Team-Building – mehr als ein Event

Donnerstag, 28. November 2024 - Karen Heidl
Ein Team-Building-Event soll die Wende bringen. Das Team soll besser ­kommunizieren. Mehr Verantwortung übernehmen. Mehr Lust auf den Job ­bekommen. Um dann in einen Alltag zurückzukehren, in dem sich doch nichts ­verändert: Was läuft da falsch? Resilienz-Trainerin Anja Peter weiss Antworten.
Team-Building-Events scheinen manchen Führungskräften ein probates Mittel, Missstimmungen im Team zu adressieren. Dies stösst nicht immer auf Begeisterung im Team selbst. Was gilt es zu reflektieren?

Resilienz- und Stressmanagement hat sehr viel damit zu tun, wie Kommunikation wahrgenommen wird: Entweder ist diese im Fluss oder eben nicht. Wenn das Team Probleme in der Zusammenarbeit hat und die Führungskraft die Ursachen nicht kennt, ist eine tiefergehende Analyse sinnvoll. Aktuelle Forschung, wie sie McKinsey durch die Identifikation von 17 sogenannten «Gesundheitstreibern» für Teams durchführt, zeigt, dass neben der individuellen Leistung die Interaktion und die Dynamik im Team entscheidend sind. Gesundheitsfaktoren wie Vertrauen, Kommunikationsqualität und Entscheidungsfähigkeit fördern dabei die langfristige Teamleistung und können gezielt analysiert werden, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Dafür eignen sich verschiedene Tools. Sehr empfehlenswert ist u.a. die «Job-Stress-Analysis» (JSA) von Gesundheitsförderung Schweiz.

Eine Analyse wie die JSA ist für eine gezielte Teamentwicklung unerlässlich, weil sie Faktoren identifiziert, die für das Team oft unsichtbar sind und trotzdem zentrale Ursachen von Spannungen darstellen. Das Instrument, in Zusammenarbeit mit der Uni Bern entwickelt, erfasst umfassend arbeitsorganisatorische und soziale Ressourcen sowie Belastungen, psychische Gesundheit und weitere zentrale Einflüsse auf die Teamleistung. Diese erste Analyse bietet eine klare Ausgangslage und zeigt, ob externe Beratung oder ein Team-Event nötig sind oder ob die Themen intern gelöst werden können.

Anja Peter Anja Peter

Anja Peter

Anja Peter ist Geschäftsführerin der Human Empowerment Center AG in Luzern. Mit über 20 Jahren Erfahrung in Führungspositionen im Bankensektor gründete sie 2017 das Unternehmen, das sich auf Resilienz-Trainings und betriebliche Gesundheitsförderung spezialisiert hat. Ihr Fokus liegt auf der Entwicklung gesunder, leistungsfähiger Teams durch wissenschaftlich fundierte Methoden. Dabei setzt sie sich für einen stärken- und ressourcenorientierten Führungsstil ein. Weitere Informationen: human-epc.ch

Das Tool Job-Stress-Analysis

Die Job-Stress-Analysis von Gesundheitsförderung Schweiz ist ein wissenschaftlich validiertes Online-Befragungsinstrument, das Unternehmen einen Überblick über die Belastungen und Ressourcen ihrer Mitarbeitenden bietet. Der Test ist in mehreren Sprachen verfügbar. Ein Modul steht als Gratistest zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie unter gesundheitsfoerderung.ch oder friendlyworkspace.ch

Dazu muss man ins Gespräch kommen …

Genau, manchmal gibt es einfach «bad feelings», die man eigentlich schnell lösen könnte. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Ich arbeitete mit verschiedenen Teams, die von einem kleineren Grossraumbüro in ein grösseres umgezogen waren. Das wäre ja eigentlich eine positive Entwicklung, aber es machte sich Missstimmung breit, Reizbarkeit, schlechte Laune. Nach einer JSA-Umfrage erkannten wir, dass die Stimmung an einem einzigen Thema hing: Das neue Büro hatte keine Sonnenblenden, und alle Bildschirme waren ausgerechnet gegen die Fenster ausgerichtet – also Blendung pur. Zudem hatte es Durchzug, und ein grosser Teil der Leute war ständig krank. Daraus ergab sich eine konfliktfreudige Atmosphäre, in der man einander auch nicht mehr richtig unterstützte. Als diese Probleme gelöst waren, verbesserte sich auch die Stimmung untereinander.

Wie stehen Sie zu Diagnostik-Tools?

Wir arbeiten mit dem Analyse-Tool ClaVis, das in nur fünf Minuten die Persönlichkeitsdimensionen nach Julius Kuhls Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen und zudem die zwei Systeme von Daniel Kahneman abbilden kann (siehe Infobox). Ich erlebe durchaus Workshops, in denen die Teammitglieder sehr analytisch und weniger empathisch sind, so dass sie nicht über das «Handwerkszeug» verfügen, diffuse, emotionale Stimmungen wahrzunehmen und damit umzugehen. Das sind für sie keine Facts, die sie einfach lesen könnten. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmungsfähigkeit führt oft dazu, dass HR-Führungskräfte Unterstützung suchen, um die Teamdynamik gezielt zu verbessern und emotionale Spannungen zu adressieren.

Worauf kommt es bei der Durchführung eines Team-Building-Events an?

Drei Punkte sind essenziell. Die wichtigste Rahmenbedingung ist die Führungskraft. Man muss immer vom Ich zum Wir denken. Und dies betrifft auch die Führungskraft. Es stellt sich die Frage, mit welchem Mindset sie in einen solchen Event geht. Ist sie auch bereit, sich selbst kritisch zu hinterfragen? Ich habe schon Führungskräfte erlebt, die sich erkundigten, ob man den Workshop auch ohne sie durchführen könne. Die Führungskräfte sind immer Teil des Systems von Ursache und Wirkung. Ihre Einstellungen haben einen grossen Einfluss.

Sind Führungskräfte bereit, an ihren Einstellungen zu arbeiten?

Diverse Forschungen zeigen, dass Führungskräfte oft eine optimistischere Sicht auf die Teamwirksamkeit haben als ihre Teammitglieder. Daher ist es entscheidend, Feedback von allen Mitgliedern zu berücksichtigen, um blinde Flecken zu vermeiden und ein umfassenderes Bild der Teamdynamik zu erhalten. Dies kann Führungskräften helfen, die richtigen Prioritäten für eine nachhaltige Teamgesundheit zu setzen. Der zweite wichtige Punkt ist die Freiwilligkeit für die Teammitglieder. Es gibt mitunter auch Workshops, die verordnet werden. Das finde ich immer sehr schwierig. Mittlerweile nehmen wir solche Aufträge nur noch bedingt an. Wenn Leute die Einstellung haben, dass sie selbst sowieso kein Problem haben und sich in dem Gremium nicht öffnen wollen – wie soll dann ein Workshop funktionieren? Interessant ist dabei auch die Erkenntnis, dass unterschiedliche Teamstrukturen unterschiedliche Arten von Verbindlichkeit und Engagement benötigen. Es gibt Teamtypen, die klare, formale Strukturen brauchen, während andere von lockererer Zusammenarbeit profitieren. Dies kann helfen, den richtigen Rahmen für Team-Building-Massnahmen zu setzen. Die dritte Rahmenbedingung: das Vertrauen im Workshop. Wenn Teammitglieder darauf vertrauen können, dass sie gehört, respektiert und nicht verurteilt werden, fällt es ihnen leichter, Herausforderungen oder Konflikte anzusprechen und sich wirklich darauf einzulassen.

Gibt es Situationen, in denen ein verordneter Workshop dennoch sinnvoll ist?

Es gibt auch Teams, in denen es wirklich brennt und in denen akuter Handlungsdruck besteht. In solchen Situationen rate ich durchaus auch zu Pflichtevents. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Team deutliche Belastungserscheinungen zeigt, vielleicht schon Leute erkrankt sind – dabei muss es sich nicht immer um Burn-out handeln – und man sieht, dass die gesamte Energie nachlässt. Ein solcher Pflichtevent hat dann aber auch einen anderen Charakter. Es bietet sich zum Beispiel an, erst einmal die Wahrnehmungen und gegebenenfalls Befragungsergebnisse und einige betriebswirtschaftliche Fakten zu präsentieren. Das verdeutlicht den Teilnehmenden die Gesamtsituation. Im Prinzip lädt man die Teammitglieder damit ein, an der Problemlösung mitzuwirken.

Wenn diese Vertrauensebene brüchig ist, welches Vorgehen empfehlen Sie dann?

In so einem Fall nutzen wir vor dem Team-Building-Event die regulären Gefässe, die es in den Unternehmen gibt. Also die klassischen Team-Meetings oder virtuellen Coffee-Breaks, um das Thema Vertrauen stärker zu erfassen. Mit diesem Vorgehen können wir die Menschen häufig ins Boot holen. Der Event wird dadurch zwar etwas verzögert, aber wenn dann alle wirklich dabei sind und sich zumindest darauf einlassen, ist dies einfach die beste Voraussetzung.

Welche alternativen Instrumente der Teamentwicklung im Alltag empfehlen Sie?

Ich war selbst lange genug als Führungskraft unterwegs und hatte nur wenig Budget, also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Das ist keine ungewöhnliche Situation. Ich finde Reflexionsrunden sehr wirkungsvoll. Wenn man diese gut strukturiert, bringen sie auch viel, und das Team engagiert sich entsprechend. Auch Check-in-Runden zu Beginn der Team-Meetings sind gute Möglichkeiten, auf Themen aufmerksam zu werden. Es gibt heute diverse Tools, mit denen Themen gezielt angestossen werden können. Ich bin auch ein Fan davon, so etwas wie ein Jahresmotto zu wählen. Dieses dient wie ein roter Faden im Gedächtnis, um die Themen im Alltag immer wieder zu reflektieren. Denn langfristige Veränderungen entstehen oft nur durch regelmässiges Reflektieren und Verstärken neuer Verhaltensmuster.

In Kürze: Kuhl und Kahneman

Die Persönlichkeits-System-Interaktionen-Theorie von Julius Kuhl betont Systemwechselwirkungen im Gehirn und deren Beitrag zur Selbststeuerung: Beispielsweise ist ein handlungsorientierter Zustand mit dem Extensionsgedächtnis verknüpft und fördert Selbstregulation – und damit Resilienz. Ein lageorientierter Zustand hingegen führt eher zu Inaktivität und negativen Emotionen.

Kuhls Persönlichkeitsdimensionen lassen sich in Daniel Kahne­mans Theorie vom schnellen und langsamen Denken übersetzen: Kahnemans «System 1» arbeitet schnell, intuitiv und automatisch, ohne bewusste Anstrengung. Es ist emotional und wird für Routineentscheidungen genutzt. «System 2» hingegen ist langsam, bewusst und analytisch. Es erfordert Konzentration und ist für komplexe Entscheidungen zuständig.

Wie lässt sich Teamwirksamkeit nachhaltig in der DNA des Unternehmens integrieren?

Dafür ist es wichtig, Team-Workshops und Reflexionsrunden als kontinuierlichen Prozess zu sehen, der die Teamkultur und Arbeitsweise über die Zeit verankert. So können Teams nicht nur kurzfristig Erfolge erzielen, sondern auch nachhaltig wachsen. Ausserdem empfehle ich alle Möglichkeiten, mit «Nuggets» zu arbeiten, also mit kleinen Lerneinheiten oder Input mit einer Dauer zwischen 15 bis 30 Minuten. Das Bewusstsein für Ressourcen zu wecken, sollte ein wichtiger Bestandteil von Reflexionsrunden sein. Dazu gehören auch die Persönlichkeitsressourcen sowie Gesundheit und Energielevel der individuellen Teammitglieder. Gerade auch beim Thema Selbstmanagement und Selbstfürsorge sollten Führungskräfte eine Vorbildrolle einnehmen, denn mit ihrem Handeln prägen sie die Kultur des Unternehmens. Indem Führungskräfte gemeinsam mit dem Team Selbstfürsorge betreiben, vermitteln sie ein stärkeres Bewusstsein dafür. Beispielsweise kann eine Atemübung vor einem Meeting den Kopf frei machen und Energie geben. Es gibt aber auch viele andere Möglichkeiten, Selbstfürsorgerituale zu etablieren. Solche Rituale schaffen Gemeinsamkeit und unterstützen die Resilienz eines Teams.

Take Aways

  • Fundierte Analyse: Team-Building-Events sind keine isolierte Lösung für Teampro­bleme, sondern sollten durch eine fundierte Analyse wie z.B. die «Job-Stress-Analysis» (JSA) vorbereitet werden, um Stressfaktoren und Ressourcen sichtbar zu machen.
  • Persönlichkeitsdimensionen verstehen: Tools wie ClaVis helfen, unterschiedliche Persönlichkeitsdimensionen zu erkennen, die die Teamdynamik beeinflussen.
  • Reflexive Führung: Führungskräfte prägen durch ihr Verhalten das Team und sollten daher selbstreflexiv sein und offen für Feedback.
  • Freiwilligkeit und Vertrauen: Dies sind wesentliche Grundlagen für erfolgreiche Team-Workshops; verordnete Massnahmen eignen sich nur bei akuten Problemen und sollten zur Problemlösung einladen.
  • Kontinuierliche Reflexion: Langfristige Verhaltensänderungen benötigen regelmässige Reflexionen und kleine Lerneinheiten, z.B. durch Check-ins, Jahresmottos oder Selbstfürsorgerituale, die die Teamkommunikation fördern.

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