«Wir haben einen guten Ruf»

Donnerstag, 06. Oktober 2022 - Karen Heidl
Die Gastronomiebranche kämpft mit dem Fehlen von qualifiziertem Nachwuchs und – verstärkt seit der Corona-Pandemie – mit Arbeitskräftemangel. Grossgastronom Manuel Wiesner erklärt im Gespräch mit Penso, wie das Unternehmen Mitarbeitende anzieht und bindet.

Über 970 Mitarbeitende aus 70 Ländern in 34 Gastrobetrieben in der Deutschschweiz – diese Kennzahlen umschreiben die Familie Wiesner Gastronomie (FWG) mit Hauptsitz in Dübendorf. Die Gastrobetriebe der Familie Wiesner sind für innovative, moderne Gastrokonzepte bekannt. Die Restaurantketten The Butcher (Burger), Negishi (Sushi), Nooch (Asia) sowie die Outback Lodge in Stadelhofen und diverse Take-Aways wurden seit 1991 von der Familie Wiesner entwickelt und erfolgreich etabliert. Inzwischen haben die Söhne von Fredy und Anita Wiesner, Daniel und Manuel, die Leitung des Unternehmens übernommen und führen es im Geist der Gründergeneration weiter. Neben Innovationsmut ist der Familie ein sorgfältiger Umgang mit Ressourcen wichtig – nicht nur in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf Umwelt und Belegschaft.

Das scheint sich auszuzahlen. «Wir mussten bisher noch kein einziges Restaurant wegen Personalengpässen tageweise schliessen. Wir haben jeden Tag geöffnet», sagt Manuel Wiesner im Gespräch. Während der Corona-Pandemie konnten im ersten Lockdown noch 10 Restaurants geöffnet bleiben, im zweiten 21 Restaurants. «In einem dritten Lockdown hätten wir 27 Restaurants geöffnet lassen können. Wir haben uns gut auf die Situation vorbereitet.» Seit 2004 betreibt die FWG einen Velo-Kurier-Service, sodass alle Systemprozesse für Auslieferungen bereits vorhanden waren. Damit wurde mit Lieferservices der Umsatz um den Faktor 4.5 erhöht. «Heute beschäftigen uns Energiefragen, beispielsweise ein drohender Strommangel.»

Zur Person

Manuel Wiesner ist in den Geschirrabwaschbereichen der FWG-Restaurants beim Brezel- und Glaceverkauf zusammen mit seinem Bruder Daniel aufgewachsen. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und bildete sich danach zum Treuhänder weiter. Seit 2013 ist er im Familienunternehmen FWG tätig, seit Januar 2020 als Co-Lead Strategy & Innovation.

Die Unternehmenskultur

Die Positionierung der FWG als Arbeitgeberin, die sich Nachhaltigkeit, Verantwortung, Bodenständigkeit und Transparenz in die Unternehmenskultur schreibt, entwickelte sich natürlich aus der Gründungsgeschichte des Unternehmens. So war es selbstverständlich, dass die Familie in allen operativen Tätigkeiten mitwirkte und mit den Mitarbeitenden gemeinsam Projekte realisierte. Daniel und Manuel Wiesner haben als Jugendliche bereits Würste und Glace verkauft und Manuel war vom 2020 bis 2022 selbst als zusätzlich zu seinem Job noch als Velokurier unterwegs. «Wenn es dem Unternehmen gut geht, fahren wir nicht mit einem Porsche vor. Wir sind immer diejenigen geblieben, die wir sind», sagt der sympathisch lachende Manuel Wiesner im sportlichen T-Shirt. «Besonders beliebt sind unsere Weihnachtsauftritte in den Restaurants, wo wir (Daniel und Manuel Wiesner) uns verkleiden, die Restaurants besuchen und kleine Geschenke mitbringen. Davon existieren einige Videos. Oder die Staff-Party alle drei Jahre, an der letztes Mal über 600 Personen teilgenommen
haben. Ich bin noch nie so häufig umarmt worden. Regelmässig im Sommer richtet das Support Office ein Firmen-Fussballturnier aus, bei dem wir die Mitarbeitenden bewirten.»

Dass ein Händedruck zu Weihnachten wenig bewirkt, wenn es keine Kontinuität in der Kommunikation mit den Mitarbeitenden gibt, macht Wiesner auch klar. Immer wenn er oder sein Bruder ein Restaurant besuchen, ist es ihnen wichtig, mit jedem Teammitglied persönlich ein paar Worte zu wechseln. Unternehmensweit wird eine Du-Kultur gepflegt. Der  Mitarbeiterkontakt hat immer Priorität. «Employer-Branding machen wir eigentlich schon lange, nur war es früher nicht so strukturiert. Für eine Arbeitgebermarke muss bereits eine Kultur vorhanden sein, auf der man dann ganz aufbaut.»

Arbeitgebermarke als Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie

Um Mitarbeitende zu binden und die Qualität auf einem hohen Niveau zu halten, spielt die Ausbildung der Mitarbeitenden eine wichtige Rolle: diese wird bei FWG systematisch gefördert. «Wir geben unseren Mitarbeitenden Chancen, die sie so in anderen Unternehmen nicht erhalten. Wir haben viele Mitarbeitende mit Migrationshintergrund, die in ihrem
Heimatland eine gute Ausbildung erhalten haben. Wir bemühen uns darum, sie so weiterzubilden, dass sie hier in der Schweiz auch unabhängig von uns etwas vorweisen können.»

Einen Anreiz dazu schafft unter anderem die Lohntransparenz des Unternehmens, deren Konzept 2021 entwickelt wurde. Schon seit 2017 wollte man zunächst ein Lohnband für die  jeweilige Position in den Stellenanzeigen kommunizieren. Daraus entwickelte sich im nächsten Schritt eine vollständige Lohntransparenz. Einerseits lässt sich auf Basis bestimmter Ausbildungs-, Praxis- und Aufgabenmerkmale mit einem Lohnrechner das betreffende Lohnband berechnen. Andererseits kann jedes Teammitglied via Lohnanfrageformular den Lohn
eines anderen – auch den der Geschäftsleitung – über die HR-Abteilung erfragen. Dafür gibt es ein formelles Prozedere. «Diese Anfragen bieten immer Anlass zum Gespräch, denn wenn jemand den Lohn einer oder eines anderen erfahren will, steckt dahinter immer ein Grund», kommentiert Wiesner die Erfahrung. Diesen kann das HRM anlässlich eines solchen Gesprächs dann abholen.

FWG-Foundation

Verantwortung für Umwelt und Menschen ist auch das Anliegen einer firmeneigenen Stiftung, mit der soziale und Umweltprojekte unterstützt und Menschen gefördert werden, für die die Integration ins Berufsleben erschwert ist. Gleichzeitig federt die FWG-Foundation Härtefälle für Mitarbeitende ab, unterstützt beispielsweise mit der Vermittlung von Schuldenberatung, gibt zinslose Kredite oder springt mit einem Flugticket nach Thailand für eine Mitarbeiterin ein, deren Vater erkrankt ist. «Die Stiftungskonstruktion gibt uns einige Handlungsspielräume, die wir so nicht hätten, würden wir diese Aufgaben direkt in der Firma ansiedeln. Die Entscheidenden innerhalb der Stiftung haben operativ keine Verbindung zur FWG und können die Anträge objektiv ausserhalb des Arbeitgeberverhältnisses bewerten», so Wiesner.

Gefragt nach der Retention der Mitarbeitenden wendet sich Wiesner seinem Laptop zu und checkt mit drei Mausklicks den durchschnittlichen Verbleib der Angestellten in den verschiedenen Gastrobereichen. Dieser sei im Benchmark der Branche recht gut, bewertet er die Zahlen, man müsse sich aber bewusst machen, dass am Ende die Summe aller Massnahmen auf die Arbeitgebermarke einzahle. Massnahmen wie die Lohntransparenz machten den Auftritt des Unternehmens, das sich als fair und nachhaltig agierend darstellen möchte, letztlich auch glaubwürdiger. Der Lohn selbst dürfe kein Grund sein, zum Unternehmen zu stossen. Aber er dürfe auch kein Grund sein, das Unternehmen zu verlassen, erläutert Wiesner die Lohnphilosophie. «Es gibt Menschen, die wegen Werten und Sinnhaftigkeit zur Arbeit kommen. Natürlich muss auch der Lohn stimmen. Und es gibt Menschen, die
das Unternehmen verlassen, wenn sie irgendwo mehr Lohn angeboten bekommen. Unternehmen, die Sinnhaftigkeit und Identifikation bieten, können hochqualifizierte Mitarbeitende gewinnen und binden. Mit einer Hochlohnstrategie ist es schwieriger, sie zu binden, oder sie bleiben, weil sie anderswo nicht mehr verdienen.»

Die Arbeitgebermarke in der Gastrobranche

«Die Branche tut sich mit dem Thema Arbeitgebermarke recht schwer», resümiert Wiesner die Situation. In traditionellen Landbeizen hänge viel von den Führungsqualitäten der Betreibenden ab. In der Grossgastronomie allerdings müsse man anders denken. «Man hat viel verpasst in den letzten Jahren und zu wenig Leute ausgebildet. Niemand will
mehr eine Lehre als Koch machen. Nun muss man an der Attraktivität der Branche arbeiten.» Die Viertageswoche beispielsweise dürfe man nicht auf die lange Bank schieben, sondern müsse heute überlegen, wie man sie einmal Realität werden lassen könne, fügt er hinzu. Auch die Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung verschliefen einige Branchen-Player. Lean Management sei ein Schlüssel in allen Prozessen der Gastronomie. Hier gebe es noch Potenziale zu heben. «Am Ende ist Arbeitgeberattraktivität nicht eine Sache des Budgets, sondern eine Sache des Herzens», schliesst Manuel Wiesner das Gespräch.

Take Aways

  • Die Arbeitgebermarke der FWG baute auf der bereits vorhandenen Unternehmenskultur auf, bevor explizite Strategien und Massnahmen entwickelt wurden.
  • Alle Employer-Branding-Massnahmen zahlen auf ein nachhaltiges People Management ein, dessen Ziele Nachwuchsförderung, Qualifizierung und Integration von Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund sind.
  • Transparenz, kontinuierlicher Austausch mit den Mitarbeitenden und  Unterstützungsangebote in Härtefällen fördern die Mitarbeiter-Loyalität.
  • Digitalisierung und Lean Management können Ressourcen für attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen.

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