Fachkräftemangel: Arbeitgeberverband lanciert Massnahmenkatalog

Dienstag, 25. April 2023
Der Schweizerische Arbeitgeberverband stellt acht konkrete Massnahmen gegen den Fachkräftemangel vor. Mit einer Erhöhung des Arbeitsvolumens, zusätzlichen Anreizen für eine höhere Erwerbstätigkeit und einer Steuerung der Bildung könnten zehntausende Stellen mit inländischem Fachpersonal besetzt werden.

Der Fachkräftemangel hat sich laut Mitteilung des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV) zum grössten Bremsklotz für die Schweizer Wirtschaft entwickelt. Aktuell blieben rund 120000 Stellen unbesetzt. Diese Entwicklung werde sich noch verschärfen: Eine Million Babyboomer gehen in Pension. Weil geburtenschwache Jahrgänge nachrücken, fehlten in der Schweiz bis 2030 eine halbe Million Arbeitskräfte.

Mehr arbeiten

Die Situation verschlimmere sich zusätzlich durch den Rückgang der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Der Teilzeitboom und verschiedene neu eingeführte Urlaubsformen hätten dazu beigetragen, dass die Bevölkerung 14 Tage pro Jahr weniger arbeitet als noch vor zehn Jahren. «Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen wir das gesamthaft geleistete Arbeitsvolumen erhöhen und nicht über eine weitere, generelle Senkung nachdenken», sagt Daniella Lützelschwab, Leiterin des Ressorts Arbeitsmarkt beim SAV.

Kitas fördern

Wenn beide Elternteile mit hohen Pensen im Arbeitsmarkt teilnehmen sollen, müssten sie sich auf gut funktionierende und überall vorhandene Drittbetreuungsangebote für ihre Kinder verlassen können. Kitas und Tagesschulen müssten daher stärker gefördert werden. Jeder staatliche Franken, der die Kinderbetreuung subventioniert, müsse in zusätzliche Arbeit fliessen, nicht in mehr Freizeit. Die Arbeitgeber ihrerseits seien angehalten, familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu fördern (siehe dazu Fokus Familie und Beruf). Im Bereich der Steuern gehörten die Heiratsstrafe und die negativen Erwerbsanreize abgeschafft, und die Individualbesteuerung müsse eingeführt werden. Eine individuelle Besteuerung würde bis zu 60000 zusätzliche Vollzeitstellen generieren.

Anerkennung der Berufsbildung steigern

Das Interesse der Jugendlichen und ihrer Eltern an einer Berufsbildung müsse wieder vermehrt geweckt werden. Es gelte, insbesondere jungen Frauen, geeignete Berufsbilder und die Vorteile der Berufsbildung frühzeitig zu vermitteln. Zudem könnte die Einführung eines Berufsbildungs-Bachelors und -Masters die Anerkennung der Berufsbildung und deren berufsorientierten Aus- und Weiterbildungen in der Gesellschaft steigern. 

Studium amortisieren

Da der Trend zu Mini-Pensen vor allem bei Akademikerinnen und Akademikern anhalte, lohne sich deren teure Ausbildung wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht mehr. Für eine Vollzeitstelle müssten mittlerweile zwei bis drei Personen auf Hochschulniveau ausgebildet werden. Akademikerinnen und Akademiker sollten ihre Studienkosten deshalb bewusst amortisieren müssen. Die Arbeitgeber fordern zudem, dass eine verbindliche Studienberatung in der Oberstufe verankert wird. Damit könnten den insbesondere auch schulischen starken Jugendlichen alle Optionen und möglichen Folgen sowie Chancen der Berufsbildung aufgezeigt werden.

Arbeitszeiten weiter flexibilisieren

Einen grossen Effekt auf die bessere Ausschöpfung des inländischen Fachpersonals versprechen sich die Arbeitgeber auch von einer Modernisierung des Arbeitsgesetzes. Die strengen Arbeitszeitregelungen sollten gezielt gelockert werden, so dass Arbeitnehmende ihre Arbeitszeiten mitbeeinflussen und beispielsweise die Arbeit zur Erledigung von privaten Bedürfnissen unterbrechen könnten. Studien zeigten, dass sich grössere zeitliche Autonomie bei der Arbeit positiv auf die Bewältigung von Stresssituationen auswirke, bemerkt der SAV.

Um das Bündel an Massnahmen umzusetzen, seien alle gefordert. «Die Betriebe, die Politik, aber auch die Gesellschaft müssen sich bewegen und teilweise auch umdenken, wenn wir den grossen Arbeitskräftebedarf in den nächsten Jahren nicht ausschliesslich über eine höhere Zuwanderung füllen wollen», erklärt Roland A. Müller, Direktor des SAV. 

Der Massnahmenplan gegen den Fachkräftemangel kann hier heruntergeladen werden.

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