Teilzeitarbeiterin und Altersvorsorge
Teilzeitarbeit kann sinnvoll sein, um dem Wunsch nach einer guten Work-Life-Balance nachzukommen. Allerdings hat ein dadurch reduziertes Einkommen auch Auswirkungen auf die Altersrente.
Welchen Schaden eine starre, dogmatische Haltung zum Thema Teilzeit anrichten kann, musste ich erleben, als ich innerhalb eines Unternehmens, für das ich tätig war, einen neuen Bereich übernahm, zu dem auch eine Marketingabteilung gehörte.
Deren Leiterin war einige Monate zuvor Mutter geworden und sollte eigentlich an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Stattdessen kündigte sie. Der Grund: Mein Vorgänger war der Meinung, man könne in einer Teilzeitposition diese Rolle nicht ausfüllen. Sie sollte die Führungsrolle aufgeben. Ich war empört: Eine böse Überraschung mit kostspieligen Folgen durch Nachfolgebesetzung und Know-how-Verlust, wie sich zeigen sollte.
Auch an einer anderen Stelle gab es in derselben Organisation zeitgleich ein Problem mit einer Führungsposition. Ein Objekt wurde von einer Doppelspitze geleitet. Der Grund für diese Doppelspitze war simpel: Die ehemalige Führungskraft wollte sich nicht zwischen den beiden Personen entscheiden müssen, als die Position zu besetzen war. Was mit einem Kompromiss bei der Entscheidungsfindung begann, entfaltete weitere ungute Wirkungen aufgrund unkoordinierter Teamführung und bei der Weiterentwicklung des Produkts. Während man so mit allerlei Interna beschäftigt war, fanden keinerlei Veränderungen am Objekt selbst statt. Wo es zwei Entscheider gab, entschied keiner von beiden etwas.
Das Führungstandem wurde schliesslich separiert; jeder erhielt einen eigenen Aufgabenbereich. Nach einigen Monaten zeigte sich folgende Entwicklung: Eine der beiden Führungskräfte war gar nicht in der Lage, Projektdynamik und Motivation im Team zu erzeugen. Die Person war gut im Verwalten und Kontrollieren. Darüber hinausgehende Initiativen wurden mit Verweis auf andere Probleme vermieden, schliesslich wurde Erschöpfung deutlich sichtbar. Dies erklärte die Schwierigkeiten in der Doppelkonstellation. Seitdem begleitet mich Skepsis, wenn in Organisationen Co-Leitungen installiert werden. Ich hatte meinen Glaubenssatz entwickelt.
Karin Ricklin-Etter und Stephanie Briner von WEshare1 berichten dagegen im Interview über dieses Arbeitsmodell über viele positive Erfahrungen und zeigen Chancen, kritische Punkte und Rahmenbedingungen von Jobsharing in Führungspositionen auf.
Teilzeitarbeit wird vornehmlich im Zusammenhang mit der beruflichen Eingliederung von Müttern diskutiert. Seltener geht es dabei heute um Teilzeitkarrieren von Führungskräften. Studien zeigen allerdings, dass sich auch Führung in Teilzeit wachsender Beliebtheit erfreut. Die in diesem Schwerpunkt interviewten Expertinnen und Experten aus HR und Personalberatung konstatieren einen generellen Trend, dass Menschen in verschiedenen Lebensphasen temporär oder dauerhaft Teilzeitpositionen anstreben. Vor allem für jüngere Bewerbende ist die Flexibilität eines Unternehmens ein wichtiges Kriterium, sich zu binden.
Eine Analyse der Europäischen Arbeitskräfteerhebung* zeichnet folgendes Bild: Teilzeitarbeit unter Führungskräften wird noch hauptsächlich von Frauen wahrgenommen (Abb. 1). Ohne Berücksichtigung des Geschlechts wird die Teilzeitstatistik von den Niederlanden mit 27% der Führungskräfte in Teilzeit angeführt, gefolgt von der Schweiz mit 25% (Abb. 2).
Im Studienbericht wird ein allgemein hoher Anteil der Teilzeiterwerbstätigen auch für hohe Teilzeitanteile bei Führungskräften verantwortlich gemacht.
Wie stark Arbeit im Teilzeitpensum in einem Land nachgefragt wird, führt die Studie darauf zurück, wie es um den Wohlstand in einem Land bestellt ist: «In wohlhabenden Gesellschaften ist Erwerbsarbeit oftmals nicht allein Broterwerb, sondern dient auch der Selbstverwirklichung. Sozialstaatliche Regelungen und Lohnsetzungssysteme machen darüber hinaus eine Vollzeiterwerbstätigkeit aller Haushaltsmitglieder im erwerbsfähigen Alter nicht zwingend notwendig.» Den Zusammenhang zwischen der Stärke einer Volkswirtschaft und ihrem Anteil an Teilzeitführungskräften stellt Abb. 3 dar.
Diese Einschätzung teilt im Interview auch Rafael Altavini von der Unternehmensberatung Egon Zehnder. Unter anderem sieht er die stabilen Sozialversicherungssysteme als einen Grund, warum das Thema Teilzeit besonders in Europa relevant ist.
In der Schweiz stösst ein gesellschaftlicher Wandel auf Unternehmenskulturen, die diesem noch hinterherhinken: Jede zweite der männlichen und fast 40% der weiblichen Führungskräfte würden gerne ihre Arbeitszeit um mindestens 5 Wochenstunden reduzieren (Abb. 4).
Eine Möglichkeit, eine Führungsposition auch in Teilzeit auszufüllen, ist das sogenannte Jobsharing, bzw. in höheren Führungspositionen das Topsharing. Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) weist für 2021 einen Anteil von 9.6% an Jobsharern aus, davon sind ca. 6.3% Führungskräfte. Für 2016 wies die Statistik noch insgesamt 9.8%, darunter 7.1% Führungskräfte aus. Die Erhebungen zum Anteil der Führungskräfte sind nicht gesichert, denn sie beruhen auf geringen Fallzahlen, vermerkt das BFS. Von einem Boom lässt sich also kaum sprechen. Aus diesem Grund bemühen sich verschiedene Vereinigungen und Initiativen um die Bekanntheit des Konzepts und unterstützen Interessierte mit Informationen, Workshops und Coaching. Denn einem steigenden Bedürfnis an Teilzeitführung muss in einem Arbeitsmarkt, der sich zunehmend durch Fachkräftemangel auszeichnet, mit Lösungen begegnet werden. Topsharing ist vielleicht eine davon, allerdings – und dies zeigen die folgenden Expertengespräche – nur unter bestimmten Voraussetzungen. Das Konzept ist anspruchsvoll und muss je nach Situation eigenen Regeln folgen. Nicht jedes Unternehmen ist reif für dieses Arbeitsmodell.
* Hipp, Lena; Sauermann, Armin; Stuth, Stefan (2021): Führung in Teilzeit? Eine empirische Analyse zur Verbreitung von Teilzeitarbeit unter Führungskräften
in Deutschland und Europa; in: Karlshaus, Anja; Kaehle, Boris (Ed.): Teilzeitführung. Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten in Organisationen,
2. Aufl. (forthcoming), Springer Gabler, Wiesbaden.
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We Jobshare, Coaching und Workshops: wejobshare.ch
Go-for-jobsharing, Informationsplattform: go-for-jobsharing.ch
WEshare1, Informationen, Workshops, Impulsreferate: weshare1.com
Teilzeitarbeit kann sinnvoll sein, um dem Wunsch nach einer guten Work-Life-Balance nachzukommen. Allerdings hat ein dadurch reduziertes Einkommen auch Auswirkungen auf die Altersrente.
Flexible Arbeitsmodelle in Führungspositionen unterstützen Diversität, Inklusion und Chancengleichheit. Rafael Altavini (Egon Zehnder Schweiz) gibt im Interview eine Einschätzung der Schweizer Realität zur Führung in Teilzeit.
Karin Ricklin-Etter und Stephanie Briner haben eine Mission: Sie betreiben gemeinsam die Online-Plattform WEshare1. Der Name ist Programm.
Vorbild Natur: Wie das Teilzeit-Manöver gelingen kann.
Zwischen 2012 und 2022 ist die Zahl der Teilzeiterwerbstätigen mehr als drei Mal so stark angestiegen wie jene der Vollzeiterwerbstätigen. Während immer noch bedeutend mehr Frauen Teilzeit arbeiten, wächst der Anteil bei den Männern stark.
In Teilzeit arbeiten und dennoch Führungsverantwortung übernehmen, geht das? Immer mehr Unternehmen beweisen, ja das geht! Was es für ein erfolgreiches Topsharing braucht und wo die Tücken liegen, steht im Handout.
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