Apropos HR Swiss: Mit Jessica Silberman Dunant sitzt neuerdings die Präsidentin von HR Swiss im HRSE-Vorstand. Wie muss man sich das Zusammenspiel von HR Swiss und HRSE vorstellen?
Zwischen der HRSE als Trägerorganisation der Schweizer HR-Berufsprüfungen und dem nationalen Branchenverband HR Swiss besteht ein sehr enges Verhältnis. Jessica Silberman Dunant sitzt nicht nur im HRSE-Vorstand, sondern ist meine Vize-Präsidentin. Umgekehrt sitze ich als HRSE-Präsident im Vorstand von HR Swiss. Es ist wichtig, dass wir in der Schweiz einen nationalen Verband haben, der den HR-Beruf stark und künftig gerne noch stärker gegenüber der Gesellschaft vertritt. Es bringt nichts, wenn wir in der Schweiz viele kleinere regionale Personalgesellschaften haben, die ihren eigenen Weg verfolgen und in einer Konkurrenz stehen. Am Ende beschädigt eine solche Spaltung den ganzen Berufsstand. Insofern erfüllt die HRSE für die Schweizer Wirtschaft eine wichtige Drehscheiben-Funktion. Dabei geht es auch um die Sicherstellung der Glaubwürdigkeit der HR-Funktion innerhalb der Arbeitswelt.
Das Image von HR ist ja nicht immer das Beste ...
Leider. Das ist ein Thema, das schon längere Zeit virulent ist, obwohl das sicher nicht berechtigt ist. Aber es scheint die Wahrnehmung gewisser Menschen zu sein, wofür es auch Gründe geben mag. Mit der kontinuierlichen Neuausrichtung unserer Prüfungen wollen wir dem HR-Berufsbild ein noch klareres Qualitätsprofil geben. Mittelfristig soll das Berufsbild punkto Attraktivität und Wertschätzung auch in der Wahrnehmung einer breiteren Öffentlichkeit gestärkt werden, was sich am Ende positiv auf das Image unseres Berufsstands auswirken wird.
Hat das teils zweifelhafte Image möglicherweise damit zu tun, dass HR in der Linie zu wenig spürbar ist, weil HR-Leute oft eben nicht wie Sie an die Front gehen?
Das könnte eine Erklärung sein. Ich kann es aber nicht beurteilen. Ich kenne wirklich viele sehr gute HR-Fachleute, die sich stark engagieren im Interesse vom Mensch und Unternehmen. Aber es gibt sicher auch einige, die keine unserer Fachprüfungen abgelegt haben und möglicherweise prägen diese Leute mitunter auch das negative Image von HR. So oder so: Es ist wichtig, dass sich potenzielle Personalfachleute die Frage stellen, warum sie überhaupt im HR tätig sein wollen. Denn die Aufgabe ist mit grosser Verantwortung verbunden und Entscheidungen bringen weitreichende Konsequenzen mit sich. Damit muss man bewusst umgehen können. HR ist eine Disziplin, die auf allen Ebenen eines Unternehmens die Funktionsfähigkeit von Organisationen sicherstellt. Wenn jemand sagt: Ich will ins HR wegen dem guten Lohn und weil es dort irgendwie noch unterhaltsam und lustig ist, muss ich dezidiert sagen: Tu es lieber nicht!
Wenn wir in die Zukunft blicken, ist die digitale Transformation unbestritten ein riesiger Treiber. Wie schätzen Sie den Impact der Künstlichen Intelligenz auf das HR-Berufsbild ein?
Wir machen uns Gedanken, wie sich der KI-Themenkomplex in die Prüfungen integrieren lässt. Dabei müssen wir darauf achten, dass KI nicht einfach als Trendthema begriffen wird, sondern dass wir uns konkret darum kümmern, was betreffend Umgang mit KI am Arbeitsplatz erwartet wird. Es geht nicht nur darum zu sagen, es wäre cool, KI einzuführen, weil heute ChatGPT in aller Munde ist. Natürlich kann ein Arbeitszeugnis heute mit KI sehr schnell erstellt werden und man kann sich viele weitere KI-Anwendungen im HR-Bereich vorstellen. Etwa im Recruiting, wo KI psychometrisch erfasste Videodaten analysieren und Aussagen über Kandidierende machen kann. Ich verstehe KI als zusätzliches Instrument. Die Entscheidung muss aber immer beim Mensch bleiben. Bei aller Digitalisierung dürfen wir nicht vergessen, dass es noch eine grosse Anzahl von Menschen gibt, die damit nichts anfangen können und sich beispielsweise auch nicht auf den sozialen Medien bewegen. Im HR-Bereich sind die sozialen Kompetenzen am allerwichtigsten und werden künftig noch gefragter sein. Denn Sozialkompetenzen lassen sich nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzen.
Sie sehen die digitale Transformation also eher positiv, aber werden im Jahr 2030 infolge der Digitalisierung eher mehr oder weniger Menschen im HR arbeiten?
Ich sehe das absolut positiv und denke, dass 2030 noch mehr Menschen im HR arbeiten werden. Auch wenn gerade in hochdigitalisierten HR-Disziplinen wie der Payroll die KI sicher noch weiter zu der heute schon sehr ausgeprägten Automatisierung beitragen und auch Leute ersetzen wird. Aber wenn ich die komplexen sozialen Zusammenhänge in Organisationen betrachte, sehe ich Berufswelten, die auf Menschen angewiesen sind, wo die sozialen Fähigkeiten umso gefragter sein werden.
Was führt Sie zu dieser Prognose?
Die zwischenmenschlichen Verknüpfungen werden auch in der fortschreitenden Digitalisierung bestehen bleiben und sich auch im Kontext der ganzen digitalen Transformation der Arbeitswelt weiterentwickeln. Deshalb braucht es Leute, die diesen Prozess begleiten können – gerade um die Arbeitnehmenden in allen herausfordernden Transformationsprozessen weiterhin zur Arbeit zu motivieren. Darum bin ich überzeugt, dass HR-Berufe in Zukunft sogar noch einen wichtigeren Platz haben werden. Wir beobachten heute einen akuten Personalmangel. Deshalb braucht man umso mehr Leute, die Mitarbeitende begleiten und dazu bringen, ihre Arbeit motiviert auszuführen. Je besser das in einer Organisation gelingt, desto attraktiver wird sie auf dem Arbeitgebermarkt, was im Kontext des Fachkräftemangels einen grossen Vorteil bedeuten kann.
Was sind für Sie die wichtigsten HR-Kompetenzen im Jahr 2030?
Einerseits sicher die Sozialkompetenzen, wozu namentlich auch Begeisterungsfähigkeit gehört. Andererseits ein ausgeprägtes Verständnis dafür, wie die Arbeit an der Linie ganz konkret gemacht wird. Und als dritte Kompetenz wären auch ein unternehmerischer Blick, ein vertiefteres Verständnis für Geschäftsmodelle und betriebswirtschaftliche Abläufe sowie strategische Fähigkeiten wünschenswert. Wobei die letzten Punkte sicher nicht für alle HR-Rollen von gleicher Bedeutung sind.
Stichwort HRSE 2030: Wie sieht Ihre Vision für die HRSE in zehn Jahren aus?
Meine Vision ist, dass HRSE 2030 der relevanteste Schweizer Anbieter von Berufsprüfungen im HR-Bereich ist. Konkret sollte 2030 jedes Stelleninserat von HR-Jobs als Hard Skill einen HRSE-anerkannten Abschluss voraussetzen. Wie gesagt geht es mir dabei als Motivation auch um die Glaubwürdigkeit des Berufs. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es mehrere Ansätze in unseren Partnerschaften mit den Verbänden, den Schulen und der gesamten HR-Welt, die man in der Schweiz so kennt.