Kompetenzen im Zeitalter von KI

Donnerstag, 20. März 2025 - Karen Heidl
Mit der wachsenden Verbreitung von KI wandelt sich die Arbeitswelt – welche Kompetenzen sind jetzt entscheidend?

Die digitale Revolution der Arbeitswelt geht mit der Verbreitung von KI in eine neue Phase umwälzender Veränderungen. Darin ist man sich sowohl aufseiten der Analysten als auch der Nutzerinnen und Nutzer einig. Nach einer aktuellen Studie,[1] die von dem Unternehmen Workday durchgeführt wurde, spiegeln sich die Zukunftserwartungen in der konkreten Nutzungserfahrung mit KI: Die aktivsten KI-Anwendenden sehen auch deren Vorteile am positivsten (4.23 von 5 Punkten). Die Gruppe, die angegeben hat, in den kommenden zwölf Monaten in KI einsteigen zu wollen, hat den niedrigsten Score und zeigt sich im Vergleich als besonders skeptisch. Ein solcher Zusammenhang überrascht keineswegs, offenbart sich der Nutzen einer Technologie doch immer erst in der praktischen Erfahrung damit. Ebenso wenig überraschend ist somit das Ergebnis, dass Menschen, die regelmässig KI einsetzen, auch positive Erwartungen an die zukünftige Ausgestaltung ihres Tätigkeitsfelds ­haben: Mehr Raum für übergeordnete Tätigkeiten wie Strategieentwicklung und Problemlösung werde gemäss Studie erhofft, mehr Transparenz im Unternehmen und damit eine ganz neue Qualität der Arbeit.

Fähigkeiten zur Empathie, zu Beziehungsaufbau und zur Konfliktlösung werden zudem als «unverzichtbar für den Erfolg in einer KI-getriebenen Wirtschaftswelt» erwartet.

Mit Softskills ist es nicht getan

Der konkrete Zusammenhang zwischen den heute im Zuge des New-Work-Mainstreams gemeinhin postulierten menschlichen Softskills und den Anforderungen im Einsatz von KI bleibt trotz solcher Studien allerdings im Dunkeln. Sie weisen keine belastbaren Daten aus, die die kausale Beziehung zwischen KI-Integration und der Nachfrage nach spezifischen menschlichen Kompetenzen untermauern. So kann man diese Befragungen als Stimmungscheck durchaus akzeptieren, aber ihr Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die Frage, welche Kompetenzen benötigt werden, um Mitarbeitende und das Unternehmen in das KI-Zeitalter zu führen, ist begrenzt. Wohl aber zeigen sie «relevante Kontextbedingungen» auf, wie Seufert und Meier (2023)[2] darlegen: «Ein gelingendes Zusammenwirken von Menschen und intelligenten Assistenzsystemen erfordert nicht nur ein synergetisches Zusammenspiel von menschlicher und künstlicher Intelligenz. Daneben spielen auch die Haltungen und Einstellungen der beteiligten Menschen eine wichtige Rolle für das Gelingen der Zusammenarbeit. Hier haben sich u.a. die impliziten Theorien über die menschliche Psyche als relevante Kontextbedingung herausgestellt – insbesondere Haltungen, die als growth mindset bzw. als fixed mindset charakterisiert werden können.»

Kompetenzen für ChatGPT und Co.

Im Hinblick auf KI-Agenten wie ChatGPT nennen Seufert und Meier (2023) fünf Kompetenzen, die sie als relevant für die ­erfolgreiche Nutzung erachten:

1. Ein allgemeines Verständnis davon, wie KI funktioniert – einschliesslich des Unterschieds zwischen regelbasierten ­Algorithmen und der Funktionsweise eines Sprachmodells wie ChatGPT

2. Ein Verständnis für die Unterschiede zwischen menschlichen Kompetenzen und den Fähigkeiten einer KI

3. Die Fähigkeit, zielorientiert mit KI-basierten Agenten zusammenzuarbeiten (Ko-Kreation) und sie zur Bewältigung von Aufgaben einzusetzen

4. Die Fähigkeit zur reflexiven Beobachtung und Steuerung des eigenen Handelns («reflection in action») – insbesondere im Hinblick auf lebenslanges Lernen

5. Eine Sensibilität für die ethische Nutzung einer KI

Wie arbeiten Mensch und Maschine zusammen?

KI ist nicht gleich ChatGPT. Es gibt nicht nur eine grosse Vielfalt von KI-Applikationen, auch die Art und Weise, wie KI in Systeme integriert ist, ist breit gefächert: KI kann bewusst und explizit oder implizit als Bestandteil eines im Hintergrund laufenden Automatismus genutzt werden. Sie kann bestimmte Tätigkeiten komplett automatisieren oder die humane Intelligenz augmentieren. Seufert und Meier (2023) unterscheiden Kooperationstypen und Stufen der Intensität der Zusammenarbeit, was sich in den verschiedenen Rollen der KI-Agenten «als Teammitglieder» zeigt, z.B. Assistent, Koordinator, Macher, Experte (siehe Grafik: «Stufen der Integration von Mensch und intelligentem Assistenzsystem»).

Kompetenzmodell zur Entwicklung
von Kompetenzprofilen

Ein Kompetenzmodell, das einem breiteren Anwendungsspektrum von KI Rechnung trägt, also nicht ausschliesslich auf ChatGPT-ähnliche Agenten fokussiert, stellt eine im August 2024 erschienene Recherche der Fachliteratur zum Thema «Kompetenzfelder künftiger Beschäftigter im Bereich Künstlicher Intelligenz»[3] vor. Sie identifiziert fünf Kompetenzfelder und drei Kompetenzstufen, die für die Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen relevant sind.

Die Kompetenzstufen unterscheiden sich in:

  1. Basiskompetenzen: grundlegende Kenntnisse, die von allen Mitarbeitenden erwartet werden, z.B. grundlegende digitale Fähigkeiten
  2. Befähigende Kompetenzen: spezifischere Fähigkeiten, die für die Anwendung und Zusammenarbeit mit KI-Systemen notwendig sind
  3. Vertiefende Kompetenzen: fortgeschrittene Fähigkeiten, die tiefes Wissen und spezialisierte Kenntnisse erfordern, z.B. das Trainieren von neuronalen Netzen

In einem Schema von fünf Kompetenzfeldern können für den konkreten Einsatz von KI benötigte Fähigkeiten definiert und in den oben genannten Niveaus eingegrenzt werden:

  1. Aufgabenbezogene Kompetenzen: die Fähigkeit, eine KI-Anwendung zu erkennen und zu verstehen, sowie Einsatz und Bewertung von KI in spezifischen Anwendungsbereichen
  2. Konzeptbezogene Kompetenzen: theoretisches Wissen über KI-Methoden und -Prozesse wie maschinelles Lernen und Entscheidungsbäume
  3. Systembezogene Kompetenzen: technische Fähigkeiten zur Implementierung und Nutzung von KI-Systemen, einschliesslich IT-Infrastruktur und Programmiersprachen
  4. Interaktionsbezogene Kompetenzen: Fähigkeiten zur Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen verschiedenen Stakeholdern im KI-Projekt
  5. Konsequenzbezogene Kompetenzen: Verständnis der ethischen, rechtlichen und sozialen Auswirkungen von KI-Systemen

Mithilfe dieses Schemas können Unternehmen Kompetenzprofile in verschiedenen Einsatz- und Aufgabenbereichen, die mit KI verknüpft sind, entwickeln.

Quellen

[1] Workday. (2025, 14. Januar). Neue Workday-Studie zeigt: KI macht menschliche Fähigkeiten in der Arbeitswelt wichtiger denn je. Workday Newsroom. Abgerufen von workday.com
[2] Seufert, S., & Meier, C. (2023). Hybride Intelligenz: Zusammenarbeit mit KI-Assistenzsystemen in wissensintensiven Bereichen. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 60(6), 1194-1209.
[3] Neuhaus, U., Schulz, M., Schröder, H., & Herrmann, F. (2024). Kompetenzfelder künftiger Beschäftigter im Bereich Künstlicher Intelligenz. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 61(2), 471-484.

Take Aways

  • Erfahrung mit KI beeinflusst die Einstellung: Wer KI regelmässig nutzt, bewertet ihre Vorteile positiver und erwartet mehr strategische und kreative Freiräume in der Arbeit.
  • KI ist im Hinblick auf Arbeit nicht homogen. Sie kann in verschiedenen Rollen mit Menschen zusammenwirken: als Assistent, Koordinator oder Experte, und menschliche Intelligenz ergänzen oder ersetzen. Folglich sind Kompetenzprofile der Mitarbeitenden im Hinblick auf diese Arbeit breit gefächert.
  • Eine von Neuhaus, Schulz u.a. (2024) publizierte Studie schlägt ein Kompetenzmodell vor, mit dem Kompetenzprofile für ein breiter gefächertes KI-Einsatzspektrum entwickelt werden können.
  • Wichtige KI-Kompetenzen generell: Verständnis für KI, zielgerichtete Zusammenarbeit, Reflexionsfähigkeit und ethische Sensibilität.

Artikel teilen


Weitere Artikel zu diesem Dossier


Computer says no
Hybride Intelligenz Künstliche Intelligenz Customer Experience

Computer says no

20.03.2025

KI-basierte Technologien wie Chatbots und Self-Service-Tools halten ungebremst Einzug. Sowohl in der Interaktion mit externen Kunden – aber auch im Austausch mit «internen Kunden» zwischen HR und Mitarbeitenden. Wie KI und Human Intelligence für eine bessere Kundenorientierung ­zusammenwirken müssen: Die Service-Expertin Petra Rüegg kommentiert vier kritische Thesen zur Kundenorientierung im KI-Zeitalter.

Alle Fokus-Dossiers anzeigen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.

Folgen sie uns auf