Flexibilität ist alles
Die Betreuung von Kindern oder Angehörigen mit der Arbeit in Einklang zu bringen ist herausfordernd. Wie eine flexible Arbeitsorganisation Erleichterung verschaffen kann, erklärt die Kommunikationsexpertin Sylvia Brüggemann.
Bei der Schwendimann AG beträgt die Wochenarbeitszeit seit dem 1. Januar 2024 für die rund 85 Angestellten nicht mehr wie bisher 42, sondern nur noch 38 Stunden pro Woche, berichtet die «Berner Zeitung». Firmenintern würden regelmässig Workshops durchgeführt und Arbeitsgruppen gebildet, mit dem Ziel, sich weiterzubilden oder Probleme aus dem Arbeitsalltag zu lösen. In einem dieser Workshops sei das Bedürfnis aufgekommen, die Umsetzbarkeit einer 38-Stunden-Woche bei gleichem Lohn im ganzen Betrieb zu prüfen, schreibt das Unternehmen in einem Beitrag in den sozialen Medien vor einigen Tagen.
Hintergrund dafür sind gleich mehrere Aspekte, wie der 32-jährige Geschäftsführer Demian Schwendimann der «Berner Zeitung» am Telefon sagt. «Bei der Abfallentsorgung sind wir durch einige Effizientsteigerungsmassnahmen in den letzten Jahren schneller geworden, und da die Touren fix sind und nicht verlängert werden können, führt dies dazu, dass die Angestellten heute hier eher unter ihrer wöchentlichen Arbeitszeit bleiben.» Was zu Minusstunden führe, gerade in der Winterzeit, wo es beispielsweise weniger Grünabfälle gebe.
Dies habe zu einem unguten Gefühl bei diesen Angestellten geführt. Es sei also auch darum gegangen, eine ausgeglichenere Arbeitszeit zwischen den einzelnen Bereichen zu finden. Gleichzeitig sei insgesamt vermehrt das Bedürfnis aufgekommen, über mehr Freizeit zu verfügen, und man wolle auch generell auf dem Arbeitsmarkt für die junge Generation attraktiv bleiben.
In einer Art Testlauf hätten deshalb während dreier Monate auch die Angestellten der Werkhöfe nur 38 Stunden gearbeitet. Und dies ohne Effizienzeinbussen. «Was wir vielmehr merkten, war, dass diese selbstständig diverse Vorschläge einbrachten und umsetzen, wie sie ihre Arbeit in weniger Zeit effizienter erledigen könnten», und genau dies wünsche man sich im Unternehmen ja, sagt Schwendimann.
Es sei eine falsche Vorstellung, dass die Stundenzahl etwas über die Produktivität der Angestellten aussage, sagt die HR-Managerin Linda Jardaneh, Vorstandsmitglied im Verband HR Swiss und selbstständige Beraterin von KMU. «Vielmehr kann mit tieferer Stundenzahl die Produktivität steigen, weil die Angestellten zufriedener und ausgeglichener sind.» Sie könne deshalb nur an alle KMU-Verantwortlichen appellieren, bei der Arbeitszeitgestaltung kreativ zu werden. «Es gibt nicht die eine Lösung.»
Am besten sei es, wie beim Beispiel der Schwendimann AG, mit den Angestellten gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln und diese dann zu testen. Leider sei die Offenheit in der Schweiz dafür noch relativ klein. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, wo Arbeitnehmende auch über das Pensionierungsalter hinaus beschäftigt werden sollen, sei aber beispielsweise eine tiefere Arbeitszeit eine gute Möglichkeit, deren Bereitschaft dazu zu erhöhen, findet Linda Jardaneh. «Denn dann sagen sie mit 65 nicht, jetzt muss ich alles nachholen, sondern konnten schon zuvor einen guten Ausgleich von Arbeitsleben und Freizeit erreichen.»
Bei der Schwendimann AG in Münchenbuchsee soll die 38-Stunden-Woche zu vollem Lohn nun vorerst als Pilotprojekt für ein Jahr eingeführt werden. «Klar, wenn die Qualität rapide abnimmt, müssen wir das Experiment natürlich abbrechen», sagt Demian Schwendimann. Bisher deute aber alles darauf hin, dass es nicht so weit komme.
vps.epas | Postfach | CH-6002 Luzern | Tel. +41 41 317 07 07 | info@vps.epas.ch