Das Gläschen Wein ist doch nicht gesund

Montag, 29. Juli 2024
Alkohol ist auch dann nicht gesundheitsfördernd, wenn er in Massen genossen wird. Zu diesem Ergebnis ist eine Analyse vieler verschiedener Studien zum Zusammenhang von Alkoholkonsum und Gesundheit gekommen.

Frühere Untersuchungen hatten wiederholt darauf hingedeutet, dass Menschen, die wenig Alkohol trinken, im Vergleich zu Abstinenzlern weniger anfällig für manche Krankheiten sind. Doch solche Ergebnisse seien nur dann zustande gekommen, wenn die Gruppe der Abstinenzlerinnen und Abstinenzler nicht gut abgegrenzt war oder aber wenn die Probanden relativ alt waren, schreiben Wissenschaftler von der kanadischen Universität Victoria im «Journal of Studies on Alcohol and Drugs».

«Annahmen über gesundheitliche Vorteile von Alkohol beeinflussen die Schätzungen der globalen Krankheitslast und die Richtlinien zum Trinken erheblich», schreiben die Studienautoren. Sie prüften nun, warum einige Studien dem mässigen Konsum von Alkohol eine gesundheitsfördernde Wirkung zuschreiben, andere hingegen nicht. Als mässigen Konsum nahmen sie eine Menge bis 25 Gramm Alkohol pro Tag an, das entspricht 0.25 Litern Wein mit 12% Alkohol oder 0.6 Litern Bier mit 5% Alkohol. Moderater Alkoholgenuss soll Studien zufolge unter anderem vor bestimmten Formen von Herzinfarkten und Schlaganfällen sowie Diabetes Typ 2 schützen.

Qualitativ höherwertige Studien zeigen keinen Unterschied

Die Autoren werteten 107 Langzeituntersuchungen zum Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Mortalität aus. Daran hatten gut 4.8 Millionen Menschen teilgenommen, im Verlauf der Untersuchungen gab es mehr als 420000 Todesfälle. Als wichtiges Kriterium für die Qualität einer Studie wurde die Messung des Alkoholkonsums begezogen: Wurde er über mehr als 30 Tage gemessen, waren die Messwerte aussagekräftiger als wenn dies in einem kleineren Zeitraum geschah. Es zeigte sich: Bei den qualitativ höherwertigen Studien lag das Sterberisiko bei moderatem Konsum gleichauf mit dem von Abstinenz.

Zudem betrachteten die Forscher die Altersstruktur der Studienteilnehmenden. Sie fanden auffällige Unterschiede je nachdem, wie alt die Probanden einer Kohorte zu Beginn der Langzeituntersuchung waren: Lag der Medianwert zwischen 56 und 78 Jahren, dann war das Sterberisiko für mässige Alkoholtrinkende deutlich geringer als für Abstinenzlerinnen und Abstinenzler - auf alle Studien gerechnet um 14%. Lag das Medianalter der Kohorte jedoch unter 55 Jahren und wurde die Untersuchung der einzelnen Teilnehmenden bis zum Alter von mindestens 56 Jahren fortgeführt, lagen die Sterberisiken nahezu gleichauf.

«Es gibt keine absolut ‹sichere› Menge an Alkohol»

Allerdings galt das nur, wenn die jeweiligen Teams bei der Definition von Abstinenz rigoros vorgegangen waren. Dazu mussten sie Menschen, die gelegentlich Alkohol tranken, und jene, die früher Alkohol getrunken hatten, von der Gruppe der Abstinenzler ausgeschlossen haben. Das war in den meisten Studien nicht der Fall: Teilweise wurden moderate Alkoholtrinker also verglichen mit früheren Konsumenten, die aus gesundheitlichen Gründen mit dem Trinken aufgehört hatten. «Das lässt Menschen, die weiterhin trinken, im Vergleich viel gesünder erscheinen», wird Autor Tim Stockwell in einer Mitteilung des Fachjournals zitiert.

Der Grund dafür, dass Studien Gesundheitsvorteile für mässigen Alkoholkonsum ermittelt hätten, liege in Verzerrungen wegen Mängeln im Studiendesign. In qualitativ hochwertigen Studien ergebe sich kein Gesundheitsvorteil für Menschen mit moderatem Konsum. Den Umstand, dass keine grosse Gesundheitsorganisation jemals eine risikofreie Menge an Alkoholkonsum festgelegt habe, kommentiert Stockwell mit den Worten: «Es gibt einfach keine absolut ‹sichere› Menge an Alkohol.»

Europäer konsumieren laut WHO weltweit die grössten Mengen Alkohol

Mit einer Durchschnittsmenge von jährlich 9.2 Litern sind Europäer laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die weltweit grössten Alkoholkonsumenten. Europa halte weiterhin diesen «wenig beneidenswerten Rekord», erklärte der Leiter von WHO Europa, Gauden Galea. Seit 10 Jahren seien keine Veränderungen im Konsumverhalten zu erkennen. Amerika landete demnach mit einem Pro-Kopf-Konsum von durchschnittlich 7.5 Litern pro Jahr auf dem 2. Platz.

Laut dem Bericht, der sich auf Angaben aus dem Jahr 2019 stützt, trinken Männer in Europa mit durchschnittlich 14.9 Litern pro Jahr fast vier Mal so viel wie Frauen, die auf lediglich 4 Liter kommen. Auch die Schäden durch den Konsum sind massiv: Einer von zehn Erwachsenen leidet demnach an alkoholbedingten Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Schäden, Diabetes, chronischen Atemwegserkrankungen oder Krebs. Fast 6% der Erwachsenen gelten als alkoholabhängig. Ausserdem zählt Alkohol mit rund 800000 Todesfällen pro Jahr zu den Haupttodesursachen in Europa.

Höhere Steuern gefordert

Angesicht der besorgniserregenden Zahlen forderte die WHO die europäischen Länder auf, die Steuern auf alkoholischen Getränken zu erhöhen. Zudem sollten sie umfassende Beschränkungen für die Vermarktung von Alkohol umzusetzen und die Verfügbarkeit von Alkohol einzugrenzen. Weltweit tötet Alkohol Angaben der WHO zufolge jedes Jahr 2.6 Millionen Menschen. (sda)

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