Änderung des Arbeitsorts wegen Umzug des Unternehmens

Mittwoch, 11. Oktober 2023 - Philipp Meier Schleich
Kann eine umzugswillige Arbeitgeberin von den Mitarbeitenden verlangen, die Arbeit künftig am neuen Ort zu erbringen? Und können daraus Ansprüche der Mitarbeitenden folgen?

Von zentraler Bedeutung ist hier der Begriff des Arbeitsorts. Er bezeichnet denjenigen geographischen Bereich, an dem die Arbeitsleistung im gegebenen Arbeitsverhältnis zu erbringen ist. Ebenfalls bedeutsam ist, ob im konkreten Fall eine vertragliche Regelung zum Arbeitsort vorhanden ist.

Rechtslage ohne vertragliche Regelung zum Arbeitsort

Besteht keine vertragliche Regelung, kommt die «gesamte Reichweite der ­Arbeitsorganisation» als Arbeitsort in Frage. Gemeint ist, dass die Arbeit gegebenenfalls nicht nur im angestammten Betrieb zu leisten ist, sondern zum Beispiel auch bei Kunden. In diesem Rahmen darf die Arbeitgeberin beim Fehlen einer vertraglichen Regelung den Arbeitsort «einseitig» bestimmen, und zwar durch Ausübung des Weisungsrechts, das ihr nach Art. 321d OR zusteht.

Kernfrage: Zumutbarkeit

Meist hat die Arbeitgeberin nach Begründung des Arbeitsverhältnisses ihren Betrieb am aktuellen Standort als Arbeitsort zugewiesen. Will die umzugswillige Arbeitgeberin nun ihren Betrieb am künftigen Standort zum neuen Arbeitsort machen, stellt sich die Frage, ob sie dies wiederum durch erneute Ausübung ihres Weisungsrechts durchsetzen kann. Nach verbreiteter Meinung kann dies zulässig sein. Voraussetzung ist, dass die Verlegung des Arbeitsorts unter den gegebenen Umständen als zumutbar erscheint. Erforderlich ist demnach eine Beurteilung des konkreten Falls. Abzuwägen sind neben der betrieblichen Notwendigkeit der Betriebsverlegung vor allem die Auswirkungen auf den Arbeitnehmer. Dazu gehören die Auswirkungen auf die Dauer des Arbeitswegs und die damit verbundenen Fahrkosten, auf Freizeit und Privatleben sowie auf allfällige Betreuungspflichten, ebenso die Vorlaufzeit und die Stellung des Arbeitnehmers.

Dass der Arbeitnehmer wegen eines weit entfernten neuen Arbeitsorts seinerseits den Wohnort verlegt, kann in aller Regel nicht verlangt werden. Vielmehr ist die Zumutbarkeit aus Sicht des bestehenden Wohnorts des Arbeitnehmers zu beurteilen. Mit Bezug auf die Dauer des neuen Arbeitswegs wurden in der Gerichtspraxis 90 Minuten als noch zumutbar, 2.5 Stunden dagegen als nicht mehr zumutbar beurteilt. Weiter darf die Verlegung nicht mit einer Lohnkürzung verbunden sein oder eine ungerechtfertigte Massregelung darstellen. Ist die Arbeitsleistung nach dem bestehenden Arbeitsvertrag ohnehin ganz oder teilweise im Homeoffice zu erbringen, kann dies allfällige negative Auswirkungen zumindest abmildern.

Wichtig zu wissen: In der juristischen Lehre wird die Hürde für die erforderliche Zumutbarkeit zum Teil sehr hoch angesetzt. So plädieren gewisse Autoren dafür, dass auch eine Verlegung des Arbeitsorts innerhalb einer Stadt unzumutbar sein kann, wenn dies den Arbeitsweg verlängert und der Arbeitnehmer bei Eingehen des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeberin gegenüber Wert auf einen kurzen Arbeitsweg gelegt hatte.

Arbeitsort vertraglich geregelt

Anders ist die Rechtslage, wenn eine vertragliche Regelung zum Arbeitsort besteht. Zu betonen ist, dass solche Regelungen nicht nur im schriftlichen Arbeitsvertrag oder im allfälligen Gesamtarbeitsvertrag enthalten sein können. Eine vertragliche Regelung zum Arbeitsort kann sich im Verlauf der Zeit auch stillschweigend herausbilden. So kann eine länger dauernde Vertragspraxis zur Folge haben, dass mit der Zeit anzunehmen ist, der Arbeitsort sei im Sinne einer vertraglichen Regelung an einem bestimmten Ort fixiert worden.
Vertragliche Regelungen, die eine konkrete Örtlichkeit als Arbeitsort festlegen, kommen oft vor. Und zwar nicht nur durch die erwähnte länger dauernde Vertragspraxis, sondern auch durch ausdrückliche Abrede im schriftlichen Arbeitsvertrag. Beispiel: «Arbeitsort sind die Räumlichkeiten der Arbeitgeberin an der oben erwähnten Adresse.» Wurde der Arbeitsort vertraglich fixiert, ist es der Arbeitgeberin im Prinzip verwehrt, eine Verlegung einseitig durch Ausübung ihres Weisungsrechts durchzusetzen. Mit anderen Worten schränken derartige Klauseln das Weisungsrecht der Arbeitgeberin betreffend Arbeitsort ein – auch wenn ihr dies bei Abschluss des Vertrags nicht bewusst sein mag.

Mobilitätsklauseln

Mit einer vertraglichen Regelung kann aber umgekehrt auch erreicht werden, dass der Arbeitgeberin mehr Flexibilität betreffend Arbeitsort eingeräumt wird (Mobilitätsklauseln, Versetzungsklauseln). Etwa indem sie sich im Arbeitsvertrag das Recht einräumen lässt, den Arbeitnehmer dauerhaft in gewisse andere Filialen oder Betriebsstätten des Unternehmens zu versetzen.

Solche Klauseln sind zulässig, soweit sie kein zwingendes Recht verletzen. So wurde die vertragliche Verpflichtung zur Arbeit in jeder beliebigen Filiale in der Schweiz als unzulässig eingestuft, weil sie das Verbot der übermässigen Bindung nach Art. 27 ZGB verletzte. Aber auch bei einer kleineren Zahl von vorbehaltenen Arbeitsorten kann das zwingende Recht geritzt sein. Beispielsweise wenn einer oder mehrere dieser Orte derart weit vom Wohnort des Arbeitnehmers entfernt sind, dass der Arbeitsweg einen Grossteil der Freizeit beanspruchen würde. In solchen Fällen kann nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers vorliegen, sondern auch eine Umgehung der zwingenden Regelungen betreffend Auslagenersatz nach Art. 327a OR und betreffend Arbeitszeit nach Art. 13 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz.

Bei der Formulierung von Mobilitätsklauseln sollte daher stets abgeklärt werden, ob und inwiefern auch Regelungen aufzunehmen sind, mit denen je nach Verlegung allfällige zusätzliche Aufwendungen des Arbeitnehmers (wie höhere Fahrtkosten oder zusätzliche Wegzeit) aufgefangen werden.

Ultima Ratio Änderungskündigung

Gerade bei einem Umzug des Unternehmens, der zuvor nicht absehbar war, kann die Beurteilung der Arbeitsverträge ergeben, dass die Arbeitgeberin die Verlegung des Arbeitsorts nicht durch Ausübung ihres Weisungsrechts bewirken kann. Sei es, weil dieses Vorgehen unter den gegebenen Umständen als nicht zumutbar einzustufen wäre, sei es, weil das Vorgehen nicht durch die vertragliche Regelung gedeckt wäre.

In solchen Fällen bedarf es einer Änderung des Arbeitsvertrags. Ist von vornherein klar, dass der Arbeitnehmer mit der Verlegung des Arbeitsortes einverstanden ist, kann die entsprechende Vertragsänderung ohne Weiteres vereinbart und in Kraft gesetzt werden. Andernfalls bleibt der Arbeitgeberin nur der Versuch, die Vertragsänderung mittels Änderungskündigung durchzusetzen. Bei einer Änderungskündigung unterbreitet die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer die Offerte, das Arbeitsverhältnis mit den geänderten Konditionen fortzusetzen, und erklärt für den Fall der Ablehnung die Kündigung.

Dabei sind die rechtlichen Vorgaben für Änderungskündigungen einzuhalten, da sich die Kündigung andernfalls als missbräuchlich erweisen und eine Strafzahlung von bis zu sechs Monatslöhnen drohen kann. Zu diesen Vorgaben gehört, dass die Kündigung nicht zur Durchsetzung einer unsachlichen und unbilligen Verschlechterung der Vertragskonditionen missbraucht wird, für die keine betrieblichen oder marktbedingten Gründe bestehen. Entsprechend sollte bei einer Verlegung des Arbeitsorts infolge Umzugs der Arbeitgeberin geprüft werden, ob und wie bei den offerierten neuen Konditionen dem erwähnten Umstand Rechnung getragen werden muss, dass dem Arbeitnehmer aufgrund der Verlegung allenfalls Mehraufwände entstehen. Weiter darf die Änderungskündigung nicht darauf abzielen, die geänderten Konditionen schon vor Ablauf der Kündigungsfrist in Geltung zu setzen.

Gerade bei einer Verlegung des Betriebs wird die Arbeitgeberin zudem oft eine Mehrzahl von Änderungskündigungen in Betracht ziehen. Daher hat sie im Voraus abzuklären, ob die Schwellenwerte für eine Massenentlassung gemäss Art. 335d OR erreicht werden. Werden diese Schwellenwerte erreicht, hat die Arbeitgeberin zusätzlich auch die Vorschriften zu Massenentlassungen nach Art. 335f bis 335k OR einzuhalten, aus denen Informations- und Konsultationspflichten folgen können.

Massgeblichkeit des neuen Arbeitsorts

Wurde der Arbeitsort durch zulässige Ausübung des Weisungsrechts oder durch Vertragsänderung an den neuen Ort verlegt, befindet sich der Arbeitsort ab dem Zeitpunkt der Verlegung am neuen Ort, und die Arbeitsleistung ist dort zu erbringen. Auch für allfällige kantonale und lokale Vorschriften ist ab dann im Prinzip der neue Ort massgebend. So sind etwa nach einem Kantonswechsel die Feiertage zu beachten, die im Kanton des neuen Arbeitsorts gelten.

Take Aways

  • Fehlt eine vertragliche Regelung betreffend Arbeitsort, beurteilt sich anhand der Umstände, ob es zumutbar und damit zulässig sein kann, dass die umzugswillige Arbeitgeberin die Verlegung des Arbeitsorts durch Ausübung ihres Weisungsrechts durchsetzt.
  • Besteht eine vertragliche Regelung, bestimmt sich nach dieser Regelung, ob und inwiefern die Arbeitgeberin den Arbeitsort verlegen kann, indem sie ihr Weisungsrecht ausübt.
  • Ergibt die Beurteilung, dass die Verlegung des Arbeitsorts im konkreten Fall nicht zumutbar oder nicht durch die vertragliche Grundlage gedeckt ist, braucht es eine entsprechende Änderung des Arbeitsvertrags. Bei fehlendem Einverständnis des Arbeitnehmers muss die Arbeitgeberin in diesem Fall mittels Änderungskündigung vorgehen. Dabei hat sie die Vorgaben für Änderungskündigungen einzuhalten. Dazu können bei einer Mehrzahl von Kündigungen auch die gesetzlichen Vorschriften zu Massenentlassungen gehören.

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