Herausforderungen im Management von Flexible Workforce

Mittwoch, 12. Juli 2023 - Martina Zölch
Die Planung flexibler Personalressourcen sowie die Führung und Absicherung in der Vorsorge von Flexworkern ist eine Aufgabe, mit der sich immer mehr Unternehmen konfrontiert sehen. Das Projekt «Flexible Workforce» hat die Situation analysiert und Lösungen erarbeitet.

Die Flexibilisierung von Personalressourcen, Personaleinsatz und Beschäftigung hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Sich vertraglich weniger fest an die Mitarbeitenden zu binden und diese beispielsweise temporär einzusetzen, den Einsatz vertraglich zu befristen, auf Honorarbasis zu vergüten oder in Form von Dienstleistungen einzukaufen, kann einerseits zur Reduktion von fixen Personalkosten beitragen. Andererseits können Unternehmen dadurch schneller auf Auftragsschwankungen und dynamische Märkte reagieren, mit dem Ziel, strategische Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Nicht zuletzt aufgrund des sich verschärfenden Arbeitskräftemangels kommen Flexworker zum Einsatz, um bestehende Personallücken zu überbrücken. Der Trend zur Flexibilisierung der Personalressourcen bietet somit zahlreiche Chancen, stellt Personalmanagement, Führung sowie die berufliche Vorsorge (BVG) aber auch vor diverse Herausforderungen.

Das Projekt «Flexible Workforce»

Empirische Erkenntnisse darüber, was relevante ­Erfolgs- und Risikoindikatoren der Flexibilisierungspraxis für Unternehmen und Beschäftigte sind, liegen bislang nur eingeschränkt vor. Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage und der beschriebenen Herausforderungen hat sich das Innosuisse-­Projekt «Flexible Workforce» zum Ziel gesetzt, die bestehende Situation in ausgewählten Branchen und Beschäftigungsgruppen eingehender zu untersuchen und gemeinsam mit Unternehmen Lösungsansätze für ein professionelles Management von Flexible Workforce inklusive Lösungen im Bereich der beruflichen Vorsorge zu entwickeln. Umgesetzt wurde das Projekt als Kooperation der Hochschule für Wirtschaft FHNW mit zwei Umsetzungspartnern, der Avenir Group und der Sammelstiftung Vita, sowie sechs Anwendungspartnern aus den Branchen Gesundheit (Universitätsspital Basel, Psychiatrische Dienste Aargau), Mobilität (SBB, AMAG) sowie Finanzdienstleistung (Zurich, PWC).

Hohe Vielfalt und Komplexität der Vertragsverhältnisse

Wesentliche Projekterkenntnisse bestanden darin, dass das Management von Flexible Workforce ein hochkomplexes Feld ist. Dies zum einen aufgrund der unterschiedlichen Vertragsverhältnisse von Flexworkern, die unter dem Begriff der «Flexible Workforce» subsummiert werden. Zum anderen infolge der unterschiedlichen Stakeholder wie HR, Einkauf, Linie, Pensionskassen sowie Legal, die in das Management involviert sind. Sowohl die Organisation des Flexwork-Managements innerhalb eines Unternehmens als auch das damit verbundene Management unterschiedlicher Prozesse des HR Life Cycles für Flexworker ist in der Folge häufig auf bestimmte Gruppen von Flexworkern ausgerichtet. Entsprechend fragmentiert und unvollständig sind auch Daten zu Flexworkern und deren Einsätzen in Unternehmen. Dies erschwert eine integrale Steuerung und Bewirtschaftung der gesamten Flexible Workforce und infolgedessen auch eine gesamtheitliche Planung der internen und externen Belegschaft, was u.a. zu Kosten-, Effizienz- und Qualitätsrisiken führt. Zudem werden Synergieeffekte nicht genutzt.

Externe Flexworker

Beschäftigte, die (bei der Organisation, in der sie im Einsatz sind) kein festes Anstellungsverhältnis haben und nur für eine bestimmte Dauer im Einsatz sind:

  • Temporärbeschäftigte, die über einen Personalverleih angestellt sind;
  • Beschäftigte, die über ein externes Unternehmen tätig sind;
  • Freelancer;
  • in Abhängigkeit der Personalstrategie auch Beschäftigte mit befristetem Arbeitsvertrag bei der Organisation.

Interne Flexworker

  • Festangestellte Beschäftigte, die hoch flexibel in der Organisation eingesetzt werden.
  • Beschäftigte, die ausschliesslich oder ergänzend zu ihrer Festanstellung in einem internen FlexPool arbeiten.

Führungskräfte von Blended Teams sind gefordert

Führungskräfte von Blended Teams sind verstärkt gefordert, sei es bei der Einarbeitung der Flexworker, der Gestaltung von Informationsprozessen, der Koordination des Personaleinsatzes oder dem Erwartungsmanagement dem Team gegenüber, um so zu einer guten Integration der Flexworker beizutragen. Sowohl bei der Personalauswahl und Führungskräfteentwicklung als auch bei der Teamentwicklung ist dies zu berücksichtigen. Schliesslich ist die Kenntnis der spezifischen Bedürfnisse und Motive der höchst diversen Community an Flexworkern eine wichtige Voraussetzung für deren Anziehung und Bindung.

Erfolgsversprechende Lösungsansätze bestehen u.a. im Aufbau von internen Flex-Pools, die die Flexibilität in der Personaleinsatzplanung erhöhen und die Abhängigkeit von Personaldienstleistern verringern. Ein Single Point of Contact kann die Abstimmungsprozesse zwischen unterschiedlichen Stakeholdern unterstützen und die Grundlage für eine einheitliche Datenbasis bilden. Die Fokussierung auf ausgewählte strategische Partnerschaften mit Personaldienstleistern und deren intensive Pflege sorgt für ein besseres Matching von Job- und Qualifikationsprofilen sowie eine gute Passung zum Team. Die Definition von verschiedenen Integrationslevels der Flexible Workforce hilft, die HR-Prozesse an unterschiedliche Gruppen von Flexworkern anzupassen. Ein zeitlich gut abgestimmter, standardisierter sowie auf die jeweiligen Anforderungen ausgerichteter Onboarding-Prozess unterstützt die rasche Einsatzfähigkeit und hilft, den damit verbundenen Aufwand zu reduzieren.

IT-gestütztes Flex-Audit

Das im Projekt entwickelte IT-gestützte Flex-Audit unterstützt Unternehmen dabei, vor dem Hintergrund der jeweiligen Business-Herausforderung und der im Fokus stehenden Zielgruppen eine Standortbestimmung zum Management von Flexible Workforce vorzunehmen. Eine Reihe von ergänzenden Tools hilft für die identifizierten Handlungsfelder konkrete Massnahmen abzuleiten und zu implementieren, um das Management von Flexible Workforce zu professionalisieren.

Das Flex-Audit erfragt die Ausgangslage der Organisation bezüglich der Treiber flexibler Beschäftigung in sogenannten Flex-Szenarien (z.B.: Handelt es sich um einen strukturellen Fachkräftemangel, um saisonale Schwankungen oder den Einkauf von Wissen und Innovation?). Dazu wird die vorhandene Personalstruktur mit Fokus auf flexible Arbeitsverhältnisse erfasst. Mit je rund 40 Einschätzungsfragen werden in einer Basisanalyse die beiden Ebenen Flex-Management und Flex-Prozesse evaluiert und der Ausprägungsgrad in einer abschliessenden Auswertung dargestellt.

Interviews zum Thema

Penso hat zwei Mitautoren der Studie interviewt. Marcel Oertig spricht über das Flexibilisierungspotenzial der 2. Säule und 
Christian Scherff über die wachsende Bedeutung von Flexworkern.

Herausforderung berufliche Vorsorge

Im Rahmen des Projekts wurde auch das Thema BVG bei Flexworkern untersucht. Eine repräsentative Umfrage mit rund 200 Flexworkern aus den Projektunternehmen ergab, dass ein Grossteil der Flexworker über keine oder eine ungenügende Absicherung in der 2. Säule verfügt. Die Gründe, warum keine oder eine ungenügende Vorsorgelösung vorhanden ist, sind vielfältig.
Ein Grund liegt sicher in den gesetzlichen Grundlagen der beruflichen Vorsorge. Diese wurden vor rund 40 Jahren gelegt, als das BVG 1985 in Kraft gesetzt wurde. Die Grundlagen der Gesetzgebung beruhen weitgehend auf den Vorstellungen der Arbeits- und Familienmodelle der Siebzigerjahre, so ist das BVG beispielsweise auf ein Arbeitspensum von 100% ausgerichtet. In den letzten Jahrzehnten hat sich vieles verändert und individuelle Erwerbsbiografien nehmen stetig zu. Immer mehr Firmen beschäftigen Flexworker. Das BVG hat mit diesen Entwicklungen nur bedingt Schritt gehalten. Die Eintrittsschwelle, der Mindest- und Maximallohn sowie der Koordinationsabzug beruhen grundsätzlich noch immer auf einer Vollzeittätigkeit und einer unterbruchlosen Erwerbskarriere. Dies kann bei vielen Personen zu grossen Lücken führen, sofern die berufliche Vorsorgelösung nicht an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden angepasst wird.
Ein weiterer Grund ist auch das nur zum Teil vorhandene Know-how oder Interesse an der beruflichen Vorsorge seitens der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Das BVG scheint ihnen zu komplex und wenig fassbar. Die Versicherten sind sich der Bedeutung der 2. Säule nicht bewusst, obwohl der grösste Teil ihres Vermögens in ihrer beruflichen Vorsorge liegt.
Um die bestehende firmeneigene Vorsorgelösung und ihre Kompatibilität für Flexworker einfach zu analysieren, hat die Sammelstiftung Vita im Rahmen des Innosuisse-Projekts in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Partnern ein BVG-Rating-Modell entwickelt. Ziel ist es, den Entscheidungsträgern in den Unternehmen ein einfaches Instrument an die Hand zu geben, damit sie ihre Vorsorgelösung bewerten können. Das Bewertungs-Tool zeigt detailliert auf, in welchen Dimensionen Handlungsbedarf besteht.
So können auch Fachpersonen, die nicht jeden Tag mit der beruflichen Vorsorge zu tun haben, auf einfache Art und Weise an die Thematik «Vorsorge» herangeführt werden, sodass sie schliesslich Optimierungen der eigenen Vorsorgelösung einfach umsetzen können. Das Bewertungs-Tool bewertet unter anderem folgende Dimensionen und liefert konkrete Handlungsempfehlungen: 
1. Kreis der versicherten Personen: Welche Mitarbeitenden werden durch die Vorsorgelösung (u.a. Flexworker) überhaupt abgesichert? 
2. Wie ist das Leistungskonzept ausgestaltet? Abgefragt werden unter anderem folgende Aspekte: 
a. Höhe versicherter Lohn;
b. Ausgestaltung Spar- und Risikoteil: Diverse Aspekte und Ausprägungen;
c. Absicherung der Hinterbliebenen;
d. Optionen für Bezug der Altersleistung;
e. Möglichkeiten, mehrere Arbeitsverhältnisse zu versichern.
Dass sich Arbeitgebende mit einer adäquaten Vorsorgelösung für alle Mitarbeitenden entsprechend positiv positionieren können, ist im Hinblick auf die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung nur ein positiver Nebeneffekt. Der wichtigste Effekt ist jedoch, dass alle Arbeitnehmenden und ihre Hinterbliebenen adäquat abgesichert sind.
Link:
Dossier «Management von Flexible Workforce» – Strategien und Instrumente für HRM, Führung und BVG – Ergebnisse aus einem Innosuisse Projekt.

Take Aways

  • Der Bedarf an flexiblen Arbeitskräften steigt und äussert sich in unterschiedlichen Formen wie Temporärarbeit, befristeten Verträgen oder externen Dienstleistungen.
  • Das Innosuisse-Projekt «Flexible Workforce» untersucht die bestehende Situation und entwickelt Lösungsansätze für ein professionelles Management von Flexible Workforce inklusive Lösungen der beruflichen Vorsorge.
  • Die grösste Herausforderung in der beruflichen Vorsorge besteht in der bisher mangelnden Absicherung von Flexworkern, der Arbeitgebende mit überobligatorischen Lösungen wie tieferer Eintrittsschwelle, angepasstem Koordinationsabzug oder der Versicherung mehrerer Arbeitsverhältnisse begegnen könnten.

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