Studie: Die Gefühlswelt der Deutschschweiz

Mittwoch, 08. Juli 2020
Zwischen dem 20. und 27. Mai 2020 hat das Forschungsinstitut Sotomo 9279 Personen aus der deutschsprachigen Schweiz zu 46 Emotionen befragt. Der «Atlas der Emotionen» gibt einen Einblick in die Gefühlslandschaft der Deutschschweiz. Auch die Stimmungslage während des Corona-Lockdowns wurde untersucht.

Wie misst man Gefühle?

Die Auswahl der 46 Emotionen basiert auf dem «Geneva Emotion Wheel» des Swiss Center for Affective Science der Universität Genf. In diesem Modell sind 20 Emotionsfamilien, wobei die Achsen durch zwei Hauptdimensionen der emotionalen Erfahrung definiert sind: Macht/Ohnmacht und positive/negative Werte. Die Befragten können aus fünf Intensitätsgraden wählen. Dieses Spektrum der Emotionen wurde unter Mitwirkung verschiedener Fachpersonen erweitert.

Die Studie zeigt, dass das Erleben von Emotionen nicht homogen ist. Ein Gefühl wie «Überwältigung» beispielsweise ist durchaus ambivalent zwischen sehr negativ und sehr positiv changierend bewertet worden. Liebe, Freude, Geborgenheit rangieren auf der Positivskala auf den ersten Rängen, während Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Geringschätzung die Schlusslichter bei den negativ bewerteten Gefühlen bilden.

Jüngere erleben eine breitere Gefühlswelt

Junge Erwachsene erleben in ihrem Alltag durchschnittlich 18 Gefühle, Personen im Rentenalter nur noch 10. Während ältere Frauen in ihrem Alltag durchschnittlich 4 negative Gefühle erleben, sind es bei jungen Frauen 11.

Frauen haben mehr Gefühle

Frauen benannten in der Studie ein breiteres emotionales Spektrum, nämlich im Durchschnitt fast 16, als Männer, die nicht ganz 13 im Durchschnitt benannten.

Ältere sind glücklicher

Über 65-Jährige erleben mehr positive Gefühle im Alltag als 35-64-Jährige, die wiederum mehr positive Gefühle benennen als 15-34-Jährige. Die Autoren der Studie erklären dies mit den Lebensumständen der Befragten. 45 Prozent der Teilnehmenden befinden sich in einer «sehr stabilen und gleichförmigen Lebenssituation», 36% konstatieren «Wandel, aber dennoch stabil», während 19% eine instabile Lebenssituation beschreiben. Dabei nehmen sich Ältere häufiger in einer stabilen Lebenssituation wahr.

Studienteilnehmende, die sich in einer «sehr stabilen und gleichförmigen» Lebenssituation sehen, nennen besonders häufig positive Grundgefühle. Dies ist auch bei der Gruppe der Fall, die sich «im Wandel, aber dennoch stabil» beschreibt, allerdings zeigt diese von der ersten Gruppe abweichende Gefühle wie «Verliebtheit», «Mut» und «Stolz».

Gefühle während des Covid-19-Lockdowns

Den Einfluss der Corona-Pandemie auf die eigene Stimmungslage hat fast die Hälfte der Teilnehmenden als negativ bewertet. 22 Prozent gaben positive Gefühle an. Frauen und Jüngere erlebten eher negative Auswirkungen auf ihre Stimmungslage als Männer und Ältere.

Über positive Gefühle spricht man gerne …

… Negative Gefühle werden verschwiegen, schlussfolgern die Autoren der Studie zusammenfassend. Die Befragten denken zudem, dass man ihnen die meisten negativen Gefühle nicht anmerkt. Inwieweit dies daran liegt, dass Betroffene solche Gefühle gegen aussen überspielen und inwiefern das Umfeld unaufmerksam ist, kann anhand der Untersuchung nicht gesagt werden. Beide Aspekte spielen wohl mit, vermuten die Forscher.

Gefühl der Hoffnungslosigkeit bei psychischer Belastung

Neben demografischen Aspekten wie Alter und Geschlecht spielt für das emotionale Erleben die psychische Grundstimmung eine Rolle: «Bei Personen, denen es psychisch nicht gut geht, stehen andere Gefühle im Vordergrund als bei solchen, die psychisch gefestigt und in einer guten Grundstimmung sind», konstatieren die Autoren der Studie.

Kampagne «Wie geht's dir?»

Der «Atlas der Emotionen» wurde im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Kampagne «Wie geht's dir?» in Auftrag gegeben, über deren Weiterführung sie Erkenntnisse liefert. Die Kampagne will motivieren und dazu anleiten, Gespräche über belastende Gefühle zu führen. Frühe Gespräche können helfen, psychische Belastungen oder Störungen zu vermeiden. «Wie geht's dir?» ist eine Kampagne der Deutschschweizer Kantone und Pro Mente Sana im Auftrag von Gesundheitsförderung Schweiz. Darum beschränkt sich die Befragung auf die Deutschschweiz. (he, zur Medienmitteilung).

 

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