Chancen und Risiken von KI für unterschiedliche Berufe

Mittwoch, 04. September 2024
Der Think Tank Avenir Suisse hat die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt in einer Modellanalyse untersucht. Demnach dürften Führungskräfte profitieren, Bürokräfte konkurrenziert und Coiffeure kaum tangiert werden.

Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Arbeitswelt stark zu verändern. Fallstudien zeigen, dass KI-Anwendungen die Produktivität in Berufen wie dem Kundendienst und der Unternehmensberatung erheblich steigern können. Noch sei aber unklar, ob sich die in den Fallstudien beobachtete Produktivitätssteigerung auf andere Bereiche übertragen lässt. Um Aussagen auch für andere Berufsgruppen zu machen, haben Wirtschaftswissenschafter nun Modelle entwickelt, die laut Avenir Suisse eine systematische Analyse erlauben.

Zwei Dimensionen: Betroffenheit und Komplementarität

In einem ersten Schritt der Analyse wurden die grundlegenden Fähigkeiten bestimmt, die heute zur Ausübung der gängigen Berufe notwendig sind. In einem zweiten Schritt liess sich schätzen, inwiefern diese Bündel an Fähigkeiten einem Substitutionsrisiko ausgesetzt sind, oder ob sie eher von den KI-Anwendungen ergänzt werden. Mit diesem Ansatz wird der Einfluss der KI-Anwendungen auf die Berufe gemessen. Dabei werden die zwei Dimensionen Betroffenheit und Komplementarität unterschieden.

  • Betroffenheit: Wie stark ist ein Beruf potenziell von KI betroffen, d.h. wie umfassend werden die dafür notwendigen Fähigkeiten von KI tangiert? Je höher der damit verbundene Exposure-Score, desto grösser ist die attestierte Wirkung von KI auf den jeweiligen Beruf.
  • Komplementarität: Werden substitutive oder komplementäre Effekte von KI erwartet, d.h. werden die Erwerbstätigen in einem Beruf bei ihren Arbeitsinhalten durch KI eher unterstützt oder konkurrenziert? Je höher der Komplementarität-Score, umso eher könnte sich KI unterstützend auf den Beruf auswirken.

Profitierende, begünstigte und wenig tangierte Berufe

Anhand der Exposure- und Komplementarität-Scores lassen sich vier «KI-Quadranten» bilden, in denen die Berufe verortet werden können:

  • Profitierende Berufe (1. Quadrant): Erwerbstätige in diesem Quadranten profitieren von Produktivitätsvorteilen. Richter und Anwälte verzeichnen überdurchschnittliche Exposure- und Komplementarität-Scores.
  • Begünstigte Berufe (2. Quadrant): Polizisten haben einen unterdurchschnittlichen Exposure-Score, so dass ihre Fähigkeiten weniger von KI tangiert werden. Gleichzeitig ist ihr Komplementarität-Score überdurchschnittlich, wodurch sich KI durchaus unterstützend auf ihre Arbeit auswirken kann.
  • Wenig tangierte Berufe (3. Quadrant): Coiffeurs sind relativ betrachtet wenig von KI betroffen. Sie weisen unterdurchschnittliche Exposure- und Komplementarität-Scores auf. Folglich treten sie nicht in einen direkten Wettbewerb mit der KI, können diese aber auch nicht zum eigenen Vorteil nutzen.
  • Gefährdete Berufe (4. Quadrant): Call-Center Mitarbeiter sind in ihren Fähigkeiten stärker von KI-Anwendungen tangiert, können bei ihrer Arbeit allerdings nur einen geringen Nutzen aus KI ziehen. Es ist denkbar, dass KI die Erwerbstätigen in dieser Gruppe direkt konkurrenziert.

Weitere Faktoren wie Bildungsniveau, Alter und Geschlecht

Der Nutzen von KI steige mit der Höhe des Bildungsabschlusses, erklären die Autoren. 68% der Personen mit einem Hochschulabschluss gehörten zu den Profitierenden oder Begünstigten. Der Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und «KI-Vorteil» sei allerdings nicht linear: Einerseits finden sich auch Geringqualifizierte, die von KI profitieren. Anderseits bietet ein hoher formeller Bildungsabschluss allein keinen vollkommenen Schutz vor der (potenziellen) Konkurrenz durch KI: Jeder Vierte Erwerbstätige mit Hochschulabschluss und fast jeder Dritte mit einer abgeschlossenen höheren Berufsbildung wird tendenziell durch KI konkurrenziert.

Während der erreichte Bildungsabschluss für das KI-Nutzungspotenzial durchaus eine Rolle spiele, scheine das Alter von geringerer Relevanz zu sein. Die älteren Erwerbstätigen zwischen 55 und 64 Jahren würden sich bezüglich KI-Einfluss nicht grundlegend von ihren jüngeren Kolleginnen und Kollegen unterscheiden. Entscheidender als das Alter sei das Geschlecht: Frauen sind in personenbezogenen Dienstleistungstätigkeiten ebenso in der Überzahl wie in Büro- und Sekretariatsberufen.

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