Die mittlere Prämie für Erwachsene steigt auf 397.20 Franken im Monat, wie Gesundheitsminister Alain Berset und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag vor den Medien bekannt gaben. Die Prämie für junge Erwachsene verteuert sich um 6.3% auf 279.90 Franken im Monat. Und die Prämien für Kinder steigen um 5.5% auf durchschnittlich 105 Franken.
Berset sagte, die Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen belasteten das Gesundheitssystem stark. Allein Impfungen und Spitalbehandlungen kosteten die Krankenkassen über eine halbe Milliarde Franken. Zudem verursachte die Pandemie indirekte Kosten unter anderem durch verschobene Eingriffe. Dies führte ab der zweiten Hälfte 2021 und auch 2022 zu stark steigenden Nachholeffekten. Diese wurden zunächst unterschätzt.
Die Gesundheitskosten stiegen dem BAG zufolge 2021 um 4.5%, und die Prämien deckten sie 2021 und 2022 nicht mehr. Der Kostenanstieg hält 2022 an. Gemäss Berset wurde damit die Prämienerhöhung 2023 zwingend.
Höhere Prämienverbilligungen
Nach moderaten Anstiegen von durchschnittlich je 1.5% in den vergangenen fünf Jahren kommt der Anstieg viele Haushalte besonders zusammen mit höheren Energiekosten und Konsumpreisen hart an. Diese Haushalte können nach Angaben von Alain Berset von Prämienverbilligungen profitieren.
Der Bund passt seine Beiträge seit 2011 jeweils den Gesundheitskosten an. Etliche Kantone taten das nicht oder senkten ihre Beiträge sogar. Mit seinem vom Nationalrat gutgeheissenen Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungsinitiative der SP will der Bundesrat die Prämienverbilligung durch die Kantone ebenfalls an die Kosten binden, wie Berset sagte.
Zudem ist eine vom Nationalrat bereits gutgeheissene dringliche Erhöhung des Bundesbeitrags für die Prämienverbilligung um 30% für 2023 hängig. Gemäss den Plänen des Nationalrats soll die Erhöhung zur Abfederung der Teuerung dienen. Der Ständerat wies den Vorschlag am Montag zur Prüfung an seine Kommission zurück. Er will zuerst wissen, ob die Abfederung auch wirklich den Hilfsbedürftigen zugutekommt.
Abgebaute Reserven
In den vergangenen Jahren drängten Parlament und Bundesrat die Krankenkassen zum Abbau von Reserven, um das Prämienwachstum zu dämpfen. Gemäss dem BAG ist dieser Spielraum für 2023 geringer.Die Kassen verfügen Ende 2023 nach Berechnungen indessen weiterhin über Reserven von 9.5 Mrd. Franken. Laut Berset liegt das deutlich über der gesetzlichen Vorgabe von 6.4 Mrd.
Politik muss handeln
In den Reaktionen herrschten Bestürzung über das Prämienwachstum und Forderungen an die Politik vor. Lukas Engelberger, der Präsident der Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und Basler Gesundheitsdirektor, befürchtete weitere Prämienanstiege. Die Kantone seien aber erwiesenermassen in der Lage, das Kostenwachstum in eigener Verantwortung zu dämpfen.
Der Krankenversicherer-Verband Santésuisse forderte «einschneidende Massnahmen zur Kostendämpfung» von der Politik. Falsche Tarif-Anreize im ambulanten Bereich führten zu gravierenden Fehlentwicklungen.
Der zweite Krankenkassen-Verband Curafutura kritisierte die Eingriffe der Politik in die Reserven der Kassen. Wäre das nicht geschehen, hätte sich der Anstieg 2023 dämpfen lassen.
Der Spitalverband H+ forderte rasch ergänzende oder alternative Finanzierungslösungen. Die Schweizer Ärztinnen und Ärzte bedauerten, dass wichtige Reformen für eine Dämpfung der Kosten blockiert seien.
Der Konsumentenschutz verlangte wie das Hilfswerk Caritas eine Erhöhung der Prämienverbilligung per Notrecht. Zusammen mit der Inflation würden die Krankenkassenprämien für viele Haushalte untragbar. Die Schweizer Gesundheitsunternehmen sprachen sich für einen Regulierungsstopp im Gesundheitswesen aus.
Auf Seiten der Politik wollen der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Grünen einen Systemwechsel zu einkommensabhängigen Prämien. SP und Mitte verweisen auf ihre Initiativen, und die FDP will auf den Wettbewerb setzen. (sda)