Bereits zu Beginn der Pandemie zeigte sich, dass Frauen und Männer unterschiedlich von der Krise betroffen waren. Berufsfelder mit hohen Frauenanteilen wie Pflege oder Kinderbetreuung wurden über Nacht als systemrelevant erkannt. Schulschliessungen und Home-Office erforderten eine Neuorganisation von Betreuungsverpflichtungen. Zu dieser Situation gab die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF beim Büro BASS eine Gender-Impact-Analyse in Auftrag. Gefragt wurde, wie sich Schutzmassnahmen und Bundeshilfen auf die Erwerbs- und Familienarbeit auswirkten. Welche Effekte hatte die Pandemie auf Beschäftigung, Einkommen und familiäre Arbeitsteilung? Haben Frauen und Männer gleichermassen von den Bundeshilfen profitiert?
Verstärkung geschlechterspezifischer Schieflagen
Die Schliessung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen verstärkte die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Frauen übernahmen mehr Kinderbetreuung und reduzierten ihre Erwerbstätigkeit. Zudem verschärfte die Home-Office-Pflicht zum Teil Vereinbarkeitskonflikte, insbesondere wenn die Rahmenbedingungen nicht geregelt waren und gleichzeitig Kinder betreut werden mussten.
Jobverluste
Die Beschäftigung ging in einigen Branchen stark zurück. Das Gastgewerbe war von diesem Rückgang besonders betroffen. Am stärksten zurückgegangen ist das Arbeitsvolumen bei Frauen mit Arbeitspensen unter 50%. Trotz des allgemein stabilen Lohnniveaus während der Pandemie verdienten vor allem Haushalte mit tiefen Einkommen und damit überdurchschnittlich viele Frauen weniger. Die Untersuchung der staatlichen Geldflüsse zeigt auch, dass weniger Hilfen in Form von Kurzarbeitsentschädigung und finanziellen Hilfen an Betriebe in die Branche der «sonstigen Dienstleistungen» flossen als erwartet. Dazu gehören persönliche Dienstleistungen wie Coiffeur- und Kosmetiksalons mit einem hohen Frauenanteil an den Beschäftigten. Für Selbständige stand Covid-Erwerbsersatz zur Verfügung. Doch es ist zu vermuten, dass Solo-Selbständige mit Teilzeitpensum das festgesetzte Mindesteinkommen nicht immer erreichten und ihnen dann der Zugang zu den Hilfen verwehrt blieb. Prekär war die Covid-19-Krise aber vorab für Erwerbstätige, die von den Covid-Hilfen ganz ausgeschlossen waren. Dies traf speziell auf Beschäftigte in privaten Haushalten zu. Fast 90% davon sind Frauen, oft mit sehr tiefen Einkommen und unsicherem Aufenthaltsstatus. Sie wurden nicht unterstützt, sondern einfach an die Arbeitslosenversicherung verwiesen, obwohl sie in der Pandemie zu den besonders vulnerablen Gruppen gehörten.
Gleichstellung fördert Resilienz einer Gesellschaft
Dass die Pandemie-Massnahmen Geschlechterungleichheiten verschärft haben, liege zu einem wesentlichen Teil daran, dass sie auf bereits bestehende Schieflagen trafen, heisst es in der Medienmitteilung der EKF. Dazu hat die EKF Empfehlungen erarbeitet, denn je gleichberechtigter eine Gesellschaft ist, desto resilienter sei sie auch in Krisen.
Empfehlungen der EKF
Vor diesem Hintergrund empfiehlt die EKF folgende Massnahmen:
- eine Aufwertung von Niedriglohnjobs
- die Neuqualifizierung von Frauen durch Weiterbildung und Bildungsangebote, die mit der Kinderbetreuung vereinbar sind
- staatliche Förderung des Elternurlaubs und der Kinderbetreuung
- ein Recht auf Arbeitszeitreduktion für Eltern
- ein Recht auf Rückkehr zum ursprünglichen Beschäftigungsgrad nach einer vorübergehenden Senkung
Studie
Heidi Stutz, Severin Bischof und Lena Liechti: Genderspezifische Effekte der staatlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus Covid-19, Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS, XXI,107 S., Bern, Mai 2022.
Empfehlungen
Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF: Empfehlungen zur Studie «Genderspezifische Effekte der staatlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus Covid-19», Mai 2022.