Literaturstudie zur Situation junger Frauen in der Schweiz – traditionelle Rollenbilder überdauern Generationswechsel

Mittwoch, 20. April 2022
Im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen EKF hat die Sozioökonomin Christina Bornatici eine Literaturstudie zur Situation von Frauen zwischen 15 und etwa 30 Jahren in der Schweiz mit Fokus auf neuste Entwicklungen und den Stand der Gleichstellung erstellt.

Christa Bornatici hat dazu 180 aktuelle Studien ausgewertet, um die Situation junger Frauen in der Schweiz zu analysieren. Die Analyse befasste sich mit drei Schwerpunkten: 1. Bildung und Beschäftigung, 2. Familien- und Privatleben und 3. Werte und Engagement. Die Ergebnisse zeigen, dass noch heute Lebensentwürfe geschlechtsspezifisch geprägt sind.

Bildung und Beschäftigung

Berufswünsche seien noch heute mehrheitlich geschlechtsspezifisch, wobei Mädchen eher dazu neigten, einen eher «männlichen» Beruf zu ergreifen, als dass andersherum Jungen in einen typisch weiblichen Beruf gingen. Frauen erwerben – so zeigt die Statistik – zwar häufiger einen Hochschulabschluss und sind in der Allgemeinbildung in der Überzahl, sie seien jedoch in ihrem Berufsleben mit mehr Schwierigkeiten konfrontiert. Ihre Lohn- und Karriereaussichten seien schlechter als jene in Berufen, in denen traditionell ein hoher Männeranteil dominiert. Häufiger als Männer arbeiten junge Frauen in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen. Trotz des allgemeinen Trends zu reduzierten Arbeitspensen zeigen die statistischen Auswertungen einen konstanten Abstand zwischen Männern und Frauen. Bereits zu Beginn der beruflichen Laufbahn zeige sich dieser Unterschied, zudem erhalten Berufseinsteigerinnen von Beginn an weniger Verantwortung als Männer. Bereits beim Eintritt in das Berufsleben müssen Frauen tiefere Löhne als Männer akzeptieren: das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen nehme dann im Zeitverlauf zu; das zeigt die Studienlage.

Trotz dieser Situation vermerkt der Studienbericht: Jüngere Frauen klagen seltener über Diskriminierung am Arbeitsplatz als ältere Frauen.

Familien- und Privatleben

Die mangelnde Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben wirke sich auch auf das Rollenverhalten im Privatleben aus. Dieses sei geprägt von traditionellen geschlechtsspezifischen Rollenmustern. An dieser Stelle könnte man allerdings auch Umkehrung der Ursächlichkeit vermuten. Dafür spricht auch, dass Studien gemäss dieser Analyse zeigen, dass junge Frauen das traditionelle Rollenverständnis in der Familie verinnerlicht haben; somit stellen sie das Familienleben über das Berufsleben. In der Folge ist auch der Aufwand für unbezahlte Arbeit im Haushalt oder etwa bei der Kinderbetreuung für Frauen höher als für Männer.

Werte und Engagement

Der Bericht zeigt, dass die junge Generation hinsichtlich der Mutterrolle und der Erwerbstätigkeit von Müttern keine progressiveren Werte vertritt als die ältere Generation, wobei jüngere Frauen egalitärere Einstellungen hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung haben als junge Männer.

Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist jungen Menschen zunehmend wichtig. Sechs von zehn jungen Frauen bezeichnen sich als Feministinnen, wobei die meisten Forderungen die Arbeitswelt betreffen, angefangen bei der Lohn-, gefolgt von der Chancengleichheit bei der Karriere.

Allerdings begreifen die meisten jüngeren Menschen Chancengleichheit weniger als strukturelles Problem, das politischer Lösungen bedarf, sondern eher als Folge persönlicher Entscheidungen auf individueller Ebene. (he)

Information zur Studie

Die vollständige Fassung ist ausschliesslich auf Französisch erhältlich (als PDF). Kurzfassungen sind auf Deutsch, Französisch und Italienisch als Druckversion (in «Frauenfragen» 2022) oder als PDF verfügbar. frauenkommission.ch

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