Wir leben in einer Gerontokratie
Der Psychologe und Psychotherapeut Allan Guggenbühl gab anlässlich der Nationalen Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement anregende und aufregende Denkanstösse dazu, wie sich Jugend anfühlt.
Der Direktor der Gesundheitsförderung Schweiz, Thomas Mattig, zeigte sich zufrieden mit der wachsenden Umsetzung von BGM in den Betrieben. Massnahmen zur Förderung der Gesundheit seien inzwischen mit einem Anteil von 65% der Betriebe eher Mainstream geworden, sagte Mattig. Dabei ist der Fokus auf junge Arbeitnehmende besonders wichtig, da diese vulnerable Lebensphase zwischen Schulabschluss und Berufseinstieg viele für das spätere Leben präge. Die Gesundheitsförderung Schweiz widmet sich mit dem Programm Friendly Workspace Apprentice der Thematik. Dabei handelt es sich um ein Instrument für Berufsbildende. Es zeigt Wege auf, wie man psychische Probleme bei Jugendlichen erkennt und altersgerecht darauf reagieren kann.
Die Referenten Andrea Gurtner, Professorin für HRM und Diversity & Inclusion an der Berner Fachhochschule Wirtschaft, und Sven Goebel, Leiter, Entwicklung BGM, Gesundheitsförderung Schweiz, gingen in ihren Vorträgen vertieft anhand verschiedener Studien darauf ein, was junge Menschen im Arbeitsleben bewegt.
In der Lebensphase des Berufseinstiegs haben es junge Menschen mit vielen Herausforderungen zu tun: Die Ablösung von den Eltern ist noch nicht abgeschlossen, die eigene Identität noch nicht vollständig entwickelt, neue Beziehungen treten in das eigene Leben. Gleichzeitig steht jede Generation in einem gesellschaftlichen Kontext, der von epochalen Trends geprägt sei. In der heutigen Zeit sind dies beispielsweise die Digitalisierung in allen Lebensbereichen, der Gendershift, die Überalterung der Gesellschaft oder die Klima-Diskussion. Alle diese Trends haben Folgen für Zukunftssicherheit, Wertbildung und Sinnstiftung, die das Lebensgefühl einer Generation ausmachen. Dennoch dürfe man nicht eine gesamte Generation mit bestimmten Merkmalen über einen Kamm scheren, wie der Psychologe und Psychotherapeut Prof. Allan Guggenbühl anmahnte. Jede Erwachsenengeneration neige dazu, der jugendlichen Generation pauschal Eigenschaften zuzuschreiben. Diese entsprächen häufig nicht den Tatsachen, denn Werte und Einstellungen der Generationen lägen nicht so weit auseinander. Dies zeigen auch die Befragungsergebnisse der Studien, die Andrea Gurtner vorstellte.
In Interviews, die eine Forschungsgruppe um Andrea Gurtner 2016 durchführte, bieten demzufolge von jungen Erwerbstätigen gewünschte Werte wenig Überraschungen. Wichtig sind jungen Menschen Sinnhaftigkeit, Wertschätzung, Entwicklungsmöglichkeiten und gegenseitige Loyalität.
Der Wunsch, individuell wahrgenommen und gefördert werden zu wollen, verlangt bestimmte Führungsqualitäten von Berufsbildnern, beispielsweise sollten sie klar kommunizieren können, Interesse zeigen und gesprächsbereit sein. Ein Missverständnis sei, so Gurtner, dass junge Menschen immer gelobt werden wollten. Stattdessen wollen sie qualifiziertes Feedback.
Im Fazit gehe es darum, Strukturen anzubieten die Orientierung und Flexibilität für Entwicklung von Individuen schaffen.
Sven Goebel stellte das «Arbeitspapier 55: Junge Erwerbstätige – Arbeitsbedingungen und Gesundheit» vor, das ab sofort auf der Website der Gesundheitsförderung Schweiz herunterzuladen ist. Die in diesem Papier vorgestellte Studie wertet Statistiken und andere Studien hinsichtlich spezifischer Abweichungen in der erwerbstätigen Altersgruppe zwischen 16 und 24 Jahren aus. Die Ergebnisse wurden ergänzt mit Informationen von Experten zu bestimmten Aspekten, wie beispielsweise zur Frage der physischen und psychischen Veränderungen in dieser Lebensphase. Dabei orientiert sich die Studie am Wirkungsmodell BGM und analysiert Ressourcen und Belastungen, Gesundheit und Motivation junger Erwerbstätiger.
Junge Erwerbstätige sind eher als Erwachsene von inhaltlicher Überforderung und von widersprüchlichen Anforderungen betroffen. Psychisch sind sie weniger gefordert, haben weniger Zeitdruck, weniger Multitasking oder Arbeitsunterbrechungen. Bei den aufgabenbezogenen Ressourcen macht sich bemerkbar, dass wichtige Persönlichkeitsfaktoren bei jüngeren Menschen noch nicht so gut ausgeprägt sind. So sei gemäss der Studienergebnisse Stressregulation schwieriger. Jugendliche sehen in ihrer Arbeit weniger Sinn und ihre eigenen Fähigkeiten weniger eingesetzt, Handlungsspielräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten werden als geringer angegeben.
Bei jüngeren Erwerbstätigkeiten zeigt eine Auswertung des Job-Stress-Index, dass Belastungen häufig höher sind als die persönlichen Ressourcen, mit denen diese verarbeitet werden können.
Dies führt zu stärkeren psychosomatischen Beschwerden und psychischen Belastungen. Auch die Unfallneigung ist bei jüngeren Menschen ausgeprägter. Sie sind abenteuerlustiger und wollen sich ausprobieren oder können potenzielle Gefahrensituationen nicht so gut einschätzen wie ältere Personen. Die gute Nachricht: Sie sind insgesamt bei guter Gesundheit und kommen auch schneller wieder auf die Beine.
Quelle: Arbeitspapier 55: Junge Erwerbstätige – Arbeitsbedingungen und Gesundheit, Gesundheitsförderung Schweiz, S. 19
Die Risiken im Gesundheitsverhalten bestehen bei jüngeren Menschen auch ausgeprägt im Thema Drogenkonsum oder problematischer Internetkonsum, wie die Auswertung deutlich zeigt und auch von medizinischen Fachleuten immer wieder angemerkt wird.
Demgegenüber steht die erfreuliche Tatsache, dass junge Mitarbeitende mehr soziale Unterstützung erhalten als ältere Arbeitnehmende.
Bei der Überprüfung der Motivation junger Arbeitender zeigen sich die Folgen des relativ hohen Job-Stress-Index’ in Form einer insgesamt geringeren Bindung an den Arbeitsplatz: Die Arbeitszufriedenheit ist tiefer als bei Älteren, die Kündigungsabsicht höher, auch das Engagement ist niedriger. Positiv ist gleichzeitig, dass sie mehr Arbeitsalternativen bei Stellenverlust haben.
Bei den Neuverrentungen gibt es keine Unterschiede zu anderen Altersgruppen, aber es gibt auch nicht weniger. Der Anteil der Neuverrentung aus psychischen Gründen hat sich in den letzten Jahren von 25% auf 50% erhöht.
Sven Goebel zeigte drei Handlungsfelder auf, um Ressoucen zu verbessern und Belastungen zu reduzieren.
Die gesamte Auswertung mit Empfehlungen steht hier zum Download bereit: Website der Gesundheitsförderung Schweiz
Der Psychologe und Psychotherapeut Allan Guggenbühl gab anlässlich der Nationalen Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement anregende und aufregende Denkanstösse dazu, wie sich Jugend anfühlt.
Der Umgang mit suchtkranken Mitarbeitenden ist für Team und Vorgesetzte nicht einfach. Konflikte sind vorprogrammiert, und die Bereitschaft, Probleme am Arbeitsplatz auf die Sucht zurückzuführen, ist hoch. Dr. Monika Ridinger unterstützt als Ärztin, Suchtexpertin und Psychotherapeutin Suchtbetroffene und Führungskräfte.
vps.epas | Postfach | CH-6002 Luzern | Tel. +41 41 317 07 07 | info@vps.epas.ch