
Kompetenzen im Zeitalter von KI
Mit der wachsenden Verbreitung von KI wandelt sich die Arbeitswelt – welche Kompetenzen sind jetzt entscheidend?
Ich denke, wir diskutieren seit etwa 2010 unter wechselnden Schlagworten über dieselben Fragen der digitalen Transformation. Manchmal fühle ich mich dabei in einer Endlosschlaufe gefangen: Werden uns die Maschinen die Jobs wegnehmen? Welches sind die entscheidenden Fähigkeiten? Wie gelingt ein guter Ausgleich zwischen digitalem und analogem Leben? Wie gestalten wir inspirierende Unternehmenskulturen? Generative KI wie ChatGPT reiht sich in eine lange Kette von digitalen Hypes ein, die Technologie-Unternehmen und Beratende in den Markt drücken. Zuletzt waren es Blockchain und das Metaversum. In den nächsten Jahren dürften sich zur Künstlichen Intelligenz noch die humanoiden Roboter gesellen. Diese Hypezyklen werden weitergehen, und es ist eine zentrale Aufgabe des Managements, Hype von tatsächlich relevanter Veränderung zu unterscheiden.
In Zukunft wird in jeder Technologie irgendeine Form von KI eingebaut sein. Entscheidend ist die Frage, ob ein Tool einen Mehrwert gegenüber menschlicher Arbeit bringt – sei es, weil sie etwas schneller oder günstiger oder besser macht. Interessante Einsatzgebiete eröffnen sich sicherlich beim Wissensmanagement und könnten auch im Bereich des Lernens entstehen. Hier gibt es etwa das Versprechen, dass wir künftig alle einen Lernbot an unserer Seite haben, der unsere Wissenslücken erkennt und uns zum Beispiel Bücher und Weiterbildungen empfiehlt.
Auf der individuellen Ebene eröffnet KI ohne Zweifel Möglichkeiten, Arbeiten abzukürzen, etwa eine Übersetzung oder eine Recherche. Aus einer Organisationsperspektive bin ich skeptisch. Einerseits weil KI mit sehr viel Regulierungsbedarf und ethischem Diskussionsbedarf einhergeht – gerade, was die Trainingsdaten betrifft. Anderseits, weil sich die Frage stellt, was mit der Zeit passiert, die man durch generative KI gewinnt. Ich bedaure, dass generative KI stark aus einer Effizienzperspektive diskutiert wird. Interessanter wäre die Frage, wie wir KI nutzen können, um mehr aus unseren menschlichen Fähigkeiten zu machen. Es wäre schade, wenn KI in der Arbeitswelt vermehrt zu oberflächlichen und schlecht durchdachten Lösungen führen würde.
Ich bin überzeugt, dass es für Unternehmen heute tatsächlich darum geht, verschiedene Formen von Intelligenz zu nutzen und miteinander zu kombinieren. Neben menschlicher Intelligenz stehen nun die Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz sowie der Roboter zur Verfügung, die wiederum immer humanoider werden. Ob «Hybride Intelligenz» der richtige Begriff ist, weiss ich nicht. Im Management gilt es aber, diese Fähigkeiten – beziehungsweise die jeweiligen Vorzüge – gleichzeitig zu betrachten und entsprechende Investitionen zu tätigen. Das verlangt unter anderem eine fortlaufende strategische Personalplanung, bei der man prüft, welche Technologien und anderen Trends sich wie auf ein Unternehmen und seine Fähigkeiten auswirken.
Generative KI kann ein Hilfsmittel sein – zum Beispiel, um ein Inventar der Fähigkeiten zu erstellen und diese mit Zukunftstrends abzugleichen. Sie ist aber nur eine Form der Intelligenz, die HR zur Verfügung steht. Sprich: Die Fragen an die Zukunft und die Bewertung der Ergebnisse, die KI liefert, verlangen wiederum viel menschliche Kompetenz. Natürlich ist «Humankapital» ein technischer Begriff, und manche mögen ihn negativ auffassen. Aber letztlich kommt es darauf an, wie eine Organisation – und ganz wesentlich ihre Führungskräfte – im Alltag mit ihren Mitarbeitenden und Kollegen umgeht. HR leistet dann einen Beitrag zur erfolgreichen Organisation, wenn es gelingt, die Bedürfnisse von Kunden, Mitarbeitenden und Unternehmen in Einklang zu bringen.
Kundenorientierung wird heute im HR viel selbstverständlicher gelebt als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Einerseits wurden viele Initiativen ergriffen, um ganze Unternehmen durch Personal- und Organisationsentwicklung kundenaffiner zu machen. Anderseits betrachtet ein vorbildliches HR seine Mitarbeitenden als Kunden. Man ist sich bewusst, dass die eigenen Leistungen heute vermarktet werden müssen und man sich geschickt in der Organisation positionieren muss, damit man Aufmerksamkeit und Geld für die eigenen Projekte erhält. Vielerorts entstehen neue Produkte für die Linie in Co-Creation-Prozessen von HR, Management und Mitarbeitenden.
KI kann ein Hilfsmittel sein, um das Wissen einer Organisation verfügbar zu machen und Wissenssilos aufzubrechen. KI denkt ja nicht in Organisationsstrukturen, sondern entlang der Fragen, die man ihr stellt. Soll KI zu einem spannenden Hilfsmittel im Wissensmanagement werden, braucht es aber eine gute Datengrundlage und letztlich eine stärker schriftzentrierte Organisation. Ohne den Willen, KI mit eigenen Daten zu füttern und dafür auch das Archiv des Unternehmens hinzuzuziehen, bleibt sie zu generisch. Zudem hat der Aufbruch von Wissenssilos immer eine starke kulturelle Komponente und wirft einige Fragen auf: Gilt Wissen als Macht oder als Rohstoff, den man gemeinsam teilt und weiterentwickelt? Wie offen wird Wissen auf digitalen Plattformen geteilt, welche Daten und Dokumente sind für wen einsehbar?
Nein, es ist natürlich nicht zu spät, um zu prüfen, welche Daten wie wertvoll sind und wie man diese in KI übersetzen kann. Fatalismus wäre hier sogar gefährlich. Allerdings ist es tatsächlich so, dass nur wenige Unternehmen mit riesigen Marktanteilen in den digitalen Infrastrukturen die Schnittstellen zu den Kundinnen und Kunden belegen. Dazu zählen etwa Meta mit den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram, Google mit den Suchmaschinen oder Microsoft mit der Office-Software. In dem erwähnten Beitrag wollte ich zum Ausdruck bringen, dass mich der aktuelle KI-Hype insofern langweilt, als die verführerischen Narrative mit teilweise naiver Vergötterung relevante Aspekte ausblenden. Der Plattformkapitalismus mit seiner Tech-Oligarchie tangiert gesellschaftspolitische Fragen wie das Steuersystem oder die Frage, was Europa tun muss, um in Zukunftsbranchen ein globaler Player zu werden.
Es gibt drei Punkte, die problematisch sind, wenn gleichzeitig zum technologischen Fortschritt die Investitionen in die Gesellschaft ausbleiben. Erstens die Ökologie. Technologien haben immer ökologische Folgen – im Fall der KI zum Beispiel ein hoher Energie- und Wasserverbrauch. Zweitens wirken sich insbesondere die sozialen Medien negativ auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politische Diskurskultur aus. Der Aufstieg der Rechtspopulisten macht mir grosse Sorgen und ist nicht gerade förderlich, wenn wir an Punkt 1 aber auch an den Rückstand Europas in Schlüsseltechnologien denken. Drittens sehen wir insbesondere in den USA bedrohliche Machtstrukturen im Sinne einer Tech-Oligarchie entstehen. Aufgeschobene Massnahmen, um den Klimawandel zu dämpfen, Populismus und eine Oligarchie, welche die digitale Infrastruktur besitzt und deren Entwicklung steuert – das ist ein etwas giftiger Cocktail.
Im April erscheint der zweite Band von Joël Luc Cachelins «Update»-Serie im Stämpfli-Verlag, die sich im Kontext der digitalen Transformation mit sozialen Innovationen beschäftigt. Das neue Buch widmet sich in kompakter Form der Frage, wie generative KI gesellschaftlichen Wandel anstossen kann und welche Investitionen in eine neue Art der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens unverzichtbar sind, damit alle davon profitieren. Der erste Band erschien 2016 und thematisierte Reformideen für eine digitale Gesellschaft im Bereich von Sozialversicherungen, Bildung, Verwaltung und Infrastruktur.
Im Bereich Verwaltung und Sozialversicherungen hat sich seit dem Update_16 zwar einiges getan, aber ein Self-Service-Portal für die Sozialversicherung sehe ich leider immer noch nicht. Im digitalen Gesundheitswesen sind wir Jahre, wenn nicht Jahrzehnte im Rückstand gegenüber digitalaffineren Ländern. Update_25 dreht sich nun um die Frage, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit wir als gesellschaftliches Kollektiv von KI profitieren. Oder anders gefragt: Wie wird KI zu einer Art trojanischem Pferd, mit dem wir unter dem Deckmantel der KI in gesellschaftspolitisch wirksame Innovationen investieren können? Eine zentrale Frage für mich ist, wie Europa den Energie-, aber auch den Ideenbedarf der KI langfristig sicherstellen kann. Meine Antworten führen zum Beispiel über die Stärkung der Solarenergie oder den Bau von lebendigen, kreativitätsfördernden Städten.
KI verbraucht enorm viele Ressourcen. Zum einen sehr viel Energie, damit sie trainiert und funktioniert. Zudem setzt sie immer neue menschliche Ideen voraus. Sie wird dümmer, wenn die Frischdatenzufuhr ausbleibt. Synthetischen Daten, also von KI selbst generierten Daten, fehlt das Emotionale und Zufällige. In einem Szenario einer verdummten KI zitiert KI nur noch KI und wiederholt dadurch auch alte Wissensstände inklusive alter Vorurteile. Insofern könnte der Hype um KI ins Wanken geraten, weil sie mental erkrankt, stiehlt, halluziniert und vergisst, was wir ihr mühsam beigebracht haben.
Wer kritisch hinschaut, erkennt schon heute einige Risse, die den Hype der KI begleiten. Der Hype könnte zusammenbrechen, weil Kultur und Politik nicht mehr fähig sind, eine Gesellschaft zu ordnen, wenn die Menschen Lügen und Fälschungen nicht mehr erkennen. KI könnte auch durch einen Vertrauensentzug der Nutzenden unter Druck kommen, weil sie nicht sicher sind, in welche Hände ihre Daten gelangen und welcher Missbrauch damit betrieben wird. In diesem Fall lernt KI nicht mehr dazu, Investitionen würden sich nicht mehr lohnen und die Spekulationsblase zum Platzen bringen. Der Hype könnte auch wegen unterbrochener Lieferketten infolge geopolitischer Konflikte ins Stocken geraten oder durch eine Revolte jener enden, die sich durch KI benachteiligt fühlen, ihre Dateneigner vor Gericht ziehen oder im Extremfall Datencenter sprengen und KI sabotieren.
Erstens Narrative der Zukunft entwickeln, also positive Szenarien definieren, wie KI oder andere neue Technologien das Zusammenleben und -arbeiten verbessern. Zweitens technologische Trends mit anderen ökologischen, sozialen und demografischen Trends kombinieren, etwa mit der Alterung. Drittens neue Technologien ausprobieren und diskutieren und so prüfen, was einem nützen könnte. Viertens Menschlichkeit nicht vergessen. Wir sind alles verletzliche Wesen und sollten uns als solche gegenseitig respektieren. Es ist wichtig, nicht nur die digitale Brille aufzusetzen, wenn wir an die Zukunft denken. Je mehr Zukünfte man bearbeitet, desto vielfältiger ist das Jobangebot, desto mehr Menschen kann man mit ihren Interessen abholen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der alle Jobs anständig bezahlt sind und ein Leben ohne Armut ermöglichen. Ich denke an die Vermittlung von digitalen Kompetenzen, aber auch an die Notwendigkeit, als Gesellschaft ein Mindestmass an Offline-Infrastruktur aufrechtzuerhalten.
In der Diskussion der digitalen Transformation ist und war die Gestaltung des Analogen immer ein wichtiger Aspekt. Etwa die Ausgestaltung der Räume: Wie sehen Büros aus, die inspirieren und das Diskutieren fördern? In diesem Sinne verweist New Work immer dringender auf die Frage, was Arbeitssettings an Mehrwerten gegenüber dem Homeoffice bieten müssen. Welche Räumlichkeiten, aber auch welche Dienstleistungen sind nötig? Welche Fitness-, Gastro-, Wellness- und medizinischen Angebote sind entscheidend, damit die Mitarbeitenden das Pendeln auf sich nehmen? Mittelfristig scheint es mir deshalb zentral, Büro- und auch Stadtentwicklung zusammen zu denken. Wichtig sind auch Initiativen für einen bewussten Umgang mit digitalen Hilfsmitteln. Das führt zum einen über die Schulung der Nutzungskompetenz. Zum anderen sind die Diskussionen wichtig, wie man neue Technologien nutzen will. Zum Beispiel: Wie halten wir es als Team mit der Erreichbarkeit am Abend und am Wochenende? Sollten wir in kreativen Sitzungen nicht Laptops und Handys aussperren?
Meine persönliche digitale Achtsamkeit ist sicherlich nicht top. Zum Beispiel mache ich keinen guten «digitalen Sonnenuntergang». Was ich aber gut mache, sind regelmässige Bildschirmpausen. Meine Katzen und Hühner helfen mir dabei, immer wieder mal offline zu gehen.
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Praxisbeispiele aus dem Kundenservice zum Einsatz von KI in verschiedenen Rollen als Assistent, Koordinator, Experte und Coach.
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