Dossier: Ü65 - Arbeiten über das Referenzalter hinaus
AHV und BVG ermöglichen die flexible Versicherung von Erwerbseinkommen auch nach dem Referenzalter. Um Mitarbeitende zur Weiterarbeit zu motivieren, braucht es aber mehr.
55- bis 64-Jährige sind in der Schweiz gemessen an der Erwerbstätigenquote im internationalen Vergleich gut in den Arbeitsmarkt integriert. Verliert man in diesem Alter allerdings seine Stelle, gestaltet es sich oft schwierig, beruflich wieder Fuss zu fassen. Ausserdem ist die Erwerbsbeteiligung der über 65-Jährigen hierzulande im internationalen Vergleich nur durchschnittlich und stagnierte in den letzten Jahren. Dies zeigt die neuste Studie «Arbeit ohne Altersgrenzen? Personalpolitik 55+ von Unternehmen auf dem Prüfstand» der Swiss Life.
Die wenigsten Unternehmen fördern Frühpensionierungen oder erachten solche explizit als wünschenswert. Die meisten befragten Arbeitgeber sagen zwar, dass eine Weiterbeschäftigung von Mitarbeitenden im Rentenalter möglich ist. Allerdings gibt etwa die Hälfte passive Antworten, beispielsweise dass es zwar «möglich» sei, aber nicht gefördert werde. Nur 14% fördern aktiv die Erwerbstätigkeit im Rentenalter. Bei weiteren 16% wird sie zwar nicht gefördert, ist jedoch ausdrücklich erwünscht. Auf die Frage, welches Pensionierungsalter für Männer aus Sicht des Unternehmens ideal sei, geben 46% ein Alter unter 65 an. Lediglich 15% beurteilen ein Pensionierungsalter von 66 oder höher als ideal. Für Frauen finden sogar 58% der Arbeitgeber, dass das ideale Pensionierungsalter unter 65 liegt.
40% der Arbeitgeber sagen, dass sie persönlich grundsätzlich bereit wären, Personen ab 55 neu einzustellen, weitere 38% können sich dies «eher» vorstellen. Die Bereitschaft zur Neueinstellung von Personen ab 65 ist hingegen deutlich tiefer: Dies bejahen nur 16% der Arbeitgeber klar und 28% eher. Trotz der mehrheitlich geäusserten Bereitschaft, Personen ab 55 einzustellen, machen diese faktisch nur 8% aller Neueinstellungen aus – obwohl diese Altersgruppe 23% aller Erwerbstätigen ausmacht. Allerdings dürfte dieser tiefe Wert auch auf eine geringe Wechselbereitschaft der älteren Mitarbeitenden und nicht nur auf die Arbeitgeber zurückzuführen sein. Die befragten Arbeitgeber sind tendenziell der Auffassung, dass Bewerbende ab 55 Jahren mehr Erfahrung, Fachkompetenz und Zuverlässigkeit bieten als Bewerbende im Alter von 25 bis 40. Ältere Bewerbende werden jedoch auch als teurer, weniger IT-affin und weniger flexibel eingeschätzt.
Nur 29% der Arbeitgebenden stimmten der Aussage klar zu, dass die meisten Arbeitskräfte gut in der Lage wären, bis 66 oder 67 zu arbeiten – allerdings lehnen sie auch nur 23% klar ab. 70% glauben, dass die Bereitschaft der Arbeitnehmenden, über das Referenzalter hinaus zu arbeiten, niedrig sei. Insgesamt denken nur 19% der Arbeitgeber, dass sowohl die Bereitschaft als auch die Fähigkeit der Mitarbeitenden zur Weiterarbeit nach 65 hoch sind. Je stärker die befragten Arbeitgeber der Auffassung sind, dass Mitarbeitende in der Lage sind, nach 65 noch zu arbeiten, desto eher fördern sie dies und desto eher signalisieren sie auch die Bereitschaft, ältere Arbeitskräfte neu einzustellen.
Rund die Hälfte der befragten Arbeitgeber empfindet es als schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Vor dem Hintergrund der demografischen Alterung und der Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation untersuchte Swiss Life auch, ob vom Fachkräftemangel betroffene Unternehmen eine aktivere Personalpolitik 55+ betreiben als andere. «Tatsächlich fördern Arbeitgeber, die über Rekrutierungsschwierigkeiten klagen, Frühpensionierungen etwas seltener. Dieselben Unternehmen fördern jedoch das Weiterarbeiten über das Rentenalter hinaus nicht häufiger als diejenigen, die nicht oder nur moderat Mühe haben, qualifizierte Fachkräfte zu finden», sagt Nadia Myohl, Researcher Vorsorge bei Swiss Life Schweiz. Auf die Frage, welche Strategien zur Deckung des Fachkräftebedarfs verfolgt werden, nennen 22% der befragten Arbeitgeber die «Einstellung von älteren Mitarbeitenden 55+» explizit als Massnahme. Interessanterweise fördern aber nur 13% zu diesem Zweck das Arbeiten über das Rentenalter hinaus. Die Analysen von Swiss Life zeigen, dass hier beträchtliches Potenzial vorhanden wäre: Bereits heute entfällt ein gutes Fünftel des schweizweit brachliegenden Arbeitskräftepotenzials auf Personen zwischen 55 und 70.
Wie sind diese Ergebnisse einzuordnen? Die Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund der im Juni 2024 publizierten Swiss Life-Studie, in welcher die Einstellung älterer Arbeitskräfte zur Erwerbstätigkeit im Rentenalter untersucht wurde. Im Vergleich zum Herbst 2020 senden sowohl ältere Erwerbstätige als auch Arbeitgeber leicht häufiger positive bzw. proaktive Signale zugunsten einer Erwerbstätigkeit über 65 aus. Seitens der Erwerbstätigen ist die Bereitschaft zum Weiterarbeiten allerdings oft an Bedingungen wie z. B. flexiblere Arbeitszeiten geknüpft. Am liebsten würde sich immer noch eine Mehrheit vor 65 pensionieren lassen. In den meisten Unternehmen ist es zwar inzwischen möglich, im Rentenalter weiterzuarbeiten, gefördert wird dies aber noch selten aktiv. Dies erklärt vermutlich auch die gegenseitige Wahrnehmung der beiden Arbeitsmarktseiten: Arbeitnehmende spüren gemäss der Swiss Life-Umfrage eher selten ein klares Interesse der Arbeitgeber für eine Weiterarbeit nach 65, Letztere vonseiten der Arbeitnehmenden aber ebenso wenig.
AHV und BVG ermöglichen die flexible Versicherung von Erwerbseinkommen auch nach dem Referenzalter. Um Mitarbeitende zur Weiterarbeit zu motivieren, braucht es aber mehr.
Zwei Drittel der Unternehmen planen KI-Fachkräfte extern zur rekrutieren. Nur gerade ein Drittel beabsichtigt, bestehende Mitarbeitende umzuschulen. Das geht aus einer internationalen Studie von Adecco hervor. Auch der Schweizer Fachkräftemangel-Index 2023 zeigt, wie das Ungleichgewicht zwischen Bedarf und Ausbildungsbereitschaft den Kampf um Fachkräfte mit digitalen Kompetenzen verschärft.
vps.epas | Postfach | CH-6002 Luzern | Tel. +41 41 317 07 07 | info@vps.epas.ch