Nachgefragt bei Birgitt Wüst, dipl. Sachverständige für Immobilienbewertung, Chefredaktorin des Schweizer Immobilieninvestment Magazins IMMOBILIEN Business.
Frau Wüst, wir arbeiten nun alle wieder im Homeoffice. Wie wirkt sich dies auf den Büromarkt aus?
Das Homeoffice ist in der Coronakrise salonfähig geworden – nur zum Game Changer am Büroflächenmarkt wird es wohl nicht. Tatsächlich hat sich im vergangenen Jahr das Angebot an Büroflächen in den Agglomerationen schweizweit deutlich ausgedehnt. Doch dass die Leerstände aktuell zunehmen, ist weniger den Flächenreduktionen wegen Homeoffice geschuldet, sondern eher eine Folge der Angebotsausdehnung der letzten beiden Jahre und des rezessionsbedingten Einbruchs. Beispielsweise werden Umzugspläne angesichts der aktuellen Unsicherheiten von einigen Unternehmen verschoben. Bei sinkender Nachfrage und gleichzeitig steigendem Angebot sinken in aller Regel die Mietpreise.
Nehmen die Leerstände überall zu?
Nein, das hängt von der Lage ab. Wie Immobiliendienstleister unisono berichten, war die Nachfrage nach Büroflächen in attraktiven Citylagen auch im Jahr 2020 weiterhin hoch, was sich dort teils sogar in steigenden Mieten manifestiert hat. Für Flächen in den CBD – beispielsweise die von Finanzdienstleistern bezogenen Büros in der Zürcher City – finden sich rasch neue Mieter. Anders sieht die Lage in der Peripherie aus, hier besteht ein teils massives Überangebot. Das Beratungsunternehmen CSL Immobilien berichtet, dass das innerhalb von sechs Monaten in den Schweizer Agglomerationen verfügbare Büroangebot innert Jahresfrist um 23 Prozent auf 2.26 Mio. Quadratmeter zugenommen hat.
Wird sich das Homeoffice als Arbeitsplatz der Zukunft durchsetzen?
Dienstleister berichten von unterschiedlichen Tendenzen, je nach Wirtschaftssparte. Einige Arbeitgeber schicken ihre Mitarbeiter verstärkt ins Homeoffice; doch die Zahl der Unternehmen, die ihre Büroflächen radikal reduzieren, dürfte sich in Grenzen halten – trotz der Vorteile, die Homeoffice für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber haben kann. Vielleicht etablieren sich Mischformen, ein paar Tage Homeoffice, ein paar Tage Büro. Den mit einer Reduktion der Flächen gesparten Mietkosten stehen auch Ausgaben gegenüber, etwa für Umzug, Homeoffice-Pauschalen, Ausbau der IT-Infrastruktur, und so weiter. Hinzu kommt: Das Arbeiten vom Küchentisch mag vielleicht ein paar Wochen zu ertragen sein – aber auf die lange Sicht? Ich persönlich glaube: Viele sind froh, wenn endlich wieder Normalität einkehrt. Schliesslich ist das Büro nicht nur ein Ort zum Arbeiten, sondern auch der sozialen Kontakte. Gute Ideen entstehen oft durch den kreativen Austausch mit Kollegen, und auch der für Unternehmen wichtige Know-how-Transfer findet wohl eher im Büro statt als in virtuellen Meetings.
Haben die Coworking-Spaces von der Krise profitiert?
Ja. Grundsätzlich hat der Trend zum «Büro auf Zeit» durch die Coronakrise nochmals einen starken Schub bekommen. Wie von Betreibern von Coworking-Spaces zu hören ist, ist die Nachfrage deutlich gestiegen, teils so stark, dass es Angebotsengpässe gab, sprich nur sehr limitierte Zeitfenster für die Arbeitsplätze. Einige Makler zählen Coworking-Spaces im Zusammenhang mit dem zunehmenden Homeoffice zu den Gewinnern der Krise.
Wagen Sie eine Prognose, wie sich die Büromieten entwickeln?
Schwer zu sagen. Die Mieten hängen stark vom Standort der Liegenschaft ab – die City in Zürich ist etwas anderes als Zürich Nord –, vor allem aber von der weiteren Konjunkturentwicklung im Lauf dieses Jahres und darüber hinaus. Immerhin: Mit den jetzt vorhandenen Impfstoffen gegen die Covid-19-Krankheit zeigt sich Licht am Ende des Tunnels. Die Schweizer Volkswirtschaft hat zwar durch Corona einen massiven Einbruch erlitten, erwies sich aber im internationalen Vergleich als relativ robust. So steht zu erwarten, dass die Konjunktur nach Ende der Pandemie bald wieder an Fahrt aufnimmt. Wenn sich – und davon gehen nicht wenige Ökonomen aus – die konjunkturellen Rahmendaten in der zweiten Jahreshälfte aufhellen, sollte sich dies über kurz oder lang auch in einer zunehmenden Flächennachfrage äussern.