Wie vereinbarten Sie Beruf und Familie?
Mein Partner engagierte sich sehr in der eigenen Firma. Ich arbeitete Teilzeit. Es brauchte einiges an Organisation inklusive Notfallplan. Wir waren privilegiert, sodass wir uns eine Tagesmutter und am Schluss eine Haushälterin leisten konnten. Beim Wiedereinstieg wurde ich gefragt, was ich machen würde, wenn ein Kind krank ist. Ich sagte: Ich darf daheim bleiben. Oder ist es Ihnen lieber, wenn ich Sie anlüge und sage, dass ich krank bin? Er meinte dann: Hauptsache, Sie haben es organisiert. Sie wissen, dass Sie nur zurückkehren können, weil mein Vorgänger das mit Ihnen abgemacht hat. Ich handelte vor dem Mutterschaftsurlaub aus, dass ich mit einem 50-Prozent-Pensum zurückkehren und mein Praktikum beim Bezirksgericht beenden konnte. Finanziell hat sich das Praktikum im Moment nicht gelohnt, aber es war eine Investition in die Zukunft. Man muss immer einen Schritt voraus sein. Man weiss nie, was das Leben bringt. Ich erlebte später eine Scheidung und der Vater meiner Kinder starb. Als Frau muss man sich eine langfristige Betrachtungsweise aneignen. Meine Söhne sind inzwischen erwachsen. Sie studieren, leben aber nicht mehr mit mir zusammen. Mit 50 Jahren wechselte ich zur Sammelstiftung Vita. Ab dann konnte ich Vollgas geben, aus dem Vollen schöpfen und immer noch dazulernen.
Was sind in Ihren Augen Frauenthemen in der beruflichen Vorsorge?
Heute werden diese Themen noch als Frauenthemen bezeichnet, weil tendenziell Frauen Lücken haben, aber es sind allgemeine Themen. Die Arbeitswelt wandelt sich. Es gibt eine breite Streuung an beruflichen Biografien: Pensumsreduktion, multiple Arbeitgeber, Unterbruch, Freelancer, länger arbeiten oder früher in Pension gehen. Das ist die Realität. Das BVG orientiert sich aber noch an einem Mann, der praktisch das ganze Berufsleben beim gleichen Arbeitgeber Vollzeit arbeitet. Es liegt an uns, die berufliche Vorsorge fit zu machen für die neuen Arbeitsmodelle. Der Arbeitgeber, der ganze Teile seiner Wertschöpfungskette auslagert, hat eine gewisse Verpflichtung, Personen, die nicht richtig geschützt sind in der 2. Säule, darauf aufmerksam zu machen. Dies betrifft zum Beispiel mobile Arbeitskräfte mit einem kleinen Pensum und wenig Lohn.
Wie sorgen Sie für Ihre Pensionierung vor?
Ich zahlte schon sehr früh in die 2. Säule ein, weil ich immer arbeitete, auch während des Studiums bis 60 Prozent. Wegen des unbezahlten Urlaubs hatte ich aber Lücken. Ich machte Einkäufe. Nach der Scheidung konnte ich die 2. und 3. Säule weniger gut aufbauen, mein Fokus lag dann mehr auf der Familie als auf der Karriere. Das holte ich später nach und bin immer noch dran.
«Ich bin eine grosse Verfechterin von Diversity, nicht nur in Bezug auf das Geschlecht. Erst dann entstehen gute Lösungen.»
Was halten Sie vom aktuellen Reformvorschlag BVG 21?
Ich unterstütze eher den Vorschlag des ASIP. Ich bin gegen einen allgemeinen Rentenzuschlag. Die Reform müsste einschneidender sein. Ein Umwandlungssatz von 6% ist jetzt schon überholt. Der Koordinationsabzug sollte so gering wie möglich sein, die Umverteilung tragbarer werden. Wir sollten beruhigt in die Zukunft schauen können. Deshalb investiert die Sammelstiftung Vita in bezahlbaren Wohnraum (Wohnen im Alter). Den Arbeitgebern müsste man bewusst machen, dass sie Mitarbeiter an sich binden können, wenn sie eine gute berufliche Vorsorge anbieten. Wenn sich jemand für eine neue Stelle bewirbt, empfehle ich, die Situation der Pensionskasse anzuschauen. Es nützt nichts, wenn man mehr Lohn bekommt, aber dafür die neue Pensionskasse mitsanieren muss. Da das Leben nach der Pensionierung länger dauert, müssen wir auch mehr sparen. Es ist klar, dass sich Personen mit kleinen Einkommen keine 3. Säule leisten können. Man muss auch die AHV richtig auf die Beine stellen. Für Personen in speziellen Situationen wie Eltern, die jahrelang ein behindertes Kind pflegen, könnte eine Art Grundeinkommen in Betracht gezogen werden. Eine Pensumsreduktion oder das Ausscheiden aus der beruflichen Vorsorge sind nicht immer freiwillig.
Sie engagieren sich aktiv in Frauenfragen.
Ja, ich engagiere mich im internationalen Frauennetzwerk EWMD. Zudem bin ich Co-Gründerin und im Vorstand des EWMD-Forum (siehe Kasten). Frauenfragen haben mich immer interessiert, aber ich finde diese Bezeichnung nicht richtig.
EWMD
«EWMD – European Women’s Management Development» ist ein internationales Netzwerk, das 1984 gegründet wurde. Das fast 1000 Mitglieder umfassende Netzwerk vernetzt Fachleute aus allen Bereichen der Wirtschaft, Bildung, Politik und Kultur. Ziel ist unter anderem, Frauen in Führungspositionen sichtbarer zu machen und sie zu ermutigen. Das in der Schweiz gegründete EWMD-Forum fokussiert sich auf länderübergreifende Themen wie interessante Frauenbiografien.
www.ewmd.org/ewmd_forum.php
Wieso nicht?
Die Themen gehen uns alle an. Ich bin fest überzeugt, dass es auch den Einbezug der Männer braucht, um diese Fragen zu lösen, wie etwa die Abwesenheit aufgrund von Familienzuwachs. Es sollte keinen Unterschied mehr machen, ob man eine Frau oder einen Mann anstellt, wenn die Eltern dank Elternzeit gleich lange wegbleiben können, sobald ein Kind da ist. Familien- und Karrierefragen betreffen Väter und Mütter. Wenn Frauen und Männer etwa gleich viel verdienen, spielt es keine Rolle mehr, wer daheim bleibt. Es nimmt zudem Druck weg, indem nicht eine Person allein in die Rolle der «Versorgerin» der Familie gedrängt wird. Auch das Modell des Jobsharing ist interessant. Für meine Söhne ist es selbstverständlich, dass auch die Frauen finanziell ihren Teil beitragen. Das Modell «Die Frau bleibt daheim, der Mann arbeitet» ist für sie inexistent. Für junge Männer ist es nicht mehr erstrebenswert, um jeden Preis in eine Führungsposition zu kommen. Die Lebensqualität und Familienzeit sind ihnen wichtig.
«Familien- und Karrierefragen betreffen Väter und Mütter.»
Was raten Sie jungen Frauen bezüglich Karriere und Altersvorsorge?
An ihrer Visibilität müssen die Frauen selbst arbeiten. Frauen müssen ihre Fähigkeiten selbst an den Mann und die Frau bringen. Sie können nicht darauf hoffen, dass sie im stillen Kämmerlein entdeckt werden. Es ist reines Marketing, wir müssen uns verkaufen. Die jungen Frauen sind generell gut unterwegs. Sie wissen, was sie wollen, und vertreten es selbstbewusst. Dadurch sind sie visibler. Was die Altersvorsorge anbelangt, empfehle ich eine langfristige Betrachtungsweise. So früh wie möglich anfangen zu sparen, sei es in der 2. oder 3. Säule. Zudem sollten sie sich überlegen, wie ihr Lebensplan aussieht und wie sie Lücken vermeiden oder auffüllen können.