Kundenorientierung in der KI-Transformation

Donnerstag, 20. März 2025 - Karen Heidl
KI im HRM: Was ist derzeit State of the Art, und welche kritischen Themen sind bei der digitalen Transformation zu beachten? Lorena Gamez berichtet aus ihrer Erfahrung als Beraterin beim HR-Plattform-Anbieter Workday.

Seit Anfang 2023 steht KI ganz oben auf der Agenda der Unternehmen. Zu diesem Zeitpunkt erblickte ChatGPT das Licht der allgemeinen Aufmerksamkeit. Heute kann man häufig beobachten, dass ChatGPT in Diskussionen synonym für KI verwendet wird. Tatsächlich allerdings spielen intelligente Algorithmen schon viel länger eine Rolle; der gefühlte Innovationsdruck wurde aber mit der Popularisierung der Anwendungsfälle durch ChatGPT massiv verstärkt. Viele Unternehmen planen nun umfassende Revisionen ihrer Prozess- und IT-Landschaft mithilfe von Cloud- und KI-­gestützten Lösungen, von denen Nutzende meist nur indirekt Kenntnis erhalten.

Lorena Gamez

war bereits für über 100 Organisationen in Europa, Nahost, Südafrika und Amerika an HR-Transformationen beteiligt. Die ausgewiesene Technologie-­Enthusiastin ist als Senior Director Strategic ­Customer Engagement Product bei Workday tätig, wo sie bis vor kurzem als Lead Strategic Advisor gewirkt hat.

Risiken für die Akzeptanz

Kundenorientierung ist nicht nur in der Aussenorientierung eines Unternehmens ein kritischer Faktor für dessen Erfolg. Auch in der internen Interaktion ist eine achtsame Dienstleistungskultur wichtig für die Mitarbeiterzufriedenheit, die wiederum in die Zufriedenheit externer Kunden mündet. Mit den Spracherkennungs- und Analysefähigkeiten einer KI lassen sich HRM-Systeme sehr effizient betreiben. So geht für viele HR-Verantwortliche mit Einführung umfassender HRM-Systeme die Erwartung einher, repetitive administrative Prozesse zu automatisieren und mehr Zeit für gestaltende, strategische Aufgaben zu gewinnen.

Standardisierte und vollständig automatisierte Prozesse sind naturgemäss anonymer und weniger flexibel als teil­digitalisierte Prozesse. In der Folge fühlen sich Mitarbeitende vielleicht weniger wahrgenommen und um Möglichkeiten für wertschätzende persönliche Gespräche beraubt. Auch Nachlässigkeiten in der automatisierten elektronischen Kommunikation oder eine Benutzerführung, die nicht intuitiv ist, können neben vielen weiteren Stolpersteinen zu Frustration und Ablehnung der Prozesse und Dienstleistungskultur des HR, der Finanz- oder anderer Abteilungen führen. Sie werden ihren Vorbildfunktionen dann nicht gerecht.

Was kann man tun, um zu vermeiden, dass Mitarbeitende mit den neuen Assistenzsystemen die beschriebenen Erfahrungen machen, während sich die HR-Verantwortlichen aus Sicht der Belegschaft in einen «strategischen Elfenbeinturm» zurückziehen?

Kundenorientierung als Designprinzip

Seit zwanzig Jahren führt das Unternehmen Workday Organisationen bei der Implementierung ihrer Cloud-­Lösungen vor allem im Personal- und Finanzwesen durch umfassende digitale Transformationsprojekte. Lorena ­Gamez begleitet als Senior Director Strategic Customer Engagement international grosse und mittelständische Unternehmen in solchen Projekten. Kundenorientierung definiert sie in zwei Richtungen: Zum einen gehe es um eine planungssichere Projektumsetzung, zum anderen um eine positive Beeinflussung der Kundenorientierung der auftraggebenden Unternehmen. Sie empfiehlt, bereits vor Projektbeginn klare Governance-Strukturen (siehe Kasten) zu schaffen und Rollen und Verantwortlichkeiten zu definieren. Zudem unterstütze eine Software, die von den Unternehmen weitgehend selbst auf die eigenen Bedürfnisse konfiguriert werden könne, die Akzeptanz und den Erfolg der Transformation.

Governance-Strukturen in IT-Transformationsprojekten

Governance-Strukturen in IT-Transformationsprojekten beziehen sich auf die organisatorischen Rahmenbedingungen, Prozesse und Entscheidungsmechanismen, die sicherstellen, dass ein
IT-Transformationsprojekt effizient, regel- und strategiekonform umgesetzt wird. Ihre Kernbestandteile sind:

1. Organisatorische Verantwortung und Rollenverteilung
– Steuerungsgremien: Höchste Entscheidungsinstanz, oft ­bestehend aus Führungskräften aus IT und Fachbereichen.
– Projektmanagement Office (PMO): Koordiniert und überwacht das Projekt, stellt Methoden und Standards bereit.
– Architektur- und Sicherheitsgremien: Stellen sicher, dass technologische Entscheidungen den Unternehmens­standards und den regulatorischen Vorgaben entsprechen.
– Fachabteilungen und IT-Teams: Verantwortlich für die ­Umsetzung und die Integration in die Geschäftsprozesse.

2. Richtlinien und Standards
– Definition von IT-Architekturprinzipien
– Einhaltung von Compliance-Vorgaben (z.B. Datenschutz­gesetze, ISO 27001)
– Nutzung standardisierter Projektmanagement-Methoden (z.B. PRINCE2, PMI, SAFe für agile Transformationen)

3. Entscheidungsprozesse
– Klare Eskalationsmechanismen bei Problemen
– Entscheidungsmatrix für technische und strategische ­Fragen
– Regelmässige Status-Meetings und Reporting-Strukturen

4. Risikomanagement und Qualitätssicherung
– Identifikation und Bewertung von Projektrisiken
– Regelmässige Audits und Reviews
– Test- und Freigabeverfahren für neue IT-Systeme

5. Kommunikations- und Change-Management-Strategien
– Transparente Kommunikation mit Stakeholdern
– Schulungen und Unterstützung für Mitarbeitende
– Massnahmen zur Akzeptanzsteigerung neuer Technologien

Bei der Verbesserung der Kundenorientierung sei der Mindset-Shift oft eine grosse Herausforderung, berichtet sie. «Man muss über den Tellerrand der eigenen Abteilung hinausschauen und die Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens verstehen.» Jede Designentscheidung im Projekt sollte daraufhin abgeklopft werden, wie sie sich auf die Customer Experience auswirkt. «Stellen Sie sich vor, wir wären ein Ruderteam und jede Funktion im Unternehmen – HR, Finance usw. – sitzt in diesem Boot. Um das Boot schneller zu machen, müssen alle gemeinsam rudern und die gleiche Richtung einschlagen. Das bedeutet, dass die Kundenorientierung und der Einfluss auf die Customer Experience als Designprinzip verankert werden müssen. Wenn wir ein neues Feature im HR-Bereich einführen, müssen wir uns beispielsweise fragen: Macht das unser Boot schneller? Verbessert diese Funktion die Employee Experience? Und wie wirkt sich das wiederum auf die Produktivität, die Motivation und letztendlich auf die Zufriedenheit der Endkunden aus?»

Strategische Perspektive als Erfolgsfaktor

Dazu sei es wichtig, dass alle Projektbeteiligten die strategischen Zusammenhänge erkennten und die Implementierung digitaler Lösungen als Chance nutzten, ihre Prozesse ganzheitlich zu optimieren.

Ein gemeinsames Verständnis für den zu erzielenden Mehrwert für das Unternehmen sei also bereits in der Evaluierungsphase zu schaffen. Gamez referiert auf Deloittes Linking Strategy to Value-Model (siehe Kasten). Dies unterstreiche die Bedeutung messbarer Beiträge strategischer Initiativen zur Wertschöpfung des Unternehmens. Deshalb sei es essenziell, die HR-Transformation von Anfang an mit der Unternehmensstrategie zu verzahnen und einen Business Case zu erstellen, der die strategischen Ziele und den erwarteten Nutzen klar definiert.

«Gemeinsam mit den Auftraggebenden entwickeln wir klare Leitprinzipien und Governance-Modelle, die die Kundenorientierung des Unternehmens in jeder Entscheidung verankern. Dabei definieren wir Erfolgskriterien, die über die reine Funktionalität hinausgehen und sich an der Deloitte Enterprise Value Map orientieren», erläutert Gamez das Vorgehen bei Workday.

«Der Go-live ist aber erst der Anfang der Reise», betont sie. Sobald die neuen Lösungen genutzt werden, müssen die Ziele kontinuierlich überprüft, gefördert und aktualisiert werden. Auch dafür bietet Workday abonnementbasierte Dienste an, die von On-Demand-Schulungen bis zur strategischen Beratung über das weitreichende Partnernetzwerk reichen.

Deloitte Linking Strategy to Value-Model

Beim Deloitte Linking Strategy to Value-Model handelt es sich um einen strukturierten Ansatz, um den Mehrwert geplanter strategischer Initiativen zu bewerten und effektiv zu kommunizieren. Durch die systematische Analyse dieser ­Werttreiber können Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen und sicherstellen, dass ihre Strategien sowohl den Unternehmenszielen als auch den Erwartungen der Stakeholder entsprechen. In der ­Deloitte Enterprise Value Map werden mögliche Werttreiber zu bestimmten Massnahmen dargestellt.

Lese-Tipp:

Einen weniger komplexen Ansatz zeigt der Artikel «Wenn du es eilig hast, gehe langsam».

Beispiele für KI zur Unterstützung der Kundenorientierung

In der Workday-Plattform ist KI wie in vielen anderen umfassenderen Business-Anwendungen seit vielen Jahren ein integraler Bestandteil. Sie spiele, so Gamez, eine immer wichtigere Rolle bei der Verbesserung der Kundenorientierung. «Wir haben eine Reihe von KI-gestützten Anwendungsfällen entwickelt, die Unternehmen dabei helfen, ihre HR-Prozesse zu optimieren, die Mitarbeitererfahrung zu verbessern und die Entscheidungsfindung zu beschleunigen.» Sie nennt einige Beispiele für solche Funktionen, die auf die Verbesserung der Kundenorientierung zielen:

So ermögliche Workday Unternehmen, die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter zu erfassen und zu analysieren. Kritische Qualifikationslücken können so identifiziert und entsprechende Upskilling-Möglichkeiten proaktiv an die Mitarbeitenden herangetragen werden. Auch interne Talente können mithilfe von KI schnell identifiziert und für Projekte, in denen spezielle Fähigkeiten benötigt werden, gewonnen werden. Diese Möglichkeit, von den Ressourcen der eigenen Mitarbeitenden ein transparentes Bild herzustellen, gewährt Unternehmen, in denen Dynamik und Flexibilität gefragt sind, deutliche Vorteile. Auch bei der Personaleinsatzplanung und der Bedarfsprognose können die KI-basierten Lösungen helfen, die den Bedarf und die benötigten Qualifikationen der Mitarbeitenden prognostizieren.

Jeder kennt Mitarbeiterumfragen. Was im Marketing schon lange Praxis ist, hält seit einiger Zeit auch Einzug in Tools zur Messung des Mitarbeiterengagements: Rückmeldungen nach Stimmungen, Muster und Trends werden mittels KI semantisch analysiert. «Glückliche Mitarbeitende bedeuten glückliche Kunden!», sagt Gamez. «Durch die Kombination mit Workday-Analytics-Funktionen können Unternehmen diese Erkenntnisse mit kundenorientierten KPIs wie Customer Satisfaction Score (CSAT) oder Net Promoter Score (NPS) korrelieren und so die Auswirkungen von Mitarbeiterengagement auf die Kundenzufriedenheit messen.»

Lorena Gamez macht abschliessend deutlich, wohin die Reise gehen wird: «KI-basierte Lösungen spielen eine wichtige Rolle, um die User Experience von HR-Software zu verbessern. Bei Workday entwickeln wir Lösungen, die effizient und intuitiv sind und gleichzeitig wertvolle Einblicke liefern. So können sich unsere Kunden auf das konzentrieren, was am wichtigsten ist: ihre Mitarbeitenden, ihre Kunden und den Erfolg des Unternehmens.»

Take Aways

  • Kundenorientierung ist Unternehmenskultur: Sie betrifft nicht nur externe Kunden, sondern auch die interne Zusammenarbeit und beeinflusst Kommunikation, Interaktion und Verantwortung für die Zufriedenheit externer Kunden.
  • Automatisierte HR-Prozesse bieten Effizienzvorteile, die sie nur erzielen, wenn sie von den Nutzenden akzeptiert werden. Deshalb ist eine positive Nutzererfahrung in allen Entwicklungen zu hinterfragen und zu optimieren.
  • Governance-Modelle, die Verantwortlichkeiten klar regeln, und eine enge Verzahnung mit der Unternehmensstrategie sind essenziell für eine erfolgreiche digitale Transformation.
  • Beispiele für KI als Treiber für Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit: Personaleinsatzplanung, automatisierte Qualifikationsanalysen für Project-Recruiting und Talent-Development sowie Mitarbeiterfeedback-Auswertung nach Mustern und Stimmungen.
  • Der Go-live ist nur der Anfang – digitale Lösungen müssen kontinuierlich überprüft, der Unternehmensstrategie angepasst und weiterentwickelt werden.
  • Die definierten Effizienz- und Qualitätsziele der Transformation sollten so definiert sein, dass deren Erreichung überprüfbar ist.

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