Im privaten [1] Arbeitsvertragsrecht gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Eine Kündigung bedarf keiner besonderen Kündigungsgründe und muss erst auf Verlangen des Arbeitnehmers schriftlich begründet werden. Sofern keine formellen Kündigungsbeschränkungen missachtet werden, die zur Nichtigkeit einer Kündigung führen, wird das Arbeitsverhältnis auch dann beendet, wenn sich die Kündigung als missbräuchlich erweisen sollte [2]. In solchen Fällen sieht das Gesetz bloss eine Entschädigung für den entlassenen Angestellten vor.
Der Begriff Kündigungsfreiheit täuscht allerdings darüber hinweg, dass zahlreiche Fallstricke existieren, über die eine Arbeitgeberin bei der Entlassung eines Arbeitnehmers stolpern kann. Häufig bleiben Fehler bei der Kündigung nicht unbemerkt, zumal Arbeitnehmer zusehends besser über ihre Rechte informiert sind oder durch Dritte wie Rechtschutzversicherungen oder die Arbeitslosenkassen darauf aufmerksam gemacht werden. Im Rahmen der Schadenminderungspflicht gegenüber der Arbeitslosenkassen sind Arbeitnehmer häufig sogar verpflichtet, die Arbeitgeberin bei fehlerhaften Kündigungen ins Recht zu fassen und z.B. schuldig gebliebene Lohnzahlungen auf dem Rechtsweg durchzusetzen [3].
Frage 1: Kann der Arbeitsvertrag überhaupt rechtswirksam gekündigt werden?
Das Obligationenrecht zählt in Art. 336c Abs. 1 OR einen abschliessenden Katalog von Sperrfristtatbeständen auf, bei denen der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen kann, z.B. während des Militärdiensts, während einer beschränkten Dauer der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, [4] während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin. Diese Kündigungsbeschränkungen gelten erst nach Ablauf der Probezeit.
Eine während einer Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist nichtig, entfaltet keine Rechtswirkungen und muss nach Ablauf der Sperrfrist erneut ausgesprochen werden. Tritt die Sperrfrist jedoch erst nach Aussprechen der Kündigung und somit während laufender Kündigungsfrist ein, wird deren Ablauf unterbrochen und das Arbeitsverhältnis entsprechend verlängert (siehe dazu Frage 4). Besteht zwischen den Parteien Unsicherheit, ob zum Zeitpunkt des Aussprechens der Kündigung eine Sperrfrist bestanden hat oder nicht (z.B. weil die Arbeitgeberin eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers anzweifelt), empfiehlt es sich, nach Ablauf dieser vermeintlichen Sperrfrist eine sogenannte Ersatzkündigung auszusprechen, für den Fall, dass sich die erste Kündigung aufgrund der Sperrfrist als nichtig erweisen sollte.
Neben den soeben beschriebenen gesetzlichen Tatbeständen existieren auch vertragliche (und gesamtarbeitsvertragliche) Kündigungsbeschränkungen. Hauptanwendungsfall ist das Vorliegen eines befristeten Arbeitsvertrags, der während seiner Dauer keine Kündigungsmöglichkeit vorsieht und ohne Weiteres an einem bestimmten Termin endet (Art. 334 Abs. 1 OR). Ein so befristeter Arbeitsvertrag kann nicht gekündigt werden.
Ferner wäre es auch zulässig, in der Praxis aber relativ selten anzutreffen, die gesetzlichen Sperrfristen gemäss Art. 336c OR vertraglich auszudehnen, d.h. zugunsten des Arbeitnehmers weitere Sperrfristentatbestände oder längere Sperrfristen einzuräumen. Eine Kündigung, die in Verletzung solcher vertraglicher Vereinbarungen ausgesprochen wird, entfaltet keine Rechtswirkungen.
Eine Kündigung ist im Übrigen auch gültig, wenn sie nicht begründet wird – und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich eine Kündigung verlangt (Art. 335 Abs. 2 OR). Eine in solchen Fällen unterbliebene Begründung könnte jedoch ein Indiz für eine Missbräuchlichkeit darstellen.
Frage 2: Gibt es bei der Kündigung formelle Voraussetzungen zu beachten?
Auch im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz, dass Verträge formlos kündbar sind, d.h. auch mündlich, sofern nichts anderes vereinbart wurde (Art. 11 OR). Wird eine Kündigung mündlich ausgesprochen, empfiehlt es sich aus Beweisgründen, dass seitens Arbeitgeberin mindestens zwei Personen am Gespräch teilnehmen und der Gesprächsverlauf protokolliert wird (z.B. mittels einer handschriftlichen Notiz auf dem Kündigungsschreiben «Kündigungsschreiben wurde am 30. Oktober 2021 dem Arbeitnehmer vorgelegt und von ihm gelesen. Er weigerte sich, mittels seiner Unterschrift die Kenntnisnahme zu bestätigen»).
In den Arbeitsverträgen wird indessen nicht selten für Kündigungen die Formvorschrift der Schriftlichkeit vereinbart. Eine schriftliche Kündigung muss eigenhändig oder mittels elektronischem Zertifikat unterzeichnet sein (Art. 13 OR). Eine per E-Mail oder SMS ausgesprochene Kündigung genügt dem Schriftlichkeitserfordernis nicht und wäre ungültig. Eine Kündigung, die dieser Formvorschrift nicht genügt, entfaltet keine Rechtswirkungen (BGE 128 III 212). Gemäss einem Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich soll Schriftlichkeit jedoch gewahrt sein, wenn das Originaldokument eingescannt und per E-Mail versandt wird (Arbeitsgericht ZH, Entscheide 2016 Nr. 15 = JAR 2017 S. 591).
Damit eine Kündigung gültig ist und Rechtswirkungen entfalten kann, muss sie schliesslich von den zuständigen, zeichnungsberechtigten Personen eines Unternehmens ausgesprochen werden; entweder von einer im Handelsregister eingetragenen, einzelzeichnungsberechtigten oder zwei kollektivzeichnungsberechtigten Personen. Diesem wichtigen Aspekt wird in der Praxis häufig zu wenig Beachtung geschenkt. So wäre z.B. eine nur durch eine kollektivzeichnungsberechtigte Person unterzeichnete Kündigung unwirksam. Sie kann nur dann Wirkungen entfalten, wenn die Genehmigung oder Zustimmung durch eine weitere zeichnungsberechtigte Person erteilt wird. Wird die Genehmigung erst erteilt, nachdem der Arbeitnehmer die fehlende Zeichnungsberechtigung bemerkt hat, so lässt sich dieser Mangel nachträglich indes nicht mehr beheben und die Kündigung muss erneut ausgesprochen werden (BGE 128 III 129).
Frage 3: Existieren besondere Pflichten, die die Arbeitgeberin im Vorfeld einer Kündigung zu beachten hat?
In einem dritten Schritt gilt es seitens Arbeitgeberin zu prüfen, ob es sich um eine «kritische» Kündigung handelt, die sich als missbräuchlich erweisen und zufolge eines juristischen Nachspiels auch erhebliche Kosten und einen Imageschaden für das Unternehmen nach sich ziehen könnte. Zudem droht der Arbeitgeberin bei einer missbräuchlichen Kündigung eine Strafzahlung von bis zu sechs Monatslöhnen zugunsten des entlassenen Arbeitnehmers.
Dem Gesetz lassen sich keine unmittelbaren, ausdrücklichen Pflichten für die Arbeitgeberin entnehmen, die im Vorfeld zu einer Entlassung eines Mitarbeiters zu erfüllen wären. Die Gerichte haben in jüngerer Vergangenheit indes vermehrt solche Pflichten aus der Fürsorgepflicht gemäss Art. 328 OR abgeleitet. Die Nichtbeachtung dieser Pflichten führt zwar nicht zur Nichtigkeit einer Kündigung (siehe Frage 1), könnte aber deren Missbräuchlichkeit zur Folge haben. Als in der Praxis häufig vorkommende, kritische Fälle gelten:
- die Entlassung (dienst-)älterer Arbeitnehmer;
- das Aussprechen einer Kündigung in einer Konfliktsituation und
- Verdachtskündigungen.
Kündigung älterer Arbeitnehmer mit längerer Dienstzeit
Das Bundesgericht hat ältere Arbeitnehmer mit einer längeren Dienstzeit (z.B. ein 59-Jähriger mit 11 bzw. 35 Dienstjahren mit Unterbruch, BGE 4A_384/2014) als eine besondere Arbeitnehmerkategorie qualifiziert, für die seitens Arbeitgeber eine erhöhte Fürsorgepflicht besteht. Aus dieser Fürsorgepflicht leitet das Bundesgericht die Pflicht ab, den betroffenen Mitarbeiter vorgängig zur Kündigung anzuhören und ihm das rechtliche Gehör
zu gewähren, eine sozialverträglichere Lösung zu einer Kündigung zu suchen (z.B. eine Versetzung innerhalb des Betriebs), vorgängig zu einer leistungsbedingten Kündigung eine Verwarnung auszusprechen, verbunden mit der Gewährung einer letzten Chance (mit Fristansetzung und Zielvereinbarung) und ganz grundsätzlich die Pflicht, in erhöhtem Masse schonend mit dem Mitarbeiter umzugehen [5]. Eine altersbedingte Kündigung, die in Verletzung dieser erhöhten Fürsorgepflicht ausgesprochen wird, ist missbräuchlich. Die Praxis zeigt, dass die Gerichte in solchen Konstellationen den betroffenen Arbeitnehmern regelmässig verhältnismässig hohe Entschädigungen zusprechen.
Kündigung in einer Konfliktsituation
Eine Kündigung kann sich ferner als missbräuchlich erweisen, wenn sie in einer Konfliktsituation
am Arbeitsplatz (zwischen Personal auf gleicher Stufe oder in einem Vorgesetztenverhältnis stehend) ausgesprochen wird, sofern die Arbeitgeberin vor dem Aussprechen der Kündigung nicht zumutbare und geeignete Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts eingeleitet hat (siehe z.B. BGE 4A_384/2014 mit einer Zusammenfassung der Rechtsprechung und Behandlung der Art und Weise einer Kündigung sowie der Intensität der geforderten Bemühungen seitens Arbeitgeberin zur Lösung der Auseinandersetzung). Als mögliche Massnahmen kommen in Betracht [6]:
- Einzel- und Gruppengespräche und Aussprachen mit den Konfliktparteien;
- Teamsitzungen;
- Erteilen von konkreten Handlungsanweisungen;
- Ermahnung der Konfliktparteien, allenfalls in Verbindung mit konkreten Zielvorgaben;
- Umorganisation von Arbeitsabläufen;
- Versetzungen;
- Teamcoaching durch eine interne Vertrauensstelle oder ein externes Beratungsunternehmen.
Bezüglich der Frage, welche Massnahmen eine Arbeitgeberin im konkreten Fall zu ergreifen hat, besteht aufgrund nicht einheitlicher Rechtsprechung erhebliche Rechtsunsicherheit [7]. Klar scheint jedoch, dass die Art der umzusetzenden Massnahme massgeblich von der Intensität des Konflikts abhängt.
Hat der Arbeitgeber indessen einen problematischen Arbeitnehmer ausgemacht, z.B. weil dieser durch sein Verhalten gleich mit mehreren Arbeitskollegen in Konflikten steht oder sich unflätig verhält, dürfte das Aussprechen einer Verwarnung mit einer kurzen Bewährungsfrist ausreichen (BGE 4A_158/2010).
Verdachtskündigungen
Es ist grundsätzlich zulässig, einen Mitarbeiter bloss auf den Verdacht hin, eine Straftat oder eine Pflichtverletzung begangen zu haben, zu entlassen – sowohl ordentlich als auch fristlos.
Bei einer fristlosen Verdachtskündigung gilt, dass diese gerechtfertigt ist, wenn sich der Verdacht erhärtet (z.B. durch ein Urteil in einem Strafverfahren) und der Verdacht auch die notwendige Schwere für eine fristlose Kündigung aufweist, d.h. die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wird. Eine fristlose Verdachtskündigung ist gemäss Bundesgericht ausnahmsweise aber auch dann gerechtfertigt, wenn sich der Verdacht nicht erhärtet bzw. nicht beweisen lässt, sofern der
Arbeitgeber im Rahmen seiner Abklärungspflicht alles unternommen hat, um den Verdacht zu verifizieren, oder wenn der Arbeitnehmer die Verdachtsaufklärung ungerechtfertigt vereitelt oder behindert [8]. In letzterem Fall entfiele zwar die Strafzahlung, nicht aber die Pflicht zur Bezahlung des Lohns während der hypothetischen ordentlichen Kündigungsfrist gemäss Art. 337b Abs. 2 OR [9]. Bei schweren Anschuldigungen ist das Bundesgericht streng und verlangt nicht nur eine vollständige Untersuchung, sondern auch einzelfallabhängige Garantien wie bei einem Strafverfahren [10]. Bei einer ordentlichen Verdachtskündigung ist die Rechtslage komplexer, denn grundsätzlich besteht Kündigungsfreiheit, d.h. das Arbeitsverhältnis darf auch ohne wichtigen Grund aufgelöst werden. Eine Kündigung könnte sich indessen zufolge einer Fürsorgepflichtverletzung als missbräuchlich erweisen, sofern sie aufgrund eines Verdachts einer Straftat oder Pflichtverletzung ausgesprochen wird, ohne dass die Arbeitgeberin zumutbare Aufklärungshandlungen vorgenommen hat. Missbräuchlichkeit ist jedenfalls zu bejahen, wenn die Kündigung auf ehrenrühriges Verhalten zurückzuführen ist und diese Begründung ohne Beweis und ohne jede Überprüfung vorgebracht wird [11].
Prüfschema bei Kündigung
Kann der Arbeitsvertrag rechtswirksam gekündigt werden?
- Kommt eine gesetzliche Kündigungsbeschränkung, namentlich eine Sperrfrist gemäss Art. 336c Abs. 1 OR, zur Anwendung? Falls ja, ist die Kündigung nichtig und muss nach Ablauf der Sperrfrist erneut ausgesprochen werden. Tipp: Ersatzkündigung aussprechen.
- Wurden die gesetzlichen Sperrfristentatbestände vertraglich erweitert oder sieht der Arbeitsvertrag anderweitige Kündigungsbeschränkungen vor?
- Handelt es sich um einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Kündigungsmöglichkeit?
Welche formellen Voraussetzungen gilt es zu beachten?
- Gilt für die Kündigung das Schriftlichkeitserfordernis?
- Wurde die Kündigung durch Personen ausgesprochen, die die Arbeitgeberin vertreten dürfen (Einzel- oder Kollektivzeichnungsberechtigung)?
Wurden allfällige, durch die Arbeitgeberin im Vorfeld zu einer «kritischen» Kündigung geltenden Pflichten (Fürsorgepflichten) erfüllt?
Besondere Aufmerksamkeit ist in folgenden Fällen geboten:
- Entlassung eines älteren oder dienstälteren Arbeitnehmers (Alterskündigung)
- Entlassung eines Arbeitnehmers im Rahmen oder aufgrund einer Konfliktsituation (Konfliktkündigung)
- Entlassung eines Arbeitnehmers aufgrund des Verdachts, eine Straftat oder eine Pflichtverletzung begangen zu haben (Verdachtskündigung)
Wann endet das Arbeitsverhältnis?
- An welchem Tag ist dem Arbeitnehmer die Kündigung zugegangen?
- Wie lässt sich der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beweisen (Empfangsbestätigung durch den Arbeitnehmer, Einschreibe- oder A-Post- Plus-Sendung, Zeugen etc.)?
- Wann hat die Kündigungsfrist begonnen (rückwärtsgerechnet vom Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses)?
- Wurde die Kündigungsfrist aufgrund eines Sperrfristentatbestands unterbrochen und hat sich das Arbeitsverhältnis entsprechend verlängert? Ist bei der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zusätzlich noch ein Kündigungstermin zu beachten?
Frage 4: Wann endet das Arbeitsverhältnis?
Sofern kein befristetes Arbeitsverhältnis vorliegt und keine Aufhebungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer abgeschlossen werden kann, muss die Arbeitgeberin die Kündigung aussprechen, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Eine Kündigung wird erst wirksam, wenn sie der anderen Partei zugeht. Die Kündigung gilt als zugegangen, wenn das entsprechende Schreiben in den Machtbereich (z.B. Briefkasten) des Empfängers gelangt ist und unter normalen Umständen davon ausgegangen werden darf, dass er davon Kenntnis nimmt (in der Regel am selben Tag des Einwurfs des Schreibens in den Briefkasten).
Zwecks Beweisbarkeit werden Kündigungen häufig mittels Einschreiben versandt. Bei solchen Sendungen ist auf den Tag abzustellen, an dem die Abholung durch den Arbeitnehmer erwartet werden durfte. In der Regel wird dies der Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch sein. Wird z.B. ein Kündigungsschreiben am 30. Oktober versandt, kann die Abholungseinladung für den 31. Oktober im Briefkasten des Empfängers erwartet werden. Häufig kann das Einschreiben aber frühestens am Folgetag bei der Post abgeholt werden. In diesem Fall gilt die Kündigung am 1. November als zugestellt.
Bei diesen zeitlich engen Konstellationen ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, das Kündigungsschreiben (zusätzlich) per A-Post-Plus zu versenden, zumal bei dieser Zustellart die Sendung direkt in den Briefkasten oder das Postfach zugestellt wird und somit an diesem Tag bereits in den Machtbereich des Empfängers gelangen könnte. Wenn eine Kündigung also am 30. Oktober per A-Post-Plus versandt wird und das Schreiben am 31. Oktober in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird, könnte die Kündigung noch am 31. Oktober als zugestellt gelten. Alternativ bestünde auch die Möglichkeit, dass die Arbeitgeberin das Kündigungsschreiben eigenhändig in den Briefkasten des Arbeitnehmers legt und auf diese Weise nochmals einen Tag «gewinnt». Zwecks Beweisbarkeit ist zu empfehlen, dass zwei Personen bei der Zustellung anwesend sind und die effektive Zustellung mittels Fotos oder gar einer Videoaufnahme dokumentiert wird.
Bis zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis nach erfolgter Kündigung frühestens beendet werden kann, bestimmt sich nach der Kündigungsfrist und dem Kündigungstermin. Sind vertraglich keine längeren oder kürzeren Kündigungsfristen vereinbart, gilt die gesetzliche Ordnung gemäss Art. 335a ff. OR oder ein allfälliger GAV. Als gesetzlicher Kündigungstermin, den die Parteien vertraglich jedoch wegbedingen können, gilt der letzte Tag des Monats (Art. 335c Abs. 1 OR).
Der Lauf der Kündigungsfrist wird nicht etwa ab dem Zugang der Kündigung, sondern vom Kündigungstermin bzw. vom Ende des Arbeitsverhältnisses her rückwärts gerechnet (BGE 134 III 354). D.h. wenn am 30. Oktober 2021 die Kündigung mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten per 31. März 2022 ausgesprochen wird, dann läuft die Kündigungsfrist nicht bereits ab dem 30. Oktober 2021, sondern erst vom 1. Januar 2022 bis am 31. März 2022.
Bei einer Arbeitgeberkündigung [12] wird der Ablauf der Kündigungsfrist unterbrochen, wenn während ihrer Dauer ein Sperrfristentatbestand eintritt, z.B. eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit oder Schwangerschaft (Art. 336c Abs. 2, letzter Teilsatz OR). Es handelt sich dabei um dieselben Tatbestände, während derer eine Kündigung nicht ausgesprochen werden darf (siehe Frage 1). Folglich muss bei diesen Sperrfristentatbeständen unterschieden werden, ob sie zum Zeitpunkt des Aussprechens der Kündigung bereits zur Anwendung kommen (eine solche Kündigung wäre nichtig, siehe Frage 1) oder ob sie erst während einer laufenden Kündigung eintreten (eine vor der Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist zwar gültig, der Ablauf der Kündigungsfrist wird jedoch für die Dauer der Sperrfrist unterbrochen).
Wird der Ablauf der Kündigungsfrist unterbrochen, verlängert sich das Arbeitsverhältnis entsprechend. Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Kündigungstermin (z.B. Ende Monat), so verlängert sich gemäss Art. 336c Abs. 3 OR das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Kündigungstermin (auch wenn die Kündigungsfrist also nur für wenige Tage unterbrochen wurde, endet das Arbeitsverhältnis erst per Ende Monat). Dieser Besonderheit liesse sich vorbeugen, wenn im Arbeitsvertrag der Kündigungstermin wegbedungen und die Kündbarkeit des Vertrags auf einen beliebigen Zeitpunkt vereinbart würde.
Die Kündigungsbeschränkungen gelten nicht bei Ablauf eines Arbeitsvertrags infolge Befristung und bei fristloser Kündigung. Bei einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung schlägt eine allfällige Sperrfrist jedoch bei der Berechnung des Lohn-/Schadenersatzanspruchs für die Dauer der hypothetischen ordentlichen Kündigungsfrist durch.
[1] Anders das öffentliche Personalrecht, wo regelmässig ein sachlicher Grund vorliegen muss, damit die Kündigung ausgesprochen werden kann.
[2] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das Gleichstellungsgesetz vor, gemäss dem das Gericht eine provisorische Wiedereinstellung der Arbeitnehmerin für die Dauer eines Verfahrens anordnen kann (Art. 10 Abs. 3 GLG).
[3] Z. B. bei nichtigen Kündigungen während laufender Sperrfrist oder ungerechtfertigten fristlosen Entlassungen.
[4] Bei einer bloss «arbeitsplatzbezogenen» Arbeitsunfähigkeit findet der Sperrfristenschutz keine Anwendung (BGE 8C_451/2013).
[5] Für eine Übersicht der Rechtsprechung siehe Humbert/Lerch, in: FHB Arbeitsrecht, N 11.90 ff.
[6] Für eine Übersicht der Rechtsprechung siehe Streiff/von Kaenel/Rudolph, Praxiskommentar zum Arbeitsvertrag, Zürich 2012, Art. 336, S. 1000 ff. sowie Kaenel/Rudolph, elektronischer Update-Service zum Praxiskommentar, Art. 336.
[7] Für eine Übersicht der Rechtsprechung siehe Streiff/von Kaenel/Rudolph, Praxiskommentar zum Arbeitsvertrag, Zürich 2012, Art. 336, S. 1000 ff. sowie Kaenel/Rudolph, elektronischer Update-Service zum Praxiskommentar, Art. 336.
[8] Urteil des Bundesgerichts in ARV 2001, S. 38.
[9] BGer 4A_507/2010.
[10] BGer 4A_694/2015.
[11] BGer 4A_694/2015.
[12] Bei einer Arbeitnehmerkündigung kommen die Sperrfristen nicht zur Anwendung.
Take-Aways
Vier Leitfragen führen durch den formal korrekten Kündigungsprozess:
- Kann der Arbeitsvertrag überhaupt rechtswirksam gekündigt werden? Es gibt Bedingungen, unter denen eine Kündigung nicht vorgenommen werden kann.
- Gibt es formelle Voraussetzungen bei der Kündigung zu beachten? Dazu gehören Zeichnungsberechtigungen der Unterzeichnenden und die Form der Kündigung.
- Existieren besondere Pflichten, die die Arbeitgeberin im Vorfeld einer Kündigung zu beachten hat? Dazu gehören die Entlassung (dienst-)älterer Arbeitnehmer, das Aussprechen einer Kündigung in einer Konfliktsituation und Verdachtskündigungen.
- Wann endet das Arbeitsverhältnis? Die arbeits- oder gesamtarbeitsvertragliche Regelung muss berücksichtigt werden.