Im Mai hatte der Bundesrat entschieden, die zweite Etappe der 2021 vom Volk angenommenen Pflegeinitiative mit einem «Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege» (BGAP) und einer Anpassung des bestehenden «Bundesgesetzes über die Gesundheitsberufe» (GesBG) umzusetzen. Der Entwurf des Erlasses war bis Ende August in der Vernehmlassung.
Zu den Neuerungen gehört, dass Pflegende Dienstpläne grundsätzlich mindestens vier Wochen im Voraus erhalten sollen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit von heute 50 auf neu 45 Stunden gesenkt wird. Die Normalarbeitszeit soll künftig zwischen 38 und 42 Stunden pro Woche liegen. Der Bundesrat will die Sozialpartner mit dem neuen Entwurf ausserdem dazu verpflichten, Gespräche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen und über Gesamtarbeitsverträge (GAV) zu verhandeln. Die Landesregierung schickt dazu zwei Varianten in die Vernehmlassung.
Gemäss Variante eins soll es zulässig sein, in einem GAV von den Vorgaben des neuen Bundesgesetzes abzuweichen. Variante zwei sieht vor, dass die neuen Vorgaben nicht unterschritten werden dürfen. Der Bundesrat zieht Variante eins vor.
SVP lehnt GAV-Verpflichtung ab
Die SVP lehnt vor allem die Verpflichtung der Sozialpartner zu Verhandlungen über Gesamtarbeitsverträge «entschieden» ab, wie es in ihrer Vernehmlassungsantwort heisst. Das Eingreifen des Bundesrats in Details von Arbeitsverträgen und der Zwang zu Gesamtarbeitsverträgen verteuere das Gesundheitswesen und verstärke den Fachkräftemangel. Auch Möglichkeiten zur eigenständigen Abrechnung der erbrachten Leistungen von Pflegeexperten lehnt die SVP entschieden ab mit der Begründung, dies führe zu einer weiteren Mengenausweitung. Einer praxisbezogenen Ausbildung zum Pflegeexperten und der Entlastung der Ärzte durch eine neue Aufgabenteilung stimmt die SVP hingegen zu.
FDP warnt vor Mehrkosten
Die FDP unterstützt die Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege. Ein «separates Arbeitsrecht für eine bestimmte Berufsgruppe» lehnt die Partei nach eigenen Angaben aber ab. Die Pflegeinitiative solle innerhalb der bestehenden Gesetze und Verordnungen umgesetzt werden. Dabei dürften «zentralistische Vorgaben» nicht zu einer Schwächung der bewährten Sozialpartnerschaft führen. Weiter warnt die FDP vor Mehrkosten bis zu 1 Mrd. Franken.
Wenn der Bundesrat der Meinung sei, dass die Massnahmen durch Einsparungen in anderen Bereichen gegenfinanziert werden können, solle er dies anhand konkreter Beispiele aufzeigen, fordert die Partei. Angesichts der aktuellen finanziellen Situation vieler Spitäler sei diese Annahme aber fragwürdig.
Mitte für Variante zwei
Die Mitte-Partei begrüsst, dass die Vereinbarkeit des Pflegeberufs mit der Familie verbessert würde. Und mit der Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs könne auch dem Fachkräftemangel in der Branche begegnet werden, argumentiert die Partei. Im Sinne des Arbeitnehmerschutzes solle nur zu Gunsten der Pflegenden von den neuen bundesgesetzlichen Regelungen abgewichen werden können. Dies entspricht der vom Bundesrat vorgeschlagenen Variante zwei.
SP: Wenig ambitionierter Entwurf
Die SP begrüsst den Entwurf des Bundesrats. Sie nimmt ihn aber als «wenig ambitioniert» wahr, wie die Partei in ihrer Stellungnahme schreibt. Die vorgesehene Pflicht zur Verhandlung von Gesamtarbeitsverträgen jedenfalls sei für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen ein geeignetes Mittel. Damit unterstützt die SP die Variante zwei, die vorsieht, dass die Resultate von GAV-Verhandlungen die im Gesetz vorgesehenen Mindeststandards nicht unterschreiten dürfen.
Grüne und Grünliberale fordern vom Bundesrat, ein Finanzierungsmodell in die Vorlage einzubauen, bei dem die Kantone als für die Gesundheitsversorgung zuständige Staatsebene in die Pflicht zu nehmen seien. Nicht einverstanden sind die Grünen mit dem Vorschlag, auf Vorgaben für eine minimale Personalbesetzung zu verzichten. Der Bundesrat ignoriere damit ein zentrales Anliegen der Pflegeinitiative.
Spitäler: «unausgereift und systemfremd»
Der Spitaldachverband H+ lehnt den vom Bundesrat vorgeschlagenen Entwurf zur Umsetzung der zweiten Etappe der Pflegeinitiative in seiner aktuellen Form entschieden ab, wie er mitteilte. Die vorgeschlagenen Massnahmen seien «unausgereift und systemfremd». Sie schwächten die bewährte Sozialpartnerschaft und führten zu erheblichen Mehrkosten, ohne dass die Finanzierung geklärt sei. Statt «neuen zentralistischen Vorgaben» bräuchten die Spitäler eine Stärkung der unternehmerischen Freiheit durch kostendeckende Tarife, schreibt der Verband. Dann könnten die Spitäler und Kliniken in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern dem Fachpersonal attraktive Arbeitsbedingungen bieten und die Versorgungsqualität sichern. (sda)