Bundesrat will gleiche Arbeitsrechte für Menschen mit Behinderungen

Montag, 13. März 2023
Menschen mit Behinderungen sollen im Arbeitsleben besser vor Diskriminierungen geschützt werden sowie erleichterten Zugang zu Dienstleistungen haben. Der Bundesrat will Arbeitgebende und Private in die Pflicht nehmen, um dort eine Gleichstellung zu erreichen.

Menschen mit Behinderungen seien in ihrem Alltag nach wie vor benachteiligt, teilte der Bundesrat mit. Sie stiessen etwa auf Vorurteile im Bewerbungsverfahren oder auf Arbeitsinstrumente, die nicht barrierefrei seien. Zudem seien viele Beratungsangebote, etwa in der Gesundheitsversorgung, für sie nur eingeschränkt zugänglich.

Arbeitgebende verpflichtet Massnahmen zu treffen

«Wir müssen die Gesetze verändern, um die Situation zu verbessern. Freiwilligkeit reicht nicht», sagte Bundespräsident Alain Berset vor den Medien. Der Bundesrat will deshalb Arbeitgebende dazu verpflichten, «zumutbare» Massnahmen zu treffen, damit Mitarbeitende mit Behinderungen gleichgestellt einer Arbeit nachgehen können. Sie sollen im Arbeitsleben «explizit» vor Diskriminierung geschützt werden.

Ebenso sollen Private dafür sorgen, dass für die Öffentlichkeit bestimmte Dienstleistungen «ohne erschwerende Bedingungen» genutzt werden können. Dazu gehören im weitesten Sinne auch Besuche beim Coiffeur oder bei der Metzgerin.

Anerkennung von Gebärdensprachen

Einen Fokus will der Bundesrat bei der Gleichstellung gehörloser Personen setzen. Er will beispielsweise die drei Schweizer Gebärdensprachen anerkennen. Damit erfüllt er eine Forderung des Parlaments.

Selbstbestimmtes Wohnen fördern

Neben der Arbeit und den Dienstleistungen will der Bundesrat die Gleichstellung auch bei der Partizipation und beim Wohnen verbessern. Menschen mit Behinderungen hätten Schwierigkeiten, die Wohnform und den Wohnort frei zu wählen, schrieb der Bundesrat. Eingeschränkt seien sie vielfach durch den Zugang zum Wohnraum - etwa, weil dieser zu teuer sei oder Einrichtungen nicht den benötigten Anforderungen entsprächen. Deshalb soll geprüft werden, wie das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit Behinderungen verbessert werden kann. In der Schweiz leben laut Bundesrat rund 150000 Menschen mit Behinderungen in Wohn- oder Altersheimen. Die Regierung will weiter prüfen, wie die aktive Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben gefördert werden kann.

Ambitionierter Zeitplan

Der Bundesrat hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) mit einer entsprechenden Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) beauftragt. Die Vernehmlassungsvorlage soll bis Ende Jahr vorliegen, im Sommer darauf bereits eine Botschaft ans Parlament. «Wir sind uns bewusst, dass dies ein ambitionierter Zeitplan ist», sagte Berset. Der Bundesrat wolle mit diesem Entscheid eine Debatte lancieren, wie Menschen mit Behinderungen in der Schweiz gleichgestellt werden können - und zwar möglichst rasch.

1.8 Millionen Menschen mit Behinderungen

Die Zahl der in der Schweiz lebenden Menschen mit Behinderungen wird auf 1.8 Millionen geschätzt. «Das ist ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung», sagte Berset. Miteinberechnet sind Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sowie ältere Menschen mit Beeinträchtigungen. Von den 1.8 Millionen gelten rund 590000 als Menschen mit starker Beeinträchtigung.

Gleichstellung geht nur zäh voran

Der Dachverband Inclusion Handicap bezeichnete die Massnahmen des Bundesrats als «ein erfreulicher Teilerfolg». Es sei eine wichtige Reaktion auf einige drängende Probleme bei der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Es brauche jedoch noch weitere Massnahmen. Die Umsetzung der Gleichstellung in der Schweiz sei insgesamt eine «zähe Angelegenheit».

Der Schweizerische Gehörlosenbund kritisierte, dass der Bundesrat die Anerkennung der Gehörlosensprachen im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes regeln will. Die Organisation fordert ein eigenes Gebärdensprachengesetz. Denn Gehörlosigkeit dürfe nicht ausschliesslich als Behinderung verstanden werden. Die Gehörlosengemeinschaft in der Schweiz sei eine sprachliche und kulturelle Minderheit. (sda)

Mitteilung des Bundesrats
Mitteilung von Inclusion Handicap
Mitteilung des Schweizerischen Gehörlosenbunds

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