Die über 1100 Teilnehmenden der Tagung mit dem Titel «Destination Resilienz – Unternehmen & Mitarbeitende stärken» hatten sich gerade in ihren bequemen Sitzreihen der Arena im Kursaal Bern eingerichtet, als Eric Bürki, Mitglied der Geschäftsleitung der Tagungsveranstalterin, der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, zu einigen Provokationen ausholte. Er formulierte drei Thesen:
- Die meisten Unternehmen investierten Budgets in Krisenbewältigung und Schadensbegrenzung statt in Prävention.
- Prävention und Training seien häufig nicht sehr nachhaltig, weil mehrere Faktoren ignoriert würden: die Freiwilligkeit der Teilnahme an einem Informationsangebot, der Bezug zum Daily Business und die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz, die Prävention behinderten.
- Die Einsicht in die Wichtigkeit der individuellen Resilienz sei zwar inzwischen bei vielen Unternehmen angekommen, auf der Ebene der Organisation könne es jedoch an essenziellen Voraussetzungen fehlen. Dazu gehörten beispielsweise Prozesse und Rollenverteilungen, die so gestaltet werden, dass Absenzen von Mitarbeitenden keinen zusätzlichen Stress verursachen, moderne, flexible Arbeitsbedingungen oder zugewandte Führung.
Erfolgreiches Gesundheitsmanagement durch Kooperation
Dr. Jens O. Meissner, Professor für Organisationale Resilienz an der Hochschule Luzern, und Tanja Matetic, Leiterin Assurance und Resilienz bei der BLS AG, benutzten das Bild eines Tangos, um das Verhältnis zwischen individueller und organisationaler Resilienz zu beschreiben. Der Begriff der Resilienz wurde seit den 1970er Jahren vor allem im Kontext der Psychologie geprägt und beschreibt eine posttraumatische Reifung, also die Fähigkeit, nach einer traumatischen Erfahrung wieder stabil und stark im Leben zu stehen. Im Umfeld der Informationstechnik werden mit resilienten Systemen Themen wie Ausfallsicherheit oder Datenintegrität beschrieben. Auch in der Organisation gehe es den Referenten zufolge dabei um zwei wichtige Kompetenzen: Die Fähigkeit, Widrigkeiten und Belastungen zu absorbieren und so das Funktionieren des Unternehmens sicherzustellen, und die Fähigkeit, sich von negativen Ereignissen zu erholen, bevor die Situation nicht mehr zu kontrollieren sei. Ob eine Organisation dazu in der Lage sei, liesse sich anhand von 13 Indikatoren überprüfen (siehe Grafik).
Quelle: Präsentation Prof. Dr. Jens O. Meissner, Luzern
Die Vielfalt von Aufgaben und Funktionen, die relevant für resiliente Organisationen sind, legte Tanja Matetic dar. Die BLS umfasst ca. 3800 Mitarbeitende aus diversen Nationen in ganz unterschiedlichen Funktionen etwa im Schienenverkehr, in der Administration oder in den eigenen Reparaturwerkstätten. Matetic erweiterte das Konzept von organisationaler Resilienz um die Assurance-Funktion. Assurance bezeichnet die Gesamtheit der in einem Unternehmen bestehenden Überwachungs- und Aufsichtstätigkeiten. Assurance unterstütze, so Matetic, vor allem in Unternehmen mit hohen und sanktionsbewehrten Risiken den Aufsichtsrat. Assurance-Aufgaben werden häufig in Funktionen wie Risikomanagement, Datenschutz- oder Sicherheitsbeauftragten ausgeübt und mit verschiedenen Kontrollsystemen überwacht.
Die Referentin betonte in ihrem Vortrag die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen HR und Assurance-Verantwortlichen im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Während Arbeitssicherheit/Gesundheitsschutz in der Assurance-Verantwortung lägen, seien BGM-Massnahmen und Caremanagement HR-Sache. Eine enge Kooperation in einem gemeinsamen Steuerungsteam und mit einem gemeinsamen Dashboard zur Auswertung relevanter Erfolgsindikatoren stelle die Effektivität und Effizienz der Gesundheitsangebote für die Mitarbeitenden sicher. Die Referenten verwendeten die Metapher «Tango» für ihre Kernaussage: Kooperation im Unternehmen sei essenziell, um ein erfolgreiches BGM auf den Weg zu bringen.