Nachgefragt bei Esther Frasconi, Rewards & HR Operations
Manager bei Adecco Group und Vizepräsidentin der Pensionskasse
Welche Auswirkungen der Welche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt erwarten Sie?
Ich denke, dass das Homeoffice bleiben wird. Die hybriden Arbeitsmodelle verstärken den Kampf um Talente. Personen können nun nicht nur in Lausanne wohnen und in Zürich arbeiten, sie können in Drittstaaten leben und online an Meetings teilnehmen. Man muss die Linienmanager dafür schulen, dass die Mitarbeiter nicht mehr vor Ort im Büro, sondern überall auf der Welt verteilt sind. Der Arbeitgeber muss seine Fürsorgepflicht weiterhin wahrnehmen, auch wenn er weniger Kontrolle hat. Vier verschiedene Generationen, die unterschiedlich kommunizieren, müssen virtuell zusammen arbeiten. Das ist nicht einfach. Personen, die neu eingestellt, aber das Team noch nie physisch getroffen haben, muss man besonders gut abholen. Je nach Wohn- und Familiensituation wird das Homeoffice unterschiedlich erlebt. Ich persönlich sehe nur Vorteile, da das lange Pendeln wegfällt und ich Beruf und Privatleben viel besser vereinbaren kann.
Wird es mehr Outsourcing geben?
Outsourcing ist nichts Neues. Für viele Firmen ist es schon länger ein Thema. Es wurde durch Covid noch beschleunigt. Dasselbe gilt für die Digitalisierung.
Welche Branchen werden mehr Personal brauchen in nächster Zeit?
Spontan fällt mir da die Logistik ein. Menschen, die früher nicht online bestellt haben, sind nun auf den Geschmack gekommen. Zudem alle Bereiche, die mit Digitalisierung und Transformation zu tun haben.
Spielt die Pensionskassenlösung für die Arbeitgebermarke eine Rolle?
Ja. Das habe ich gesehen in meiner langjährigen Tätigkeit im Recruiting. Sehr oft hatten wir separate Gespräche betreffend Pensionskasse, vor allem bei Personen in Kaderfunktionen und Kandidaten ab ca. 35. Beim Entscheid, ob man die Stelle wechselt, sollte die Pensionskasse immer eine Rolle spielen, aber auch andere Elemente wie Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten, Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Mit einer guten Pensionskassenlösung kann sich ein Arbeitgeber hervorheben. Sie ist aber nur ein Element im Gesamtpaket. Gemäss meiner Erfahrung fragen Personen unter 35 Jahren weniger nach Pensionskassenleistungen.
Haben ältere Arbeitslose auf dem Arbeitsmarkt noch Chancen?
Wir wissen aus Studien, dass ältere Menschen weniger oft zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Dies ist aber nicht immer «nur» mit dem Alter zu begründen. Verschiedene Faktoren spielen hier eine Rolle, wie die Aus- und Weiterbildungen, die berufliche Fitness, die Berufserfahrung oder auch die persönliche Einstellung. Zudem sollte man sich im Interview gut präsentieren können.
Wieso haben Frauen schlechtere Karrieremöglichkeiten und tiefere Renten als Männer?
Ich habe das Gefühl, dass in der Schweiz die Gesellschaft nach wie vor erwartet, dass Mütter zugunsten der Kindererziehung daheim bleiben oder Teilzeit arbeiten. In Ländern mit staatlicher Kinderbetreuung ist das anders. Ich sehe es als Privileg an, dass sich Frauen in der Schweiz leisten können, daheim zu bleiben. In vielen Ländern kann eine Familie von einem einzigen Lohn fast nicht leben. Es führt für die betroffenen Frauen zu schlechteren Karrieremöglichkeiten und tieferen Renten. Die Berufserfahrung ist ein entscheidender Faktor bei der Lohneinstufung. Jemand, der 100% arbeitet, sammelt mehr Erfahrung als jemand mit einem 50-Prozent-Pensum. Mit einem kleinen Pensum hinkt man hinterher und ist oft abhängig vom Partner. Ich persönlich bewundere jede Mutter, die zugunsten der Kindererziehung ihre eigenen Bedürfnisse zurücksetzt und nicht oder Teilzeit arbeitet. Ich finde es aber auch wichtig, dass die Betroffenen sich der Konsequenzen bewusst sind.
Interview: Judith Yenigün-Fischer, Redaktorin «Penso»