Konzentrationsstörungen bei Lernenden
Ein Überblick über Analyse, Ursachen und mögliche Interventionen bei Konzentrationsstörungen von jugendlichen Lernenden.
Die Frage freut mich, denn normalerweise wird darüber kaum gesprochen. Es kann ja tatsächlich zu viel des Guten geben. Ich stelle mir persönlich häufig die Frage: Wie viel ist genug? Und zwar in verschiedenen Zusammenhängen: Wie viel muss ich besitzen, wie viel muss ich mich optimieren, wie viel muss ich arbeiten?
Eigentlich geht es unterm Strich ja darum, dass man seine Zeit nach den eigenen Massstäben gut nutzt. Und wenn einem das gelingt, kann man zufrieden sein. Ich finde, es muss im Leben auch Platz geben für Langeweile oder Dinge, die mal nicht so rund laufen, sonst sind wir keine Menschen mehr, sondern Roboter.
Möchte ich gar nicht mal sagen. Ich kann mich auch sehr konzentriert langweilen (lacht). Konzentration beschreibe ich als einen Zustand, in dem wir die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Tätigkeit tatsächlich ausrichten. Das heisst, alle Ablenkungen und Unterbrechungen werden dabei möglichst vermieden. Wenn die Aufmerksamkeit und unsere Absicht übereinstimmen, dann haben wir
eine hohe Produktivität. Und darum geht es eigentlich. Konzentration ist nur ein Teil. Es braucht die gerichtete Konzentration – das ist das, was ich mit Absicht umschreibe. Wenn diese Absicht und die
Konzentration auf die Aufgabe ineinandergreifen, dann sind wir wirklich produktiv und am Ende häufig auch zufrieden.
Dieser Aspekt der Zufriedenheit ist mir auch sehr wichtig: Beim Thema Selbstorganisation und Zeitmanagement soll es ja nicht darum gehen, noch mehr Aufgaben in den Tag zu pressen und noch mehr Hektik oder Stress zu schaffen. Es soll doch stattdessen das Ziel sein, die Zufriedenheit zu erhöhen und sich abends aufs Sofa fallen zu lassen und sich sagen zu können: «Es lief vielleicht nicht alles rund, aber im Grossen und Ganzen war es ein guter Tag.» Dann ist das Zeitmanagement gelungen. Ein gutes Zeitmanagement heisst nicht, dass ich in meiner Arbeitszeit jede Sekunde aufs Äusserste optimiere.
«Ein gutes Zeitmanagement
soll die Zufriedenheit erhöhen.»
Ich glaube, wir lassen uns zu häufig ablenken, woran wir allerdings selbst schuld sind. Es gibt immer viele offene unerledigte Dinge. Und vielleicht haben wir auch keine gute Übersicht darüber. Das führt dann häufig dazu, dass wir uns nicht konzentrieren können. Dann wollen wir eine Aufgabe erledigen, plötzlich sehen wir eine andere Aufgabe und springen dann hin und her. Wir haben häufig auch zu viel
im Kopf.
Der Kopf ist super zum Nachdenken, um kreativ zu sein, um Zusammenhänge zu analysieren. Man sagt ja auch, dass der Kopf rund sei, damit wir die Gedanken kreisen lassen können. Aber der Kopf ist sehr schlecht geeignet, um sich zu organisieren oder um sich viele Dinge gleichzeitig zu merken. Das führt dann letztlich dazu, dass wir unkonzentriert, sprunghaft oder vergesslich sind.
Effizienz ist ein schwieriger Begriff. Wenn es um Maschinen geht, kann man die Effizienz messen. Es gibt ein erwünschtes Ergebnis, das mit möglichst geringem Aufwand erzielt werden soll. Wenn das nicht der Fall ist, wird die Maschine optimiert und man bekommt maximalen Output im Verhältnis zum Input. Bei uns Menschen ist dies nicht so einfach. Aber im Grunde geht es schon darum, die Dinge unter optimalem Zeiteinsatz richtig zu erledigen. Das ist dann Effizienz. Diese nützt aber nichts, wenn wir die falschen Dinge tun. Deshalb braucht es zur Effizienz immer auch die Effektivität, also die Fähigkeit, die richtigen Dinge zu tun, die darauf hinwirken, unseren Zielen näher zu kommen.
Dazu vielleicht ein kleines Beispiel: Ich kann sehr effizient E-Mails schreiben, aber häufig wäre es viel effektiver, jemanden anzurufen, auch wenn dies weniger effizient wäre.
Die Neurowissenschaften wissen schon lange, dass wir uns eigentlich immer nur auf eine einzige Sache konzentrieren können. Mehr nicht. Das gilt für alle Menschen gleichermassen. Natürlich kann man manche Dinge gleichzeitig tun – kochen und Radio hören beispielsweise. Aber dies sind dann zwei Tätigkeiten, die nicht meine ständige Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Wenn ich aber eine E-Mail schreibe, ein Konzept erstelle oder ein Projekt plane, kann ich nicht gleichzeitig etwas anderes machen. In Wirklichkeit springen wir dann sehr viel hin und her. Dabei führt jeder Wechsel unserer Aufmerksamkeit dazu, dass unsere Konzentration zusammenbricht. Wir machen so auch mehr Fehler. Wir wollen vielleicht Multitasking praktizieren, um Zeit zu sparen, aber in Wahrheit kostet dies mehr Zeit, und dann weitere Zeit, um Fehler zu korrigieren – ganz zu schweigen vom Imageverlust.
Multitasking ist eine grosse Illusion. Nun gibt es aber ein Problem: Unsere Arbeitswelt verlangt manchmal nach Multitasking, das kommt in jedem Job vor. Ich denke, man kann Multi- und Singletasking nicht immer gegeneinander abwägen. Vielmehr sollte man Phasen des Multitasking, die sich nicht immer vermeiden lassen, bewusst zulassen. Je nach Job sind diese Phasen ziemlich lang. Denken Sie an Menschen, die am Empfang arbeiten oder im Support, die sich unterbrechen lassen und sehr schnell zwischen Aufgaben hin- und herspringen können müssen. Aber in vielen anderen Jobs ist das gar nicht so nötig. Da sollte man versuchen, sich auf einzelne Aufgaben zu konzentrieren.
So ist es. Und mit dem Bewusstsein dafür, wann man Multitasking zulassen sollte, wissend, dass man dann zwar nicht so gut arbeitet, dies aber eben mitunter erforderlich ist.
Ich denke, wir erhoffen uns zu viel von der Planung. Und wir planen zudem nicht realistisch, weil man sich nicht damit beschäftigt, wie viel Spielraum für die verschiedenen Aufgaben überhaupt vorhanden ist. Wenn man heute fünf Meetings von je einer Stunde hat, dann ist der Tag verplant. Die restlichen drei Stunden benötigt man zur Erholung, zur Vor- und Nachbereitung oder, um E-Mails abzuarbeiten. Da muss man sich nicht mehr Aufgaben auf die To-do-Liste setzen. Das ist unrealistisch. Bevor man also einen Plan erstellt, muss man schauen, wie viel verplanbare Zeit überhaupt zur Verfügung steht.
Der Plan selbst ist nur eine Momentaufnahme. Der eigentliche Wert einer Planung liegt nicht im Ergebnis, dem Plan an sich, sondern im Prozess dahin. Denn beim Planen muss man sich überlegen, was einem wichtig ist, was Priorität hat oder was morgen wichtig ist. Diese Auseinandersetzung mit den wichtigen Dingen ist eine gute Entscheidungsgrundlage. Wenn dann eine unvorhergesehene neue Priorität hereinkommt, kann diese schneller abgewogen werden: Bleibe ich bei meinem Plan oder hat diese neue Aufgabe höhere Dringlichkeit?
Ein guter Plan hilft auch, nicht ständig zu überlegen, was als nächstes getan werden muss. Dann nämlich wird man häufig getrieben von Spontanität oder Prioritäten anderer. Ein Plan schränkt Entscheidungen ein, weil man sich einmal gut überlegt hat, was wirklich getan werden muss.
Eine Priorität ist entweder über Dringlichkeit gegeben – dann ist es einfach – oder über die Wichtigkeit. Und darüber macht man sich zu wenig Gedanken.
Es lohnt sich, die Frage zu stellen: Was ist mir wichtig? Oder: Was ist mir im Job wichtig? Diese Frage stellen sich Menschen im Job zu selten. Es wäre eigentlich auch die Aufgabe des Unternehmens, vor allem der Führungskräfte, zu vermitteln, was wichtig ist. Das wird häufig unklar gelassen, während aber von den Mitarbeitenden erwartet wird, dass sie Prioritäten setzen. Aber auf welcher Grundlage denn? Führungskräfte sollten klarmachen, was dem Unternehmen wichtig ist und was die Mitarbeitenden dazu beitragen können, die Ziele zu erreichen.
Ich glaube, der beste Zeitpunkt zu planen ist abends. Das hat verschiedene Vorteile. Wenn man morgens als erstes den Tag plant, besteht die Gefahr, dass die Alltagshektik zu schnell hereinbricht. Morgens ist man häufig auch zu optimistisch. Abends hat man die Erfahrung des Tages noch präsent und neigt zu realistischeren Planungen als morgens. Die abendliche Planung hat auch den Nebeneffekt, dass man sich besser auf den kommenden Tag einstellen kann.
Es gibt nicht den einen Weg, der für alle funktioniert. Gut ist, was für einen selbst funktioniert. Ich habe Kunden, die sich sehr erfolgreich mit einem simplen Blatt Papier organisieren – ohne Schnickschnack und Tools. Das wäre nichts für mich. Ich ziehe eine digitale Organisation vor. Aber manchmal ist es hilfreich, sich zurückzubesinnen auf eine Zeit vor 50 Jahren, als die Arbeitswelt noch ganz anders war. Sie war weniger schnell, es gab weniger Kommunikationsmittel, aber die Menschen waren nicht weniger effizient und effektiv. Damals gab es Listen mit Fälligkeitsdatum und Priorität. Das war’s und das genügt auch heute noch. Das ist der Kern der eigentlichen Arbeitsorganisation, der abgedeckt werden muss. Alles andere ist fakultativ.
Mir scheint auch wichtig zu sein, dass man so wenige Orte wie möglich hat, um Unerledigtes zu notieren, weil sonst die Gefahr der Verzettelung besteht. Man darf dabei auch nicht den E-Mail-Posteingang vergessen. E-Mail wird ja häufig als weitere To-do-Liste betrachtet – das ist weniger optimal. Diese Liste sollte man regelmässig durchschauen – beispielsweise in einem Wochenrückblick.
Es kommen häufig Menschen zu mir, die nicht ganz zufrieden mit ihrem Umgang mit ihrer Zeit sind. Es sind häufig sehr leistungsbereite Menschen, die oft das Gefühl haben, dass sie in Arbeit ertrinken und viele andere Dinge in ihrem Leben zu kurz kommen – also die Klassiker Familie, Sport, Freunde oder die Menschen selbst. Häufig sind es auch Menschen, die sich verzetteln und den Überblick verloren haben. Das ist dann auch meist der Startpunkt, diesen Überblick zurückzugewinnen. Ohne Überblick kann man nicht planen, delegieren oder entscheiden, was man tun oder lassen will.
Das erste, was meine Kunden von mir lernen: Zeitmanagement ist kein Selbstzweck. Es genügt, wenn wir unser Zeitmanagement zu 80 % im Griff haben. Wenn wir auf 100 % kommen wollen, ist der zusätzliche Aufwand so hoch, dass wir weniger Zeit haben werden, diese Aufgaben zu erledigen. Es geht nicht darum, eine perfekte Verwaltung zu haben. Wir wollen also ein besseres Zeitmanagement, um bestimmte Ziele zu erreichen, um bestimmte Dinge schneller zu erledigen, um mehr arbeitsfreie Zeit zu haben usw.
Eine Auseinandersetzung mit dem Zeitmanagement bedeutet immer auch Verhaltensänderungen. Dazu braucht man eine bestimmte Bereitschaft, denn man muss Komfortzonen verlassen. Hierbei hilft eine gute Antwort auf das Warum: Warum will man sich besser organisieren? Was steckt dahinter? Dafür braucht man eine starke, persönliche Antwort, damit man Verhaltensänderungen auch wirklich durchzieht.
Ivan Blatter hat Soziologie mit Volkswirtschaftslehre und juristischen Nebenfächern in Basel studiert. Bereits während des Studiums befasste er sich mit Themen wie Schnelllesen, Memotechniken, Mind-Mapping und vielen mehr. Das Interesse an Selbstoptimierungstechniken machte er schliesslich zum Beruf, den er heute als erfolgreicher Coach, Buchautor, Podcaster und Blogger ausübt.
Mehr Informationen: Ivanblatter.com
Arbeite klüger – nicht härter!
So holen Sie das Beste aus Ihrer Zeit, ohne sich auszubeuten. Methoden und Tools für ein neues Zeitmanagement. Zeit optimal nutzen – Freiräume schaffen.
Humboldt Verlag.
2., erweiterte Ausgabe (2020).
Taschenbuch. 196 Seiten.
ISBN: 978-3842642096
Ein Überblick über Analyse, Ursachen und mögliche Interventionen bei Konzentrationsstörungen von jugendlichen Lernenden.
Höchstleistungen erfordern volle Konzentration – ob im Sport oder im Job. Wenn diese nicht gelingt, liegen die Ursachen dafür häufig im Unterbewusstsein verborgen. Die Reit- und Mentaltrainerin Tina E. L. Dyck erklärt, wie sie mit Betroffenen arbeitet.
Das Handout gibt nützliche Hinweise im Umgang mit Lernenden, die unter Konzentrationsstörungen leiden.
vps.epas | Postfach | CH-6002 Luzern | Tel. +41 41 317 07 07 | info@vps.epas.ch