Eine regelmässige Fragestellung beim Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement ist diejenige nach einer effektiven Kommunikation. Wie überzeugt man andere – Vorgesetzte, Mitarbeitende und mögliche weitere Anspruchspersonen – von den Vorteilen eines systematischen BGM?
Eigentlich wäre diese Frage leicht zu beantworten, wie einige Referenten wie Manuel Wiesner (Familie Wiesner Gastronomie AG), Helmut Perreten (Industrielle Betriebe Interlaken AG) oder Samuel Bissig-Scheiber (Schindler Aufzüge AG) sehr deutlich machten: Wenn das Management die entsprechenden Positionen vertritt und selbst in einen Dialog mit den Mitarbeitenden geht, ist die wirkungsvollste Basis für Kommunikation bereits geschaffen. Eine professionelle Kommunikationsstrategie muss dann die notwendige Nachhaltigkeit und Messbarkeit der BGM-Massnahmen erzeugen.
Grundlagen
Anabel Ternès, Professorin für internationale Betriebswirtschaftslehre in Berlin u.a. mit Schwerpunkten in Kommunikation, Gesundheit und HR, vermittelte dem Auditorium den theoretischen Überbau jeglicher Kommunikation, der sich in der Leitfrage zusammenfassen lässt:
Dies ist ein langer Satz, den man sich nur schwerlich merken kann – aber es lohnt sich, denn er vermittelt alles Wesentliche. Das Credo der Referentin ist, dass Kommunikation positive Erlebnisse schaffen müsse. Um dies zu leisten, sei es erforderlich, die Stakeholder gründlich zu analysieren und sich zu fragen, welche Informationen für die jeweiligen Anspruchsgruppen relevant und geeignet sind, Aufmerksamkeit zu schaffen.
Hinweise von Anabel Ternès zur Kommunikationsplanung
Wer ist Adressat der Kommunikation? Am Anfang jeglicher Kommunikationsstrategie steht eine Stakeholder-Analyse. Welche Gruppen im und um das Unternehmen betrifft BGM? Wie beeinflussen sie sich gegenseitig und welche Haltungen vertreten sie tendenziell?
Welche Ziele soll die Kommunikation erreichen? Ternès empfahl, den Zweck der jeweiligen Kommunikationsstrategie präzise für die jeweilige Anspruchsgruppe herauszuarbeiten.
Wann und wie oft sollen diese Botschaften platziert werden? Die Referentin riet, mediale Trends und die damit verbundenen Hashtags aufzugreifen und diese mit den BGM-Botschaften zu verknüpfen.
Welche Informationskanäle nutzen die Adressaten? Nicht jede Person im Unternehmen nutzt die gleichen Informationsmedien. Ternès empfahl, auf bereits bestehende Kanäle zu setzen. Je mehr Möglichkeiten zur Interaktion ein Kanal biete, umso wirkungsvoller werde zudem die Kommunikation. So kann man regelmässige Stimmungschecks durchführen oder Feedback-Funktionen einführen.
Welche Botschaften sollen vermittelt werden? Schlüssel zur Gewinnung von Aufmerksamkeit sind Emotionen und Ich-Botschaften. Deshalb sind kurze und strukturierte Texte komplizierten Darstellungen vorzuziehen. Visualisierungen in Bild und Video emotionalisieren eher als Texte. Zur Interaktion animierende Texte unterstützen die Beschäftigung mit den Inhalten («Kennst Du das…?»).
Zu klären, welche Tools für die Erfolgsmessung eingesetzt werden, hängt von der Definition der Kennzahlen ab, die für diese Messung als relevant erachtet werden. Wichtig sind eine Nullmessung und die Wiederholung von Messungen, die Aufschluss über die Wirksamkeit von Massnahmen geben. Beispielsweise könne man regelmässige Umfragen durchführen.
Von der Theorie zur inneren Haltung
Eine andere Perspektive auf das Thema nahm der frühere Pilot und Unternehmensberater Martin Wyler ein. Er thematisierte den Leidensdruck, von dem HR- und BGM-Verantwortliche immer wieder berichten: von der Schwierigkeit, sich in der Geschäftsleitung und im Linien-Management mit Ideen, Konzepten und Vorschlägen zum BGM durchzusetzen. Mangelndes Verständnis der Themen, unzureichende Priorisierung und fehlende Wertschätzung würden beklagt. So stehe Kommunikation immer wieder auf der Liste der Königsdisziplinen, die es doch zu beherrschen gelte.
Wylers Vortrag gab zu denken über die unbewussten Signale der Kommunikation, die Beziehungen gestalten, Haltungen prägen und Voraussetzungen schaffen, bevor überhaupt erst die Präsentation eines Konzepts erfolgt ist.
BGM als Produktivitäts-Booster?
Sicher, so Wyler, könne man mit Kennzahlen für BGM-Massnahmen argumentieren, sicher könne systematisches BGM Wettbewerbsvorteile generieren und ganz bestimmt zahle dies auf den Unternehmenserfolg ein. Wyler bezeichnete diese Ableitung als Glaubensbekenntnis, das mehr oder weniger Geltungskraft habe – je nach individueller Einstellung. In Geschäftsleitungsgremien sei man da nicht unbedingt immer einhelliger Meinung. Während die Beiträge der Vertreter der Geschäftsbereiche zum Unternehmenserfolg auf der Hand lägen, fühlten sich HR-Verantwortliche immer wieder veranlasst, ihre Beiträge auszuweisen.
Glauben habe jedoch wenig mit Fakten zu tun, sondern eher mit der Zugehörigkeit zu einer Community, führte Wyler weiter aus: «Menschen glauben denjenigen am meisten, denen man vertrauen kann.» Ob Menschen einander vertrauten, hänge von vielen Faktoren ab, beispielsweise von der Haltung. Menschen, die eine innere Opposition ausstrahlten, hätten es schwer.
Dringliche Formulierungen wie «Du musst …», «Du sollst …» drückten bereits eine innere Opposition aus. Die innere Haltung der Teilnehmerinnen im Entscheiderkreis müsse allerdings eine Ich-Du-Beziehung sein, eine Team-Haltung. Das Miteinander sei die Basis einer gelingenden Beziehung, nicht die Ich-Du-Opposition, mahnte Wyler. Die Arbeit an der inneren Haltung sei ein wichtiger Beitrag zu einer konstruktiven Kommunikation.
Wertschätzung
Ein anderer Faktor für gelungene Beziehungen sei Respekt. Für Wertschätzung hätten Menschen ein feines Gespür und verrieten ihre Haltung stark durch nonverbale Kommunikation. Die Linienverantwortlichen merkten sehr schnell, wieviel Respekt einer Person entgegengebracht werde und ob sie wirklich Teil des Entscheiderzirkels sei, erklärte Wyler. Abwertung finde beispielsweise statt, wenn Entscheidungen des Chefs nicht akzeptiert werden und etwa ein Augenrollen diese Haltung verrate.
Wyler gab zur Abrundung dieser beiden Themen dem Auditorium Empfehlungen auf den Weg:
- Um als HR- oder BGM-Verantwortliche in Organisationen an relevante Informationen zu gelangen, aufgrund derer Entscheidungen gefällt werden, sollten sie Beziehungen pflegen.
- In Entscheidungssituationen sollten sie den Überlegungen im Entscheiderzirkel Raum geben und nicht drängeln. Drängelnde Menschen werden nicht unbedingt als wertschätzend wahrgenommen.
- Wenn einem Anliegen nicht entsprochen werde, solle man nicht gekränkt reagieren.
Die richtige Haltung: Wohlwollen
Am leichtesten lasse sich Vertrauen als wichtigste Basis für gute Kommunikation durch Wohlwollen aufbauen, empfahl Wyler. Wohlwollen könne man bei Menschen, die einen eigentlich nerven, sehr gut üben.
So kam Wylers Vortrag zur Kernaussage: «Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den Linienverantwortlichen und den BGM-Verantwortlichen trägt mehr zur Wertschätzung der Disziplin und zur Massnahmenumsetzung bei, als jegliche gut besetzte BGM-Abteilung, deren Vorgesetzte zwar gehört, aber nicht verstanden werden.» Diese Haltung wirft die Verantwortung für gelingende Kommunikation auf diejenigen zurück, die bestimmte Ziele erreichen wollen.
Wyler wies darauf hin, dass jeder sichtbare Frust eine Abwertung eines anderen impliziere. Emotionen wie Ärger, spontane Wut, Trauer, Ablehnung, Nicht-ernst-genommen-Fühlen beeinflussen die Beziehungen zu anderen. Bei all diesen Reaktionen kommt Abwertung der eigenen Person oder anderer ins Spiel, was vor allem die Beziehungen zu den Vorgesetzten beeinflusst.
Übergriffigkeit und Bevormundung
Im Hinblick auf die Mitarbeitenden ist die Abgrenzung zwischen persönlichen Ansprüchen und den Ansprüchen des Unternehmens eine wiederkehrende Problematik. «Wie gestalten sich die Beziehungen zu Mitarbeitenden, die wenig für Gesundheitsthemen übrighaben?», fragte der Referent kritisch. Man müsse sich die Frage stellen, wann BGM übergriffig oder bevormundend werde, denn dann sei Abwertung im Spiel und Kommunikation misslinge.
Das persönliche Standing selbst beeinflussen
Das persönliche Standing spielt für die Vertrauenswürdigkeit einer Person ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Position innerhalb des Unternehmens ist abhängig von Hierarchie, Kompetenzen und Wirkungsfähigkeit oder anderen äusserlichen Signalen der Stellung im sozialen Gefüge. Zum Teil liegen diese Faktoren ausserhalb der eigenen Einflussnahme. Wyler riet, sich auf diejenigen Faktoren zu konzentrieren, auf die man Einfluss nehmen könne. Dazu gehörten soziale und Persönlichkeitskompetenzen. Man solle bewusst daran arbeiten, Beziehungen zu wichtigen Ansprechpartnern und sich selbst zu managen. Persönlichkeitskompetenz impliziere beispielsweise Humor, Selbstvertrauen, Impulskontrolle, Anpassungsfähigkeit, Optimismus oder die Fähigkeit, über Emotionen sprechen zu können.
Im Bereich der Sozialkompetenz stehe Teamwork ganz oben auf der Liste wichtiger Fähigkeiten, zudem Inspiration und die Fähigkeit, auf andere Einfluss nehmen zu können. Solche Kompetenzen förderten Wertschätzung.
Reflexionsfragen zur Überprüfung der eigenen Beziehungsgestaltung von Martin Wyler
- Verstehen Sie die Problemstellung der Geschäftsleiterinnen?
- Haben Sie und die Verantwortungsträger in der Linie eine gemeinsame Vorstellung davon, wie der Unternehmenserfolg zustande kommt?
- Neigen Sie dazu, die Notwendigkeit von BGM-Massnahmen als so dringlich darzustellen, dass sich die Entscheidenden gedrängt fühlen?
- Fällt es Ihnen manchmal schwer, die vorgetragenen Pro-BGM-Argumente rein sachlich zu präsentieren? Sind Sie dabei emotional?
- Knüpfen Sie Ihren persönlichen Erfolg an die Anzahl Ihrer Mitarbeitenden, die Höhe Ihres Budgets oder die Zahl der bewilligten BGM-Massnahmen?
- Knüpfen Sie Ihren persönlichen Erfolg an den Erfolg des Unternehmens?
- Können Sie akzeptieren, dass Vorschläge von Ihnen nicht bewilligt werden, oder sind Sie dann frustriert? Und wie gestaltet sich dann die Beziehung zu den Vorgesetzten, die so entschieden haben?