Die Situation ist günstig, um Weichen zu stellen

Mittwoch, 06. Juli 2022 - Claudio Zemp
Die HR-Arbeit hat sich nach Corona verändert. Der Lockdown hat dem Remote Working auf breiter Front zum Durchbruch verholfen. Aber was passiert jetzt? Wie hat die Krise und deren Bewältigung die Menschen verändert? Und ist New Work schon wieder vorbei?
Barbara Aeschlimann, man sagt leichthin, dass jede Krise ihr Gutes habe. Was hat Covid dem HR gezeigt?

Auf einen Schlag haben alle gesehen, dass Technik eben doch nützt. Alle haben gemerkt, dass es geht. Dass technische Unterstützung helfen kann. Gerade im Bereich Talent-Akquisition hat die Automatisierung dadurch nochmal einen Schub genommen. Etwa durch Bewerbungsvideos. Ich glaube übrigens, dass das noch nicht alles war. Das Thema Automatisierung wird sich weiter verstärken.

Wieso ist dies so und wie stellen Sie sich das vor?

Bisher ist noch nicht so viel passiert. Vielleicht, weil seit den 90er Jahren der Druck zu wenig hoch war. Bisher war der Return on Investment noch nicht da oder er wurde noch nicht erkannt. Viele Unternehmen behalten nun das Homeoffice bei; man wird im Remote Setting weiterarbeiten. Das setzt den Fokus auf den Menschen. Wenn man das Visavis nur auf dem Bildschirm sieht und hört, stellt sich die Frage, wie man es trotzdem spürt.

Was hat Corona verändert?

Durch die Krise wurden neue Parameter gesetzt. Nun müssen sich Unternehmen und Mitarbeitende in diesem Kontext neu definieren. Die Situation hat Unternehmen dazu gezwungen, sich strategisch zu hinterfragen und sich extrem gut zu überlegen, was sie wie machen sollen.

Sind die Schlagworte «Kulturwandel» und «New Work» schon wieder überholt?

Es gibt sie schon noch. Man muss ja diese Begriffe immer selber mit Inhalt füllen und darf sie nicht als Worthülse vor sich hinschieben. Insofern wird Kultur auch als Thema bleiben; die Besinnung auf gewisse Werte ist eine Konstante und Kultur wird nach wie vor sehr im Fokus stehen. Die Karrieremodelle, die mit New Work kamen, sind nicht verschwunden. Die digitalen Nomaden zum Beispiel gab es auch schon vor der Pandemieerfahrung. Das Arbeiten in Portfolios wird weitergehen. Dies ist notabene ja auch nicht immer freiwillig. Man hat unterschiedliche Aufgaben, arbeitet projektbasiert, nicht immer am gleichen Ort. Portfolio-Worker haben verschiedene Kunden, für die sie arbeiten, und sie sind als Einzel-AG in Eigenregie unterwegs. So dreht sich New Work weiter.

Geht es nun zurück zu den Basics? Müssen HR-Leute sich auf das Operative fokussieren?

Die Erkenntnis wächst langsam, dass ein gut organisiertes Unternehmen extrem viel von dem Stress rausnehmen kann, der auf den Leuten an den Schnittstellen lastet. In dem Sinn geht es zurück zu einer möglichst gut definierten und einfachen Organisation, in der ganz klar ist, wo die Aufgaben,
Kompetenzen und Verantwortung liegen. Diese Erkenntnis wächst! Auch die Forschung zeigt, dass die Organisationsentwicklung wieder stärker in den Fokus rückt.

Wird mehr ausgelagert?

Man kann das nicht pauschal beantworten. Es ist eine Philosophiefrage und es gibt mehrere Wege. Der Einkauf von Dienstleistungen ist heute attraktiver geworden. Nach wie vor gibt es auch die andere Philosophie: Unternehmen, die das Personalmanagement als eine umfassende Aufgabe betrachten, die die Kernwerte des Unternehmens betrifft und die deshalb umfassend inhouse zu erledigen ist.

Gibt es eine persönliche Lektion, die Covid Sie gelehrt hat?

Rundum veränderte sich so viel und Corona brachte ganz viel Ungemach. Alle wurden durchgeschüttelt, mussten Neues ausprobieren. Jetzt ist die Situation gut und günstig, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Es ist eine Chance! Aber die Unternehmen sollten diese Chance nun nutzen.

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