachkräfte extern einzukaufen. Nur gerade 34% gaben an, ihre bestehenden Mitarbeitenden umschulen zu wollen. Angesichts der erwarteten Nachfrage nach diesen Qualifikationen erwarten 37% der Führungskräfte, dass die Gehälter für KI-bezogene Tätigkeiten in den nächsten 12 Monaten «deutlich steigen» werden, im Vergleich zu nur 24% für Angestellte und 9% für Hilfsarbeitskräfte.

Mit Blick auf den Schweizer Arbeitsmarkt zeigen die Ergebnisse des Adecco Group Fachkräftemangel Index Schweiz 2023, dass der Fachkräftemangel in der Schweiz trotz nachlassender konjunktureller Dynamik mit einem Plus von 24 Prozent einen neuen Höchststand erreicht. Die Personalrekrutierung bleibt für die Unternehmen eine Herausforderung. Besonders schwer zu besetzen sind derzeit offene Stellen für Fachkräfte im Gesundheitswesen, IT-Experten und technische Ingenieure.

Kluft zwischen «Kaufen» und «Aufbauen»

Marcel Keller, Country President der Adecco Group Switzerland, meint dazu: «KI bringt die Unternehmen in Zugzwang und stellt sie vor schwierige Entscheidungen: Entweder sie restrukturieren ihre Teams und entlassen einen Teil der Mitarbeitenden oder sie investieren in die Aus- und Weiterbildung der bestehenden Mitarbeitenden. Letzteres ist auf lange Sicht nachhaltiger, erfordert aber Ressourcen und Geduld.»

Während die Kluft zwischen «Kaufen» und «Aufbauen» bei KI-Talenten am grössten ist, gilt dies auch für andere digitale Kompetenzen: 62% der Führungskräfte geben an, dass sie externe Experten für Datenkompetenz einstellen werden, während 36% sagen, dass sie ihre Teams um- oder weiterbilden werden. Entsprechend planen 60% der Führungskräfte, Personal einzustellen, um Lücken in der digitalen Kompetenz zu schliessen, während 37% sagen, dass sie in diesem Bereich Kompetenzen aufbauen werden.

KI-Kompetenzlücke reicht bis in die Führungsetagen

Geschäftsführer erwarten erhebliche Umwälzungen auf dem gesamten Arbeitsmarkt. Nur 46% der Befragten gaben an, dass sie Beschäftigte, deren Arbeitsplätze aufgrund von KI wegfallen, ersetzen werden. Darüber hinaus gehen 41% davon aus, dass sie in fünf Jahren aufgrund von künstlicher Intelligenz weniger Personal beschäftigen werden. Die Umfrage zeigt auch, dass die KI-Kompetenzlücke bis in die Führungsetagen der Unternehmen reicht.

57% der Befragten haben wenig Vertrauen in die Fähigkeit ihres eigenen Managements, die «Risiken und Chancen» von KI zu verstehen. Nur 43% dieser Gruppe gaben an, dass sie über formale Schulungsprogramme zur Verbesserung der KI-Fähigkeiten verfügen, während nur 50% angaben, dass sie ihren Beschäftigten Anleitungen zur Nutzung von KI bei der Arbeit geben.

Mensch in den Mittelpunkt des Wandels stellen

Trotz aller Veränderungen, die KI wahrscheinlich mit sich bringen wird, sind die Geschäftsführer der Ansicht, dass menschliche Fähigkeiten weiterhin eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Unternehmens spielen werden. Eine Mehrheit von 57% sagt, dass die «menschliche Note» am Arbeitsplatz immer noch einflussreicher ist als KI, während Kreativität und Innovation als die wichtigsten Bereiche genannt werden, in denen es an Kompetenzen mangelt.

Adecco-Schweiz-Chef Marcel Kellers Fazit: «Während wir uns in einem wirtschaftlich sehr dynamischen Umfeld befinden, ist es von entscheidender Bedeutung, die interne Kohärenz aufrechtzuerhalten und in das interne Potenzial zu investieren, um die Loyalität der Mitarbeitenden zu stärken, Vertrauen aufzubauen und so gemeinsam Innovationen zu schaffen und Wettbewerber zu schlagen. Es ist wichtig, dass der Mensch im Mittelpunkt dieses Wandels steht. Künstliche Intelligenz ist dabei ein hilfreiches Werkzeug, das dem Menschen hilft, seine Kreativität und sein volles Potenzial zu entfalten.»

Take Aways

1. KI BESCHLEUNIGT BEREITS HEUTE DEN WANDEL
KI hat in vielen Bereichen der Wirtschaft Einzug gehalten, und die Führungskräfte sagen, dass sie die Chancen nutzen wollen. 61% der Führungskräfte erwarten, dass KI ihre Branche verändern wird. Diese Begeisterung für KI sollte als Hebel für Veränderungen genutzt werden, damit Unternehmen ihre Transformationspläne vorantreiben können. Derzeit hat nur jedes zehnte Unternehmen signifikante Fortschritte gemacht. CFOs und CEOs müssen stärker von den Möglichkeiten der KI überzeugt werden, um die Einführung zu beschleunigen.

2. FÜHRUNGSKRÄFTE SIND NICHT BEREIT
Führungskräfte müssen die Herausforderungen und Chancen von KI verstehen, bevor sie die richtige Strategie festlegen können. Auf höchster Ebene gibt es jedoch erhebliche Qualifikationslücken. Die Mehrheit der Unternehmen gibt an, wenig Vertrauen in die KI-Fähigkeiten ihrer Führungskräfte zu haben. Dies wirkt sich auf das Engagement der Mitarbeiter aus. Um die KI-Disruption zu bewältigen, müssen Führungskräfte eine "adaptive" Denkweise annehmen - und dies schnell.

3. EINE VERANTWORTUNGSVOLLE PERSONALSTRATEGIE UNTERSTÜTZT DEN ERFOLG VON KI
Unternehmen müssen von Anfang an einen Rahmen für den ethischen und verantwortungsvollen Einsatz von KI schaffen. Der Aufbau von digitalem Vertrauen ist entscheidend für den Erfolg von KI am Arbeitsplatz. Die Mitarbeiter müssen Vertrauen in die Technologie haben. Verantwortungsbewusste KI-Richtlinien sind der Schlüssel, um Akzeptanz im gesamten Unternehmen zu schaffen, Vertrauen aufzubauen und die Einführung von KI voranzutreiben.

4. EINE «BUY VS. BUILD» PERSONALSTRATEGIE IST NICHT NACHHALTIG
Der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt wird wahrscheinlich noch härter werden, da fast alle Arbeitsplätze digitale und technische Fähigkeiten erfordern. Die meisten Unternehmen planen, neue Mitarbeiter einzustellen, anstatt bestehende Teams weiterzubilden. Dieser Ansatz birgt die Gefahr eines Qualifikationsdefizits, das die Löhne in die Höhe treibt. Um einen Fachkräftemangel zu vermeiden und stattdessen die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter zu sichern, müssen die Unternehmen relevante Kompetenzen innerhalb ihrer Belegschaft aufbauen.

5. KI KANN DAZU BEITRAGEN, EIN AUF DEN MENSCHEN AUSGERICHTETES UNTERNEHMEN ZU SCHAFFEN.
Führungskräfte müssen die einzigartigen menschlichen Qualitäten durch Coaching, Training und Leadership Development fördern. Unternehmen haben beträchtliche Defizite in den Bereichen Kreativität, Innovation und kritisches Denken. KI sollte eingesetzt werden, um das menschliche Potenzial freizusetzen, indem sie von arbeitsintensiven Aufgaben entlastet wird. Sie spielt auch eine wichtige Rolle bei der Förderung übertragbarer(transferierbarer?) Qualifikationen und der internen Mobilität

Studie «Fachkräftemangel Index Schweiz 2023»

In Zusammenarbeit mit Oxford Economics befragte die Adecco Group CEOs, Chief Technology Officers, Chief Human Resources Officers, Chief Financial Officers und Chief Operating Officers aus Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Automobilindustrie, Energie, Gesundheitswesen, Einzelhandel und Vertrieb in den USA, Kanada, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Singapur, Australien und Japan.

Zur Studie

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