KMU im Wettbewerb
Im Fazit kann man dies als Aufruf für Unternehmen verstehen, ihre Werte, die häufig implizit vorhanden sind, aber wenig explizit kommuniziert werden, bewusst im Recruiting einzusetzen, denn «als KMU kann man mit extrinsischen Anreizen kaum in den Wettbewerb mit Konzernen treten – bis auf wenige Ausnahmen. Also werden die intrinsischen Faktoren wichtig. Natürlich verdient man auch im KMU gut und fair. Auch als KMU muss man hinsichtlich der Löhne wettbewerbsfähig bleiben» stellt Gutknecht klar.
Wettbewerbsfähigkeit auf medialer Ebene ist ebenfalls ein Muss. «Die Webpräsenz muss modern sein, Social-Media-Kanäle müssen bespielt werden, denn auch KMU müssen sich medial dort bewegen, wo sich Nachwuchstalente aufhalten. Empfehlenswert ist, dass dort junge Mitarbeitende kommunizieren, wo junge Zielgruppen erreicht werden sollen», führt Bigler aus. Er empfiehlt zudem die Zusammenarbeit mit Hochschulen, wo man über Aus- und Weiterbildungen in Kontakt mit Nachwuchstalenten kommen kann. So könne man beispielsweise Dozenten oder Prüfungsexpertinnen entsenden. Darüber hinaus seien gezielte Werbekampagnen für Jobeinsteiger für die Bekanntheit der Arbeitgebermarke wichtig.
«KMU ist nicht gleich KMU. Manche Unternehmen sind stärker auf Innovation angewiesen als andere. Wichtig ist eine klare Positionierung mit einer klaren Value Proposition, damit potenzielle Bewerberinnen und Bewerber wissen, womit sie es zu tun haben», mahnt Gutknecht an und kommt auf die Rolle sozialer Medien zu sprechen: «Soziale Medien sind ein sehr wichtiger Faktor im Employer Branding, aber man muss sich abhängig vom Recruiting-Ziel ganz genau überlegen, wie man welche Plattformen einsetzt. Man braucht ein superstrategisches, fokussiertes Vorgehen. Und wieder komme ich auf die Value Proposition des Unternehmens als Arbeitgeber zu sprechen: Man braucht Klarheit darüber, was man warum anbietet, um zielorientiert mit nachhaltigem Erfolg agieren zu können. Wichtig ist es, intrinsische Motivationen anzusprechen, die Gestaltungsspielräume und Mitwirkungsmöglichkeiten darzustellen.» Er schliesst mit einer Mahnung: «Die ersten Markenbotschafter sind die Angestellten, die die Führungs- und Organisationskultur
widerspiegeln und die Realität des Unternehmens verkörpern. Die schönsten Aktivitäten in den sozialen Medien bringen wenig, wenn diese Realität dann eine andere ist. Man kann ein noch so gutes Employer Branding betreiben: Wenn man ein A-Team verspricht, muss ein A-Team vor Ort sein.»
Wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen
Ganz allgemein sei es mit Blick auf Nachwuchstalente auch wichtig, moderne Arbeitsbedingungen zu bieten. Bigler regt an, sich beispielsweise mit anderen KMU zusammenzuschliessen, um Austauschprogramme für Mitarbeitende zu organisieren. So könne man eine Vielfalt bieten, die sonst grösseren Unternehmen vorbehalten sei. Auch flexible
Arbeitszeit- und -ort-Lösungen zur Förderung der Life-Work-Balance seien heute State of the art – dabei ginge es nicht nur um die Möglichkeit zum Homeoffice, sondern auch um Konzepte wie Teilzeit oder Workations.
«In meiner Rekrutierungspraxis begegnet mir immer wieder die Vorstellung, dass Homeoffice bereits ausreicht, wenn es um flexible Arbeitsbedingungen geht. Der Komplex ist allerdings grösser.» Bigler misst dem Stichwort New Work und damit verbunden einer Führungskultur, die auf Vertrauen basiert, hohe Relevanz bei.
Weiterbildung und Entwicklungsmöglichkeiten
Ganz wichtig sei es, so Gutknecht, dass man Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeige, egal in welchem Umfeld das Unternehmen agiert. Hier liege häufig eine Motivation, sich lieber bei grossen Unternehmen zu bewerben. Auch als kleineres KMU sollte man versuchen, seine Möglichkeiten aufzuzeigen und diese dann auch zu leben.
Emotionen zeigen, Engagement darstellen
Unternehmen stellten auf ihren Websites zwar häufig Produkte und Unternehmensinformationen dar, aber sie zeigten nicht, wer dahinterstehe, kritisiert
Bigler häufiger beobachtete Schwachpunkte der Unternehmenspräsentation. «Menschen arbeiten schliesslich für Menschen, und es ist immer empfehlenswert, das Team zu zeigen,
Testimonials und Videos online zu präsentieren. Viele Unternehmen sind neben ihrem angestammten Geschäft häufig anderweitig aktiv: Sie unterstützen Vereine, beteiligen sich an Veranstaltungen am Standort oder unterstützen ihre Mitarbeitenden in besonderer Weise – sie reden aber nicht darüber. Soziales Engagement, Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen sind für potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten immer ein Plus.»
Dabei sei ein altmodischer Auftritt ebenso schwierig, wie zu hip zu sein, gibt Gutknecht zu bedenken. «Zu hip wirkt manchmal auch einfach nicht authentisch. Es gibt einen schmalen Grat zwischen unglaubwürdig und interessant.»
Fazit: Empfehlungen
Gefragt nach ihren wichtigsten Handlungsempfehlungen für die Entwicklung einer Arbeitgebermarke, die sie KMU auf den Weg geben würden, hat Simon Gutknecht eine ganz einfache, aber eindringliche Antwort parat: «Es tun!» Und Vital Bigler ergänzt: «Arbeitgebermarke ist Chefsache. Employer Branding muss nicht immer der Chef machen, aber die Geschäftsleitung muss voll und ganz dahinterstehen. Es muss auch nicht immer mit Kosten verbunden sein, aber es geht darum, dem Thema Aufmerksamkeit und Priorität zu geben.»
Take Aways
- KMU bieten intrinsisch motivierten Menschen viele Vorteile gegenüber Konzernen, zum Beispiel flache Hierarchien, bereichsübergreifende Arbeitsweisen, familiäre Unternehmenskultur und häufig stabilere Arbeitsumfelder.
- Mittelständische Unternehmen sollten ihre Employer Value Proposition (EVP) sehr klar darstellen.
- Die Hervorhebung von Projekten und Engagements für Gesellschaft und Umwelt kann die EVP unterstützen.
- Menschen arbeiten mit Menschen: Webpräsenzen sollten sich nicht auf technische Inhalte konzentrieren, sondern auch die Menschen im Unternehmen zeigen. Aktivitäten in sozialen Medien können einen emotionsstarken Auftritt unterstützen.
- Flexible Arbeitsbedingungen und andere New-Work-Aspekte wie moderne Führung sind im Wettbewerb um gute Mitarbeitende auch für KMU unabdingbar.
- Berufliche Entwicklungsmöglichkeiten sind häufige Gründe für die Jobsuche in grösseren Unternehmen. Kleinere Unternehmen sollten versuchen, Möglichkeiten aufzuzeigen.