Schweizer Konjunktur im Hoch – jedoch getrübte Aussichten

Dienstag, 09. August 2022
Die Geschäftslage der Schweizer Unternehmen bekommt im Juli einen kleinen Dämpfer. Sie ist aber weiterhin besser als zu Beginn dieses Jahres und zuvor war die Lage letztmals im Juli 2011 günstiger als derzeit. Bezüglich der Geschäftsentwicklung im kommenden halben Jahr sind die Unternehmen allerdings deutlich weniger optimistisch als bisher. Der Gegenwind für die Schweizer Konjunktur dürfte in der nächsten Zeit zunehmen.

So fasst die Konjunkturforschungsstelle in ihrer Medienmitteilung die Ergebnisse der aktuellen Befragung von ca. 4500 schweizerischen Unternehmen zusammen.

In der Mehrzahl der befragten Wirtschaftsbereiche kühlte sich die Geschäftslage im Juli ab. Besonders spürbar sei dies im Detailhandel, wo der Geschäftslageindikator nach über einem Jahr im Höhenflug nun deutlich nach unten tendiert. Weniger ausgeprägt zeige sich der Rückgang im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, im Grosshandel sowie im Verarbeitenden Gewerbe. Obwohl der Schweizer Franken gegenüber dem Euro jüngst aufwertete, spürten gemäss der Umfrage die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes momentan keinen starken Verlust an Wettbewerbsfähigkeit im EU-Markt.

Die Dynamik des Preisauftriebs nimmt ab

Der Preisauftrieb ist nach wie vor sehr hoch, wird sich aber nicht weiter verstärken. Je nach Sektoren sind die Entwicklungstendenzen unterschiedlich. Das Gastgewerbe und die übrigen Dienstleister planen etwa vermehrt Preisanhebungen, während die Preisplanungen im Verarbeitenden Gewerbe und im Grosshandel nicht mehr ganz so stark nach oben gerichtet sind wie bisher. Diese Heterogenität könnte zusätzlich darauf hindeuten, dass die Geschwindigkeit der Preissteigerungen insgesamt zumindest nicht mehr so stark zunehmen werde, so die Medienmitteilung.

Prognose: Bruttolöhne werden nicht mit der Inflation Schritt halten

Die KOF hat in ihre reguläre Konjunkturumfragen im Juli Fragen zu den Erwartungen der Firmen über die Lohnentwicklung im eigenen Unternehmen und zur Inflationsentwicklung (des Konsumentenpreisindex) aufgenommen. Diese Fragen werden zukünftig alle drei Monate erneut gestellt. Die jetzigen, noch provisorischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bruttolöhne gemäss den Erwartungen der Unternehmen bis in einem Jahr durchschnittlich um leicht mehr als 2% steigen. Die Umfrageteilnehmenden gehen damit davon aus, dass die Bruttolohnsteigerungen in diesem Zeitraum mit der Inflation eher nicht Schritt halten werden.

Arbeitsmarkt-Prognose

In einer Analyse einzelner Themenstellungen attestieren die Forschenden einen boomenden Arbeitsmarkt. Gemäss des Bundesamtes für Statistik (BFS) stieg die Beschäftigung bis Ende März im Vergleich zum Vorjahr um 2.5%. Die Arbeitslosenquote des SECO lag Ende Mai saisonbereinigt bei 2.1%.

Viele Unternehmen berichten von Rekrutierungsschwierigkeiten: Es gibt im Vergleich zur Zahl Stellensuchender relativ viele offene Stellen, nämlich 0.6 statt normalerweise 0.3. Dieser Fachkräftemangel sei zu einem Bremsfaktor für die Unternehmen geworden, und zwar auch in Branchen, in denen Fachkräftemangel bisher kaum ausgeprägt war, wie beispielsweise im Gastgewerbe. In dieser Branche meldeten im April fast 40% aller Auskunft gebenden Firmen, dass ihre Dienstleistungserbringung durch den Arbeitskräftemangel gehemmt werde. Im historischen Durchschnitt lag dieser Anteil nicht über 20%, so die Analyse.

Kurzfristig, lautet die Prognose der KOF, sei trotz Ukraine-Krieg und gestiegenen Inflationsängsten nicht mit einem abrupten Ende des Beschäftigungsaufbaus zu rechnen. Die meisten Vorlaufindikatoren des Arbeitsmarkts deuteten weiterhin auf eine grosse Bereitschaft der Firmen hin, neue Stellen zu schaffen. Trotzdem rechne die KOF für die zweite Jahreshälfte 2022 mit einer etwas gebremsten Dynamik im Aufbau neuer Stellen. Insgesamt wird für 2022 ein Beschäftigungswachstum von 2%, für 2023 eine überdurchschnittliche Zuwachsrate von 0.9% prognostiziert. Nach dem dritten Quartal 2022 wird die Arbeitslosigkeit auf tiefem Niveau stagnieren. Die Arbeitslosenquote gemäss SECO wird im Jahresdurchschnitt 2022 bei 2.1% und 2023 bei 2.2% liegen.

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