Vernetzte Versicherte brauchen vernetzte Informationen

Mittwoch, 24. Juli 2024 - Nancy Wayland
Das Drei-Säulen-System gerät zunehmend unter Druck. Es kämpft nicht nur mit ­Finanzierungsfragen, auch für vernetzte ­Versicherte bietet es noch keine überzeugenden Lösungen: Ein Grund dafür sind in sich geschlossene technologische Systeme. Interoperabilität, effektive Datenverarbeitung ­entlang von End-to-end-Prozessen, versicherungsübergreifende Self-Services sind einige der aktuellen Herausforderungen.

Sich «sozial sicher» zu fühlen, hat wesentlich damit zu tun, ob sich Versicherte umfassend und verständlich informiert fühlen. Diese Voraussetzung ist aufgrund der historisch gewachsenen, heterogenen Versicherungslandschaft heute nicht erfüllt. Vielmehr ist die Informationsbeschaffung für versicherte Personen ein aufwendiger, oft nicht zielführender Prozess.

Nehmen wir zur Illustration die Situation von Frau Meier, 45-jährig, zu 70% als Lehrerin angestellt. Sie hat gehört, dass viele Frauen im Alter finanziell schlecht dastehen. Nun will sie sich darüber informieren, wie sich ihre eigene finanzielle Situation im Alter gestalten kann.

Dazu beantragt sie bei der für sie zuständigen Ausgleichskasse einen Auszug aus ihrem individuellen Beitragskonto und erhält die Information, dass ihr dieser in den nächsten Tagen postalisch zugestellt wird. Die Auszüge ihrer beruflichen Vorsorge und ihrer 3a-Vorsorgelösung konnte sie im jeweiligen Portal herunterladen. Nach Erhalt des IK-Auszugs sitzt sie am Küchentisch – die ausgedruckten Unterlagen liegen vor ihr. Frau Meier hat sie sorgfältig durchgesehen und versteht trotzdem nicht, wie ihre finanzielle Situation im Alter aussehen wird. Sie notiert sich deshalb für die kommende Woche Anrufe bei allen drei Versicherungen.

End-to-end-Prozesse für mehr Selbstbestimmung

Natürlich könnte Frau Meier sich mit ihren Fragen an einen unabhängigen Spezialisten wenden. Viel einfacher wäre es für sie, diese Antworten aus einer Hand zu erhalten – z.B. durch entsprechende Eingabe in einem Portal, das die Versicherer gemeinsam für sie bereitstellen. Ihre drei Versicherer sind heute allerdings in ihren jeweiligen Silos gefangen, da sie mit historisch gewachsenen, in sich geschlossenen IT-Kernsystemen arbeiten. Unabhängig davon sind technisch gesehen versicherungsübergreifende Lösungen heute schon vorstellbar. Solche End-to-end-Lösungen würden Frau Meier eine sehr viel selbstbestimmtere Informationsbeschaffung erlauben. Bequem von zu Hause aus – dann, wenn sie Zeit hat.

Zwei Projekte zeigen illustrativ auf, wie Ansätze solcher Lösungen aussehen könnten:

  • Das Projekt Mosar hat zum Ziel, die individuellen Konten automatisiert zusammenzuführen, so dass die versicherte Person mittels einer digitalen Identität (E-ID) online sicher auf ihre Daten zugreifen kann. Die Kommunikation zwischen allen Beteiligten wird dabei unter Berücksichtigung des E-Government-Standards eCH modernisiert. In einem nächsten Schritt sollen Versicherte auch Antworten auf das Vorhandensein potenzieller Beitragslücken erhalten und erfahren, was sie dagegen tun können.
  • Das Projekt Digital Individual Benefit Statement (DIBS) verfolgt das Ziel, den Zugang zu den eigenen Vorsorgedaten zu erleichtern. Über eine Plattform können versicherte Personen eine Online-Schätzung ihrer AHV-Rente, ihrer Rente oder ihres Kapitals aus der 2. Säule und ihres Kapitals [1] aus der Säule 3a vornehmen. Ausserdem sind für alle drei Säulen Simulationen möglich, die die Auswirkungen eines individuellen Entscheids auf das Einkommen der Person bei der Pensionierung messen (z.B. vorzeitige oder aufgeschobene Pensionierung, Änderung der persönlichen Situation).

Beide Projekte adressieren das Bedürfnis von Frau Meier, sich selbstbestimmt eine umfassende Übersicht über ihre Vorsorgesituation zu verschaffen.

Mehr Nutzen für Versicherte und Versicherungen

Versicherungsübergreifende Informationen zu existenziellen Fragen, die konsequente Entwicklung von End-to-end-Prozessen und der Ausbau von Self-Services sind nicht nur aus Sicht der Versicherten (und ihrer Arbeitgebenden) dringlich:

Bevölkerungswachstum, demografische Entwicklungen, Ausscheiden der Babyboomer aus dem Erwerbsleben, stark steigende Zahlen der psychischen Erkrankungen und damit verbundener Leistungen der Invalidenversicherung sowie anhaltender Ausbau der 1. Säule – diese Entwicklungen werden im kommenden Jahrzehnt zu einem substanziellen Fallwachstum von möglicherweise bis zu 40% [2] führen. Ein Fallwachstum, dessen Bewältigung nicht zuletzt aufgrund des gleichzeitigen Fachkräftemangels erhebliche Produktivitätssteigerungen durch Prozessautomatisierungen bedingt.

Auch in diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick in die Romandie. Neosis Solutions hat mit iPension Suite eine modulare Software-Suite entwickelt, die nicht nur die Versicherten ins Zentrum stellt, sondern auch monolithische Kernsysteme für neuste technologische Lösungen «öffnet». Das Modul «iPension EVENTS» z.B. lässt sich in jedes Informationssystem integrieren. Es ermöglicht Versicherern einerseits die organische Weiterentwicklung der digitalen Transformation innerhalb der bestehenden IT-Architektur und andererseits einen orchestrierten Datenaustausch zwischen allen involvierten Akteuren. Die das Kernsystem umhüllende «API-Schicht» erlaubt aufgrund der versicherungsübergreifenden Zusammenführung von Daten die daten­basierte Entwicklung von automatisierten End-to-end-Prozessen und die Integration von KI-Lösungen. Das  dazugehörige Portal wurde ebenfalls speziell für versicherungs­übergreifende Self-Services für alle Stakeholder gebaut.

Nicht nur für Frau Meier schaffen solche Lösungen Mehrwert. Auch für die Versicherungen und ihre Mitarbeitenden resultieren mehr Komfort, Effizienz und Effektivität. Denn für Mitarbeitende der Versicherungsträger ist es alles andere als sinnstiftend, immer und immer wieder die gleichen Fragen zu beantworten, wie z.B. wann die Rente ausbezahlt wird oder wie der IK-Auszug bzw. der Pensionskassenausweis zu verstehen ist, um nur einige der Klassiker zu nennen.

So kann aus scheinbar unüberwindbaren Herausforderungen eine inspirierende Perspektive für alle entstehen – auch, um den unausweichlichen Anstieg der Leistungsfälle in der Zukunft gelassen zu meistern.

[1] Noch sind bei diesem Prototyp keine Rentenberechnungen aus 3a-Lösungen möglich.
[2] Diese Schätzung basiert auf Auswertungen von Zahlen des BFS, Geschäftsberichten öffentlich-rechtlicher Sozialversicherungen und darauf basierenden Projektionen sowie der über 20-jährigen Erfahrung der Autorin im Bereich der Sozialversicherungen. Sie beschränkt sich auf die 1. Säule.

Take Aways

  • In sich geschlossene IT-Kernsysteme der Akteure der sozialen Sicherheit verunmöglichen zunehmend vernetzten Versicherten eine selbstbestimmte Informations­beschaffung.
  • Integrative End-to-end-Prozesse und versicherungsübergreifende Self-Service-Plattformen erlauben den Versicherten einen autonomeren Zugang zu ihren Versicherungsdaten und bilden gleichzeitig das Fundament für maximale Produktivitätssteigerung.
  • Damit wird die Grundlage gelegt, dass Versicherte ihre finanzielle Zukunft besser verstehen und selbstbestimmt planen können.

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