Vier Fachpersonen diskutierten unter der Leitung von Yvonne Seitz, HR-Leiterin der Abacus Research AG und ehemalige Moderatorin und Produzentin beim Schweizer Fernsehen SRF, was hybrides Arbeiten bedeutet und wie Führungskräfte am besten damit umgehen.
Für Rebecca Gimmi, Leiterin Informatik bei den VBZ, ist hybrides Arbeiten mehr, als abwechselnd zuhause und im Büro zu arbeiten. Es bedeute, «den Leuten die Freiheit zu geben, dort zu arbeiten, wo sie sich am wohlsten fühlen». Dazu gehöre aber auch, sich regelmässig zu sehen, denn: «ein Lächeln eines Menschen vor Ort ist etwas ganz anderes als im Video.»
«New Work ist nicht nur digitales Arbeiten, sondern der Mensch kann sich anders entdecken und neue Potenziale entfalten», sagte Annina Coradi, Tech- und Innovationsmanagement und Creative Owner der Spaceinnovators GmbH. Man müsse sich von zu engen und althergebrachten Vorstellungen von Homeoffice, hybrid oder Arbeit im Büro lösen. Dem pflichtete Gimmi bei, denn wechselnde Umfelder förderten das kreative Denken. Dabei spiele auch der Spass an der Arbeit eine wichtige Rolle. Auch Flexibilität für Auszeiten gehöre dazu, sodass man «wenn es endlich mal wieder schön wird, auch mal nicht arbeitet».
Präsenz fördert Zwischenmenschliches und Kreativität
Hybrides Arbeiten bringe allerdings auch Nachteile, darin war sich die Runde einig. Daniel Schnyder, Co-Gründer & Managing Partner bei Beetroot AG, sieht zwei primäre Herausforderungen: Die technische Infrastruktur müsse für die Arbeit auf Distanz abgestimmt sein und das zwischenmenschliche Miteinander dürfe nicht leiden. Deshalb sei es wichtig, in der Büroumgebung dem Sozialen mehr Gewicht zu geben. Hier gäbe es noch viel zu lernen. Zum Beispiel habe er die Erfahrung gemacht, dass in hybriden Meetings Teilnehmer, die nicht vor Ort seien, «vergessen» werden. Gimmi hält Hybrid-Sitzungen nur für kurze Besprechungen für geeignet. Für längere und kreative Meetings funktioniere das Format nicht. Auch weil sich virtuell schneller Erschöpfung einstelle. Es brauche dann häufiger Pausen.
Kreativität funktioniere auch auf Distanz sehr gut, widersprach Coradi. Es brauche eine gewisse Vorbereitung. Sie empfiehlt, sich in einem ersten Meeting live zu treffen und kennenzulernen. Nach dieser Kennenlernphase könne man sich auch online recht präzise wahrnehmen. Ein Brainstorming funktioniere aber auch ihrer Erfahrung nach besser vor Ort. Damit hybride Meetings besser funktionieren, müssen man neue Regeln aufstellen: Einen Moderator bestimmen und den Ablauf festlegen.
Schnyder hat die Erfahrung gemacht, dass es Dinge gebe, die online sehr gut funktionieren - ein täglicher Abgleich beispielsweise. Aber: «Bei kreativen Arbeiten oder ersten Kundenkontakten schätzten wir es sehr, wenn wir uns vor Ort treffen können.» In seinem Team bestehe generell wieder ein stärkerer Wunsch, ins Büro zu kommen. Zwar könnte man vieles zuhause erledigen, aber um sich kennenzulernen, komme man ins Büro. «Das heisst vor allem ins Team!»
«Als wir zuhause sein mussten, hatte ich einen Mitarbeiter, der pensioniert wurde», berichtete Gimmi. «Es war für ihn und mich traurig, dass er sich nicht gebührend zum Beispiel mit einem Apéro verabschieden konnte.» Teamevents, an denen man sich auch in informellem Rahmen kennenlernen könne, hätten eine grössere Bedeutung erhalten.
Die Führungsperspektive
Für Führungskräfte, stellte Matthias Mölleney, Leiter «Center for Human Resources Management & Leadership» an der HWZ, Gründer der peopleXpert GmbH und ehemaliger Personalchef von Swissair, fest, sei es schwieriger, Sympathiegräben zu entdecken. In normalen Teams bestehe meist eine Zweiteilung: «Die Mitglieder des «Inner Circle» mögen sich, tauschen sich in einer WhatsApp-Gruppe aus und trinken am Feierabend ein Bier zusammen.» Die anderen seien nicht oder nur selten dabei. Durch einen Teamevent könne man einen solchen Graben zuschütten. In der virtuellen Welt sei es viel schwieriger, diesen Graben wahrzunehmen. «Wer chattet privat noch?» Es brauche entsprechende Tools für die Vorgesetzten. Daran würden er und sein Team zurzeit arbeiten.
Wenn sich ein Team mit gemeinsamen Werten identifizieren könne, habe man eine wichtige Basis für die Zusammenarbeit, führte Coradi aus. Werte könne man mit verschiedenen Kollaborations-Tools vermitteln. Führungskräfte bräuchten jenseits möglicher Tools unbedingt die Fähigkeit Menschen zu beobachten und auch zu befragen.
Schnyder warf die Frage auf, wie man Kultur beeinflussen kann. Er sei jedenfalls kritisch gegenüber Werteworkshops, an denen Werte ausgearbeitet und dann plakatiert würden. Er arbeite lieber an den Rahmenbedingungen. «Dazu zählt Vertrauen und dieses auch zu leben». Vertrauen impliziere, Freiräume zuzulassen, anstatt die Kontrolle zu verschärfen. Allenfalls müsse man an den Spielregeln schrauben, damit diese Kultur wachsen könne. Es kann sich dabei um Regeln handeln, wie bei hybriden Sitzungen die Kamera einzuschalten, keine Emails zu lesen oder festzulegen, wann und wie oft man sich im Büro treffe.
Kulturelle Diversität im Unternehmen
In Unternehmensumgebungen mit verschiedenen Subkulturen – beispielsweise einem Schichtbetrieb, im Aussendienst oder einer Administration, müsse man sich «von einer On-Size-Fits-All-Kultur verabschieden», sagt Mölleney. Man müsse den Teams Autonomie geben. Dies betreffe nicht nur den Arbeitsort, sondern auch den der Umgang miteinander. Die Teams müssten eigene Spielregeln festlegen, wobei Schnyder zustimmte: «Gibt man den Teams die Möglichkeit sich selbst zu organisieren, werden sie das optimal lösen.»
Die Runde war sich zudem einig, dass sich es zwischen den Generationen, keine spezifischen Adaptionsunterschiede bei neuen Technologien gäbe. Vorlieben und Abneigungen würden sich durch alle Generationen ziehen.
Der Text basiert auf dem Online Beetroot Business Talk vom 16. September 2021. Die einstündige Aufzeichnung des Talks kann hier angeschaut werden. Beetroot ist Spezialist für digitale Arbeitsorganisation und strategische IT-Beratung. Das Unternehmen ist in der IT-Branche zuhause und beschäftigt sich mit modernen Arbeitsformen und Kommunikationstechnologien.
Konkrete Tipps:
Zum Abschluss hat Seitz die Diskutanten um jeweils einen Tipp für die Zuschauer gebeten:
- Gimmi: Den Leuten Kreativität und Freiheit lassen und dafür sorgen, dass sie eine enge Teamkommunikation nicht verlieren.
- Mölleney: Als Führungskraft sollte man intensiv zuhören – auch den Teamleitern. Man darf nicht selbstverständlich voraussetzen, dass hybrides Arbeiten einfach funktionieren wird.
- Coradi: Die Arbeitsergebnisse müssen im Vordergrund stehen, danach richten sich die Arbeitsformen. Fragen Sie sich, welche Arbeit wie am besten erledigt werden kann. Und: Vielleicht braucht es kein Meeting.
- Schnyder: Das Thema hybrides Arbeiten muss bewusst reflektiert werden. Die Auswirkungen betreffen weitere Kreise als zunächst angenommen.